»Das ist ja noch schlechter als die Trefferquote der guten alten Philadelphia Phillies unter Connie Mack. Die schlossen die Saison immer mit einem Prozentsatz von –«
»Was kriege ich,« sagte Fred, »wenn ich angebe, daß es in Ausübung meines Dienstes passiert ist?«
»Einen Ehrenplatz in einem Wartezimmer, wo Sie ganz umsonst eine Menge Saturday Evening Posts und Cosmopolitans lesen dürfen.«
»Und wo ist dieses Wartezimmer?«
»Wo möchten Sie denn am liebsten hin?«
Fred sagte: »Darüber müßte ich erst mal nachdenken.«
»Ich will Ihnen mal sagen, was ich tun würde«, sagte Hank. »Ich würde nicht in eine Staatliche Nervenklinik gehen; ich würde mir an Ihrer Stelle sechs Flaschen guten Bourbons kaufen, Marke I. W. Harper, und in die Hügel gehen, ‘rauf in die San Bernadino-Berge, irgendwo in die Nähe eines der Seen, in eine einsame Gegend, und einfach ganz allein dort bleiben, bis alles vorüber ist. An einem Ort, wo mich niemand finden kann.«
»Aber vielleicht geht es nie mehr vorüber.«
»Dann kommen Sie eben nie mehr zurück. Kennen Sie irgendwen, der da oben ein Blockhaus hat?«
»Nein«, sagte Fred.
»Sind Sie fit genug, um zu fahren?«
»Mein –« Er hielt inne, und eine traumartige Kraft überkam ihn; plötzlich fühlte er sich ganz entspannt und gelöst. Alle räumlichen Beziehungen in dem Büro veränderten sich; die Veränderung berührte sogar seine Zeitwahrnehmung. »Er ist in …« Er gähnte.
»Sie erinnern sich nicht.«
»Ich erinnere mich daran, daß er nicht mehr funktioniert.«
»Wir könnten dafür sorgen, daß jemand Sie hinauffährt. Das wäre auf jeden Fall sicherer.«
Mich wo hinauffährt? fragte er sich. Hinauf in was? Straßen, Feldwege, Pfade hinauf, zerrend und sich aufbäumend in der Motsche, wie ein Kater an einer Leine, der nur wieder ins Haus zurückwill. Der sich befreien will.
Er dachte: Ein Engel, der Gattin so gleich, der führt mich zur Freiheit ins himmlische Reich. [15] Anm. d. Übers.: Deutsch im Original
Sicher«, sagte er und lächelte. Erleichterung. Gegen den Zug der Leine ankämpfen, sich abmühen, freizukommen, und sich dann zur Ruhe betten. »Was denken Sie jetzt eigentlich von mir«, sagte er, »jetzt, da Sie wissen, daß ich so einer bin – ausgebrannt, vorübergehend jedenfalls. Vielleicht auch auf Dauer.«
Hank sagte: »Ich denke, daß Sie ein sehr guter Mensch sind.«
»Danke«, sagte Fred.
»Nehmen Sie Ihren Revolver mit.«
»Was?« sagte er.
»Wenn Sie mit den I. W. Harper-Flachmännern in die San Bernadino-Berge aufbrechen. Packen Sie Ihren Revolver ein.«
»Sie meinen, für den Fall, daß ich nicht mehr von dem Zeug loskomme?«
Hank sagte: »Nicht nur für diesen Fall. Bei der Dosis, auf der Sie laut diesem Bericht mittlerweile sind, sind die Entziehungserscheinungen … Sie sollten ihn bei sich haben.«
»Okay.«
»Wenn Sie zurückkommen«, sagte Hank, »melden Sie sich bei mir. Lassen Sie es mich wissen.«
»Hölle, ich werde meinen Anzug nicht anhaben.«
»Rufen Sie mich trotzdem an. Mit oder ohne Ihren Anzug.«
Wieder sagte er: »Okay.« Offenbar machte selbst das nichts mehr aus. Offenbar war das ein für allemal vorüber.
»Wenn Sie hingehen und Ihre nächste Gehaltszahlung abholen, wird unter dem Strich ein anderer Betrag stehen. Der Unterschied wird beträchtlich sein, allerdings nur dieses eine Mal.«
Fred sagte: »Bekomme ich einen Bonus dafür – für das, was mir passiert ist?«
»Nein. Lesen Sie Ihre Dienstvorschrift. Ein Beamter, der willentlich süchtig wird und das nicht auf der Stelle meldet, macht sich eines Dienstvergehens schuldig und muß mit einer Geldbuße von dreitausend Dollar und/oder sechs Monaten Haft rechnen. Sie werden möglicherweise nur mit einer Geldbuße davonkommen. «
»Willentlich?« sagte er in ungläubigem Staunen.
