»Ich suche einen Job«, sagte Blaine.
»Scheiße!« sagte Franchel. »Ich dachte, Sie wären ein Kunde.« Er drehte sich in die Richtung des lärmenden Solidos und rief: »Alice, würdest du mal das verdammte Ding leiser stellen!« Er wartete, bis die Lautstärke ein wenig nachgelassen hatte, dann wandte er sich an Blaine. »Kumpel, wenn das Geschäft nicht bald besser läuft, dann werde ich wohl wieder eine Selbstmordkabine in Coney Island aufmachen. Einen Job, eh?«
»Ja. Ray Melhill hat mir geraten, es bei Ihnen zu versuchen.«
Franchels Gesicht hellte sich auf. »Wie geht’s Ray denn?«
»Er ist tot.«
»Schade«, sagte Franchel. »Er war ein guter Bursche, wenn auch immer ein bißchen wild. Er hat einige Male für mich gearbeitet, wenn die Raumpiloten gerade streikten. Möchten Sie einen Drink?«
Blaine nickte. Franchel ging an den Aktenschrank und holte eine Flasche Ryewhiskey Marke »Mondsaft« hervor. Er fand zwei schartige Gläser und füllte sie mit einem geübten Schlenker.
»Auf den alten Ray«, sagte Franchel. »Ich vermute, daß er wohl eingetütet worden ist, wie?«
»Eingetütet und verpackt«, sagte Blaine. »Ich habe gerade mit ihm über die Geistervermittlung gesprochen.«
»Dann ist er ja bis zur Schwelle gekommen!« sagte Franchel bewundernd. »Kumpel, so ein Glück müßten wir mal haben! Sie wollen also einen Job? Na ja, vielleicht kann ich das einrichten. Stehen Sie mal auf.«
Er ging um Blaine herum, prüfte seine Armmuskeln und tastete mit einer Hand über seine harten Schultermuskeln. Er stellte sich vor Blaine auf, nickte mit gesenktem Blick und machte dann plötzlich mit der Faust eine Finte auf Blaines Gesicht. Blaines Rechte schoß sofort empor und blockte den Schlag rechtzeitig ab.
»Gute Statur, gute Reflexe«, sagte Franchel. »Ich glaube, Sie sind geeignet dafür. Verstehen Sie was von Waffen?«
»Nicht viel«, sagte Blaine und wunderte sich, was er da wohl für eine Stelle bekommen würde. »Nur – äh – antike. Garands, Winchester, Colts.«
»Ehrlich?« fragte Franchel. »Wissen Sie, ich wollte schon immer mal antike Rückstoßlader sammeln. Aber auf dieser Jagd sind keine Projektil- und Strahlenwaffen erlaubt. Was haben Sie noch aufzuweisen?«
»Ich kann mit einem Bajonettgewehr umgehen«, sagte Blaine und dachte daran, wie schallend sein Unteroffizier in der Grundausbildung jetzt gelacht hätte.
»Ja? Stoßen und Parieren und so? Sagenhaft, ich dachte, der Bajonettkampf wäre eine ausgestorbene Kunst! Sie sind der erste, dem ich in fünfzehn Jahren begegnet bin, der das kann. Kumpel, Sie sind angestellt!«
Franchel ging an seinen Schreibtisch zurück, schrieb etwas auf einen Zettel und reichte ihn Blaine.
»Morgen gehen Sie zu dieser Adresse und bekommen Ihre Instruktionen. Sie bekommen den üblichen Jägerlohn, zweihundertfünfzig Dollar plus fünfzig für jeden Arbeitstag. Haben Sie eigene Waffen und Zubehör? Na gut, dann besorge ich Ihnen das Zeug, aber es wird Ihnen vom Lohn abgezogen. Und ich bekomme zehn Prozent Provision. O.K.?«
»Klar«, sagte Blaine. »Könnten Sie mal die Jagd ein wenig erklären?«
»Da gibt es nichts zu erklären. Es ist eine Standardjagd. Aber erzählen Sie es nicht überall herum. Ich bin mir nicht sicher, ob Jagden immer noch erlaubt sind. Ich wünschte, daß der Kongreß die Gesetze über Selbstmord und Genehmigten Mord endlich mal deutlich klären würde. Man weiß ja überhaupt nicht mehr, woran man ist.«
»Ja«, stimmte Blaine ihm von Herzen zu. Wer wußte das schon?
