Oder fast alles. Wir verließen David und schlenderten durch den Märchengarten zurück zum Tor. Wir waren hundemüde und erschöpft, nicht nur vom Marathonschwimmen, sondern auch von der seltsamen Begegnung mit David Craken und Joe Trencher, wer immer er auch sein mochte.
Vielleicht war es deshalb, daß wir schon etwa hundert Meter weiter auf der Straße waren, ehe ich es bemerkte. Ich blieb stehen. »Du hast das Tor zugemacht«, sagte ich zu Bob.
Er schaute zurück. »Ich stieß es zu, als wir durchgingen. Ich wollte es nicht offen lassen, falls jemand ...«
»Nein, du hast es geschlossen! Erinnerst du dich? Es stand halb offen. Verstehst du nicht, was ich meine? Komm mit, schnell!«
So müde ich auch war, ich lief zurück. Das Tor war geschlossen, wie Bob es zugeschlagen hatte. Und da war die sechs Meter hohe Dornenhecke, und das Tor mit dem Überwachungsturm des elektronischen Postens an der einen Seite.
Keuchend blieben wir davor stehen. Nichts geschah.
»Seht ihr?« rief ich, und sie blinzelten mich an. »Versteht ihr denn noch immer nicht? Paßt mal auf.« Ich stieß die Tür an, sie flog weit auf.
Und nichts sonst geschah.
Roger Fairfane begriff, dann auch Bob Eskow.
»Der elektronische Wächter«, flüsterte Bob. »Er ist ausgeschaltet. Das ist ein automatisches Tor. Man dürfte es nicht bewegen können, solange der rote Suchstrahl einen nicht identifiziert ...«
Ich nickte. »Seht ihr, dieser Posten wurde irgendwie ausgeschaltet. Vermutlich wurden Drähte durchschnitten.«
Roger sah mich besorgt an. »Dann wären also diese Motoren, die wir zu hören glaubten .«
Ich nickte. »Die haben wir uns nicht eingebildet, sie waren echt. Sie haben den Posten abgeschaltet und kamen herein. Und sie hörten jedes Wort, das wir sprachen.«
Nach Osten und hinab. Unser Ziel war Sargasso City.
Bob und Roger Fairfane bekamen keinen Paß; es blieb also David und mir überlassen, nach Sargasso City zu gehen und die Killer Whale anzuschauen. Wenn ein Kadett ihn sähe und erkannte, würde man Fragen stellen. Es schien aber, daß es keine andere Möglichkeit gab als mit uns beiden.
Wir buchten eine Fahrt von Hamilton nach Sargasso City im regulären Pendelverkehr. Es waren hundertfünfzig Meilen östlich von Bermuda und lag gute zwei Meilen tief. Ehe unser Schiff ging, versuchte ich meinen Onkel Stewart in Thetis Dome telefonisch zu erreichen. Ich bekam keine Antwort.
»Es ist sehr wichtig«, bat ich die Dame von der Fernvermittlung. »Können Sie noch weiter versuchen?«
»Ganz gewiß, Sir«, versicherte sie mir voll beruflicher Tüchtigkeit. »Geben Sie mir Ihre Nummer. Ich rufe zurück.«
Jetzt mußte ich ganz schnell denken. Hier hatte ich bis zur Abfahrt unseres Schiffes nur noch ein paar Minuten. In der Akademie wollte ich mich nicht anrufen lassen, da jemand mithören konnte. Ich sagte also: »Bitte, versuchen Sie’s weiter. Ich rufe Sie in etwa zwei Stunden von Sargasso Dome aus an.«
David gestikulierte heftig vor der Kabine. Ich legte auf, und wir rannten den langen, dunklen Schuppen entlang, der das Dock der Pan-Carib Line war. Wir erreichten das Schiff gerade noch, ehe die Gangway eingezogen wurde.
Natürlich hatte mein Onkel sehr wenig Zeit und um so mehr Arbeit, und wenn er im Moment nicht zu Hause war, so mußte das nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis sein. Doch jetzt war es auf der anderen Erdseite Nacht. Und der Zweifel, ob mit ihm auch alles in Ordnung wäre, ließ mich nicht los.
Irgendwie packte mich dann aber doch wieder die Tiefe. Von Hamilton zogen wir an der Oberfläche weg, aber als wir die Seichtwasser über dem Schelf hinter uns hatten, ging es steil nach unten mit Kurs auf Sargasso Dome.
