»Keine Einwände«, sagte der Tester. »Da wir beschlossen haben, Ihnen eine Blutprobe abnehmen zu lassen, wird es ohnehin länger dauern, bis wir die Schlußauswertung machen können; ja, gehen Sie ruhig rauf. Wir werden oben anrufen, wenn wir Sie wieder hier benötigen. Hank, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Fred. »Ich werde oben bei Hank sein.«
Der Tester sagte: »Sie kommen mir heute sehr viel niedergeschlagener vor als da, wo wir uns das erste Mal gesehen haben.«
»Wie bitte?« sagte Fred.
»Als Sie das erste Mal hier bei uns waren. Letzte Woche. Da waren Sie zwar auch angespannt, aber Sie haben immer noch Scherze gemacht und gelacht.«
Fred starrte ihn an und begriff plötzlich, daß das einer der beiden medizinischen Assistenten war, mit denen er es schon früher zu tun gehabt hatte. Aber er sagte nichts; er grunzte einfach nur und verließ dann ihr Büro, wankte zum Aufzug. Das bringt einen echt runter, dachte er. Diese ganze Sache. Ich möchte zu gerne wissen, welcher der beiden medizinischen Assistenten das war. Der mit dem Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart oder der andere. Der andere, vermute ich. Der hier hatte ja keinen Schnurrbart.
»Sie werden dieses Objekt manuell mit Ihrer linken Hand abtasten«, sagte er zu sich selbst, »und es gleichzeitig mit Ihrer rechten anschauen. Anschließend werden Sie uns in Ihren eigenen Worten sagen –« Er brachte es nicht fertig, sich noch mehr solchen Unsinn auszudenken. Nicht ohne ihre Hilfe.
*
Als er Hanks Büro betrat, sah er, daß außer Hank noch ein anderer Mann anwesend war. Er trug keinen Jedermann-Anzug und saß in der hintersten Ecke des Raumes, Hank gegenüber.
Hank sagte: »Das ist der Informant, der uns wegen Bob Arctor angerufen und dabei diese elektronische Abschirmung benutzt hat – ich habe Ihnen davon erzählt. «
»Ja«, sagte Fred. Er stand reglos mitten im Raum.
»Dieser Mann hat uns erneut angerufen, um uns weitere Informationen über Bob Arctor zukommen zu lassen; wir haben ihm daraufhin erklärt, daß er sein Inkognito aufgeben und seine wahre Identität enthüllen müsse. Wir forderten ihn auf, persönlich hier vorzusprechen, und das hat er getan. Kennen Sie ihn?«
»Aber sicher«, sagte Fred und starrte unverwandt Jim Barris an, der grinsend dasaß und mit einer Schere herumspielte. Barris wirkte ganz so, als behage ihm das alles nicht so recht. Und er sah häßlich aus. Superhäßlich, dachte Fred mit innerem Widerwillen. »Sie sind James Barris, nicht wahr?« sagte er. »Sind Sie schon mal verhaftet worden?«
»Seine ID-Karte weist ihn als James R. Barris aus«, sagte Hank, »und der behauptet er auch zu sein.« Er fügte hinzu: »Er hat kein Vorstrafen-Register. «
»Was will er?« Zu Barris sagte Fred: »Wie lauten Ihre Informationen?«
»Ich habe Beweise dafür«, sagte Barris mit gedämpfter Stimme, »daß Mr. Arctor einer weitgespannten, im Verborgenen operierenden Geheimorganisation angehört, die über beträchtliche Geldmittel sowie über ein umfangreiches Waffenarsenal verfügt, Kodeworte benutzt und deren Endziel möglicherweise der Sturz der –«
»Dieser Teil ist reine Spekulation«, unterbrach ihn Hank. »Von welchen Aktionen dieser Organisation wissen Sie konkret? Wie sehen Ihre Beweise aus? Aber liefern Sie uns jetzt ja keine Informationen, die nicht aus erster Hand stammen.«
»Sind Sie je in eine Nervenklinik eingewiesen worden?« sagte Fred zu Barris.
»Nein«, sagte Barris.
»Wären Sie bereit«, fuhr Fred fort, »im Büro des Bezirksstaatsanwalts eine notariell beglaubigte eidesstattliche Erklärung hinsichtlich Ihrer Beweise und Informationen zu unterzeichnen? Und würden Sie unter Eid vor Gericht erscheinen und –«
»Er hat bereits durchblicken lassen, daß er das tun würde«, unterbrach ihn Hank.
»Meine Beweise«, sagte Barris, »die ich zwar heute größtenteils nicht mitgebracht habe, aber jederzeit vorlegen könnte, bestehen aus Bandaufnahmen, die ich von Telefongesprächen Robert Arctors angefertigt habe. Ich meine Gespräche, die er führte, ohne zu wissen, daß ich zuhörte.«
»Was ist das für eine Organisation?« sagte Fred.