»Es hat Ihnen ja niemand eine Pistole an den Kopf gehalten und Sie mit dem Zeug vollgepumpt. Niemand hat Ihnen etwas in den Kaffee getan. Sie haben wissentlich und willentlich eine suchtbildende Droge eingenommen, eine Droge, die zu Gehirnschäden und Desorientierungserscheinungen führt.«
»Aber ich mußte doch!«
Hank sagte: »Sie hätten es auch vortäuschen können. Die meisten Beamten schaffen es, damit klarzukommen. Und wenn man die Menge in Betracht zieht, die Sie laut diesem Bericht schlucken –«
»Sie behandeln mich wie einen Gauner. Ich bin kein Gauner.« [16] Anm. des Übers.: Im Original: »I am not a crook » – ein wörtliches Zitat eines Ausspruchs des amerikanischen Präsidenten Richard Nixon anläßlich seiner vom Fernsehen übertragenen Verteidigungsrede gegen die im Zusammenhang mit der Watergate-Affäre gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Außer Dick haben auch andere amerikanische Künstier dieses Zitat als Anspielung auf Richard »Tricky Dicky« Nixon ironisch verarbeitet, u. a. der Rockmusiker Frank Zappa in seinem Song »Son of Orange County«. Der »Sohn von Orange County« ist natürlich Richard Nixon, dessen Geburtsort im kalifornischen Orange County liegt – wo ja auch Philip K. Dick ganz bewußt die Handlung des vorliegenden Romans angesiedelt hat.
Hank griff nach einem Notizblock und einem Stift und begann zu rechnen. »Wie hoch sind Sie jetzt eigentlich, gehaltsmäßig, meine ich? Ich kann das Ganze ja mal durchrechnen, wenn –«
»Könnte ich die Geldbuße nicht später bezahlen? Vielleicht in einer Reihe von monatlichen Raten, verteilt über zwei Jahre?«
Hank sagte: »Na, hören Sie mal, Fred.«
»Okay«, sagte er.
»Wieviel kriegen Sie pro Stunde?«
Er konnte sich nicht daran erinnern.
»Wissen Sie wenigstens, wie viele eingetragene Stunden Sie haben?«
Daran auch nicht.
Hank warf den Schreibblock wieder hin. »Möchten Sie eine Zigarette?« Er bot Fred seine Schachtel an.
»Ich werde mir auch das abgewöhnen«, sagte Fred. »Alles. Eingeschlossen Erdnüsse und …« Er konnte nicht mehr denken. Sie saßen beide einfach nur da, beide in ihren Jedermann-Anzügen, beide schweigend.
»Wie ich meinen Kindern immer sage«, begann Hank.
»Ich habe zwei Kinder«, sagte Fred. »Zwei Mädchen.«
»Ich glaube nicht; von Rechts wegen dürften Sie keine haben.«
»Vielleicht nicht.« Er hatte den Versuch unternommen, darüber nachzudenken, wann wohl die Entzugssymptome einsetzen würden, und jetzt unternahm er den Versuch, darüber nachzudenken, wie viele Tabletten Substanz T er an allen möglichen Stellen versteckt hatte. Und ob das Geld, das er in Zukunft am Zahltag kriegte, wohl reichen würde, genügend Nachschub ranzuschaffen.
»Soll ich denn nun für Sie ausrechnen, wie hoch Ihr Ruhestandsgehalt sein wird, oder was?« sagte Hank.
»Okay«, sagte er und nickte heftig. »Tun Sie das.« Er saß da und wartete angespannt, trommelte auf dem Tisch. Wie Barris.
»Wieviel kriegen Sie also jetzt pro Stunde?« wiederholte Hank und griff dann resigniert zum Telefon. »Ich werde mal die Gehaltsstelle anrufen.«
Fred sagte nichts, sondern starrte nur auf den Boden und wartete. Er dachte: Vielleicht kann Donna mir helfen. Donna, dachte er, bitte hilf mir jetzt.
»Ich glaube nicht, daß Sie es bis in die Berge schaffen werden«, sagte Hank. »Selbst, wenn jemand Sie hinfährt.«
»Nein.«
»Wohin wollen Sie dann?«
»Lassen Sie mich noch ein bißchen hier sitzen und nachdenken.«
»Staatliche Nervenklinik?«
»Nein.«
Sie saßen da.
Er fragte sich, was von Rechts wegen wohl bedeuten mochte.
»Wollen Sie vielleicht rüber zu Donna Hawthorne?« sagte Hank. »Aufgrund der ganzen Informationen, die ich von Ihnen und allen anderen Agenten erhalten habe, weiß ich, daß Sie sich nahestehen.«
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