Natürlich war dieses Schiff ein Zwerg gegen die riesigen Pazifik-Linienschiffe, mit denen ich nach Thetis Dome gereist war, doch es war immerhin zweihundert Fuß lang, also etwa sechzig Meter. Auf kleinen Schiffen ging alles lockerer vor sich, und so konnten David und ich ohne viel Umstände die Mannschaftsquartiere und Maschinenräume besichtigen. Uns verging die Zeit sehr schnell. Die ganze Reise dauerte sowieso nur knapp zwei Stunden.
In Sargasso City gingen wir durch Edenit-Verbindungstunnels von Bord, und ich hielt sofort Ausschau nach einer Telefonkabine. Ich warf die Münzen ein und bekam die gleiche Vermittlung wie vor.
Aber noch immer kam keine Antwort. Ich ließ die Anmeldung weiterlaufen, und dann fragten wir uns zum Liegeplatz der Überschußschiffe durch, die bald in einer öffentlichen Auktion versteigert werden sollten.
Die Killer Whale lag neben der alten Dolphin in den Lagerdocks unten am Grund von Sargasso Dome.
Sie waren nicht sehr groß, diese Schiffe, sonst hätten sie auch nicht die in die Kuppel führenden Schleusen passieren können. Aber neben der Killer Whale sah die Dolphin aus wie ein Einbaum. Die Dolphin ließen wir daher buchstäblich links liegen und bestiegen durch die Hauptluke das andere Schiff.
Wir besahen es vom Bug bis zum Heck. »Sie ist eine Schönheit«, erklärte David, und seine Augen leuchteten.
Ich nickte. Die Killer Whale gehörte zu den zuletzt gebauten Schiffen der K-Klasse bei den Tiefsee-Kreuzern. Diese Klasse war absolut in Ordnung, nur hatte es in den letzten zehn Jahren so viele Verbesserungen gegeben, daß allein schon für die neuen Waffen ein ganz anderes Baumuster nötig war. Die Flotte hatte daher alle Schiffe ausgemustert, die älter waren als zehn Jahre. Die Ersatzschiffe waren schon alle in Dienst gestellt worden, und diese beiden Schiffe gehörten zu den letzten, die noch zu ersetzen waren.
Quartiere gab es für sechzehn Mann Besatzung. »Wir werden uns darin ja fast verlaufen können, aber fertig werden wir mit ihr«, erklärte ich David. »Einer von uns kommt an die Maschinen, der andere an die Kontrollen, und das in zwei Zwölfstundenschichten. Du wirst sehen, das Schiffchen läuft wie ein Traum.«
Er legte eine Hand versuchsweise auf das Ruder, als sei dies ein heiliger Gegenstand. »Eine Schönheit«, flüsterte er. »Gut. Gehen wir nach oben. Wir müssen ein Angebot darauf abgeben.«
Diese Notwendigkeit nahm etwas weg von dem Zauber, der uns einhüllte. Was hatten wir, um ein Angebot abzugeben? Falls mein Onkel Stewart nicht helfen konnte, und ein reicher Mann war er ja auch nicht, hatten wir nicht einmal soviel, daß wir die Rettungskapsel des Schiffes bezahlen konnten, vom Kreuzer selbst gar nicht zu reden.
Im Büro des diensttuenden Lieutenant-Commanders erfuhren wir, daß der Mindestpreis fünfzigtausend Dollar sei. Der Offizier musterte uns und grinste breit. »Bißchen teuer, was? Für euer Taschengeld, meine ich. Warum sucht ihr euch nicht was Billigeres aus? Etwa ein Spielzeugsegelboot?«
Zum erstenmal bedauerte ich es, die scharlachrote Ausgehuniform der Akademie anzuhaben. Wäre ich in Zivil gewesen, so hätte ich ihm meine ungeschminkte Meinung schon gesagt.
»Was müssen wir tun, um das Angebot abzugeben?« fragte David.
Jetzt verging dem Offizier denn doch das Grinsen. »Nun ja, wenn ihr das wirklich ernst meint, braucht ihr nur ein Angebotsformblatt auszufüllen. Name, Adresse und Betrag, der geboten wird. Ein Drittel dieses Betrages ist zu hinterlegen, ehe die Angebote geöffnet werden, sonst kommt ihr nicht in Frage. Das ist alles.«
»Dann kann ich also ein Formular für die Killer Whale bekommen, Sir?«
»Killer ... Hm. Hier«, sagte er und blätterte die Formulare auf seinem Tisch durch. »Dumm seid ihr nicht. Die Dolphin ist nämlich nur ein Rosthaufen. Ich weiß es. Hab’ als Fähnrich dort gedient. Aber was wollen Sie mit dem Kreuzer, junger Mann? Selbst wenn Sie das Geld dafür haben.«
David hüstelte. »Ich will ihn für meinen Vater«, erklärte er.
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