»Wahrscheinlich werden Sie beim Briefing auch was über die rechtlichen Aspekte sagen«, erklärte Franchel. »Die anderen Jäger werden auch da sein, und das Opfer wird euch alles erklären, was ihr wissen müßt. Grüßen Sie Ray von mir, falls Sie nochmal mit ihm reden sollten. Sagen Sie ihm, daß es mir leid tut, daß er getötet wurde.«
»Mache ich«, sagte Blaine. Er entschied sich, keine weiteren Fragen mehr zu stellen, weil er befürchtete, daß ihn das seinen Job kosten könnte. Was immer für eine Jagd das sein mochte, er und sein Körper würden es mit Sicherheit schaffen. Und ein Job, irgendein Job, war nun nötig, sowohl für sein Selbstwertgefühl wie auch für seinen schrumpfenden Geldbeutel.
Er dankte Franchel und ging.
An diesem Abend aß er in einem billigen Imbiß und kaufte sich mehrere Illustrierte. Er war guter Stimmung, daß er eine Stelle bekommen hatte und war sich sicher, daß er seinen Weg in diesem Zeitalter schon machen würde.
Als er auf dem Weg ins Hotel einen Mann in einer Seitenstraße stehen sah, der ihn betrachtete, dämpfte dies seine Freude ein wenig. Der Mann hatte ein bleiches Gesicht und ruhige Buddhaaugen und seine groben Kleider hingen an ihm herunter wie an einer Vogelscheuche.
Es war der Zombie.
Blaine eilte in sein Hotel zurück, er wollte es nicht wahrhaben, daß es Ärger geben könnte. Wenn eine Katze schließlich das Recht hatte, einen König anzublicken, warum sollte ein Zombie dann nicht einen Mann betrachten dürfen, was war denn schon Schlimmes dabei?
Dieser Gedankengang hinderte ihn allerdings nicht daran, bis zum Morgengrauen Alpträume zu haben.
*
Früh am nächsten Morgen ging Blaine zur Kreuzung Park Avenue/42. Straße, um einen Bus zu dem Briefing zu nehmen. Während er wartete, bemerkte er auf der anderen Seite der 42. Straße Unruhe.
Ein Mann war mitten auf dem geschäftigen Gehsteig stehengeblieben. Er lachte vor sich hin, und die Leute entfernten sich langsam von ihm. Blaine schätzte, daß er in seinen Fünfzigern sein mochte; er trug unauffällige Tweedkleidung, hatte eine Brille auf und schien ein wenig Übergewicht zu haben. Er hatte einen kleinen Aktenkoffer in der Hand und sah aus wie zehn Millionen anderer Geschäftsleute auch.
Plötzlich hörte er abrupt auf zu lachen. Er machte den Reißverschluß seines Aktenkoffers auf und holte zwei lange, leicht gebogene Dolche daraus hervor. Er warf den Aktenkoffer fort und danach auch die Brille.
»Amokläufer!« rief irgend jemand.
Der Mann stürzte sich mit blitzenden Dolchen in die Menschenmenge hinein. Die Leute fingen an zu schreien, und die Menge stob vor ihm auseinander.
»Amokläufer! Amokläufer!«
»Ruft die Bullen!«
»Achtung, Amokläufer!«
Ein Mann lag am Boden. Er hielt sich seine zerrissene Schulter und fluchte. Das Gesicht des Amokläufers war nun feurig gerötet, und Speichel troff aus seinem Mund. Er watete noch tiefer in die dichte Menge hinein, und die Menschen stießen sich beim Versuch, zu entfliehen, gegenseitig zu Boden. Eine Frau schrie auf, als sie das Gleichgewicht verlor, und die Pakete, die sie im Arm getragen hatte, verteilten sich über den Gehsteig. Der Amokläufer stieß mit der Linken nach ihr, verfehlte sie und drängte noch tiefer in die Menge ein. Sechs oder acht blauuniformierte Polizisten erschienen mit gespreizten Armen. »Alles auf den Boden!« riefen sie. »Alles in Deckung! Auf den Boden!«
Der Verkehr war zum Erliegen gekommen. Die Leute, die dem Amokläufer im Weg standen, warfen sich zu Boden. Auf Blaines Straßenseite gingen die Leute ebenfalls in Deckung.
Ein sommersprossiges Mädchen von etwa zwölf Jahren zupfte Blaine am Ärmel. »Kommen Sie, Mister, gehen Sie in Deckung! Wollen Sie etwa weggestrahlt werden?«
Blaine legte sich neben sie. Der Amokläufer hatte sich umgedreht und rannte nun auf die Polizisten zu, wobei er wortlose Schreie ausstieß und seine Dolche schwang.
Drei der Polizisten feuerten zur gleichen Zeit, und ihre Waffen gaben gelbe Strahlen von sich, die rot aufglühten, als sie den Amokläufer trafen. Er schrie, als seine Kleidung Feuer zu fangen begann, drehte sich um und versuchte zu fliehen.
Ein Strahl traf ihn voll in den Rücken. Er schleuderte seine Dolche auf die Polizisten und brach zusammen.
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