»Ich halte sie für eine –«, begann Barris, aber Hank winkte ab. »Eine politische Organisation«, sagte Barris. Obwohl er schwitzte und ein wenig zitterte, machte er einen zufriedenen Eindruck. »Eine Verschwörung gegen den Staat. Von außen initiiert. Den USA feindlich gesonnen.«
Fred sagte: »Was für eine Verbindung besteht zwischen Arctor und der Quelle, aus der Substanz T stammt?«
Barris blinzelte, leckte sich dann die Lippen und sagte, indem er das Gesicht verzog: »Meiner Meinung nach –« Er unterbrach sich mitten im Satz. »Wenn Sie alle meine Informationen auswerten, werden Sie – meine Beweise, meine ich – werden sie zweifellos daraus den Schluß ziehen, daß Substanz T von einer fremden Macht hergestellt wird, die entschlossen ist, die USA zu vernichten, und daß Mr. Arctor eine wesentliche Funktion in der Maschinerie dieses –«
»Können Sie uns noch weitere Angehörige dieser Organisation namhaft machen?« sagte Hank. »Personen, mit denen Arctor sich getroffen hat? Sie sind sich sicher der Tatsache bewußt, daß es ein Verbrechen ist, staatlichen Behörden wissentlich falsche Informationen zu geben, und daß man Sie deswegen belangen kann und vermutlich auch belangen wird.«
»Ich bin mir dessen bewußt«, sagte Barris.
»Mit wem hat Arctor konferiert?« sagte Hank.
»Mit einer gewissen Miß Donna Hawthorne«, sagte Barris. »Unter verschiedenen Vorwänden fährt er hinüber zu ihrer Wohnung und kollaboriert dort regelmäßig mit ihr.«
Fred lachte. »Kollaboriert. Was meinen Sie damit?«
»Ich bin ihm gefolgt«, sagte Barris langsam und betont. »In meinem eigenen Wagen. Ohne sein Wissen.«
»Er geht oft dahin?« sagte Hank.
»Ja, Sir«, sagte Barris. »Sehr oft. So oft er –«
»Donna Hawthorne ist sein Mädchen«, sagte Fred.
Barris sagte: »Außerdem hat Mr. Arctor –«
Hank wandte sich zu Fred um und sagte: »Glauben Sie, daß an dieser Sache was dran ist?«
»Wir sollten uns auf jeden Fall die Beweise anschauen«, sagte Fred.
»Bringen Sie Ihre Beweise her«, befahl Hank Barris. »Alle. Vor allen Dingen interessieren uns Namen – Namen, Autonummern, Telefonnummern. Haben Sie jemals beobachten können, daß Arctor mit größeren Mengen von Drogen zu tun hatte? Mengen, die den Bedarf eines gewöhnlichen Drogenkonsumenten bei weitem überstiegen?«
»Aber ja doch«, sagte Barris.
»Welche Arten von Drogen?«
»Verschiedene Arten. Ich habe Proben davon. Ich habe sorgfältig Proben gesammelt … damit Sie sie analysieren können. Die kann ich auch mitbringen. Eine ziemliche Menge und über ein breites Spektrum verteilt.«
Hank und Fred wechselten einen kurzen Blick.
Barris, der blicklos vor sich hin starrte, lächelte.
»Gibt es noch etwas, was Sie uns für diesmal mitteilen wollen?« sagte Hank zu Barris. Zu Fred sagte er: »Vielleicht sollten wir ihm einen Beamten mitgeben, wenn er die Beweise holt.« Was im Klartext hieß: Um ganz sicherzugehen, daß er nicht plötzlich Angst vor seiner eigenen Courage bekam und sich verdünnisierte. Daß er gar nicht erst auf den Gedanken kam, es sich doch noch anders zu überlegen und wieder auszusteigen.
»Da wäre noch eine Sache, die ich Ihnen gerne sagen möchte«, sagte Barris. »Mr. Arctor ist schwer drogenabhängig, süchtig nach Substanz T, und daher jetzt geistesgestört. Seine geistige Verwirrung hat in letzter Zeit immer mehr zugenommen, und er ist gefährlich. «
»Gefährlich«, echote Fred.
»Ja«, erklärte Barris. »Er zeigt bereits Symptome, wie sie bei einem durch Substanz T verursachten Hirnschaden auftreten. Sein optischer Chiasmus muß ernsthaft beeinträchtigt sein, was eine Schwächung der ipsilaternalen Komponente nach sich zieht … Und zudem –« Barris räusperte sich. »Verfallserscheinungen auch im Corpus Callosum.«
Читать дальше