Stephen Baxter - Zeitschiffe

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Eine neue Reise durch die Zeit führt den Helden aus H. G. Wells’ »Die Zeitmaschine« in Vergangenheiten und Zukünfte, die sich als alternative Zeitströme entpuppen, die er womöglich sehr erzeugt. Der Versuch, das temporale Durcheinander zu ordnen, führt ihn zum Urknall zurück und enthüllt ihm die Geheimnisse des Multiversums… Die »offizielle Fortsetzung« des SF-Klassiker ist eine sehr lange, recht zähe und wenig originelle Hetzjagd durch die Äonen, die erst in ihrem Finale einen »sense of wonder« gewinnt und ein wenig für die aufgewendete Lesezeit entschädigt.

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Kommen Sie«, meinte er voller Elan. »Lassen Sie uns noch ein Stück gehen. Die Shows werden hier sowieso in ziemlich kurzen Abständen wiederholt…«

Wallis erzählte mir mehr von seinen Erlebnissen. Als er noch im Weybridge-Bunker für die Vickers-Armstrong-Company arbeitete, hatte er sich einen gewissen Ruf als Konstrukteur von Luftfahrzeugen erworben — ein ›genialer Eierkopf‹, wie er sich selbst bezeichnete.

Als der Krieg sich hinzog, hatte Wallis' rühriges Gehirn Pläne ersonnen, wie man sein Ende beschleunigen könnte. So hatte er sich z. B. überlegt, wie man die Energiereserven des Feindes — Stauseen, Dämme, Bergwerke und dergleichen — mittels schwerer Bomben vernichten könnte, die von ›Monster-Bombern‹ genannten Stratosphärenflugzeugen abgeworfen wurden. Zu diesem Zweck hatte er Untersuchungen zur Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit von der Flughöhe durchgeführt, der Sichtbarkeit von Objekten aus großer Höhe, der Auswirkung seismischer Wellen auf Kohlebergwerke etc. »Sie erkennen doch das Potential solcher Dinge, oder? Man muß nur die entsprechende Phantasie aufbringen. Mit zehn Tonnen Sprengstoff an der richtigen Stelle könnte man den Verlauf des Rheins ändern!«

»Und wie war die Resonanz auf diese Anregungen?«

Er seufzte. »Im Krieg sind die Ressourcen immer knapp — selbst für Vorhaben mit hoher Priorität — und erst recht für solche Planspiele wie diese… ›Wolkenkuckucksheim‹ hatten sie es genannt. ›Absoluter Quatsch …‹, und die Militärfritzen hatten sich über ›Erfinder‹ wie mich echauffiert, die das Leben ›ihrer Jungs‹ ›wegwarfen‹.« Ich bemerkte, daß ihn diese Erinnerungen schmerzten. » Sie wissen, daß Leute wie Sie und ich mit Skepsis rechnen müssen… aber trotzdem!«

Aber Wallis hatte sich nicht von seinen Untersuchungen abbringen lassen, und schließlich hatte er grünes Licht für den Bau seines ›Monster-Bombers‹ erhalten. »Er heißt Victory«, erklärte er. »Mit einer Bombenlast von zehn Tonnen erreicht er eine Dienstgipfelhöhe von sechsunddreißigtausend Fuß und hat bei einer Reisegeschwindigkeit von etwa dreihundert Meilen pro Stunde einen Aktionsradius von ca. etwa viertausend Meilen. Ein großartiger Anblick, wenn er abhebt — mit seinen sechs starken Hercules-Motoren benötigt er nur eine Startstrecke von einer Dreiviertel Meile… und die Erdbeben-Bomben, die er trägt, haben schon mit ihrem Vernichtungswerk begonnen, tief im Herzen des Reichs!« Seine tiefliegenden, intelligenten Augen strahlten hinter der staubigen Brille.

Wallis hatte sich für einige Jahre in die Entwicklung des Vickers-Flugzeugs gestürzt. Doch dann hatte sich sein Leben geändert, denn er hatte diesen Zeitreiseroman in die Finger bekommen und sofort das Potential meiner zu militärischen Zwecken umgerüsteten Maschine realisiert.

Diesmal waren seine Ideen auf geneigte Ohren gestoßen — seiner Verdienste waren viele, und es bedurfte keiner großen Phantasie, um das schier unbegrenzte militärische Potential einer Zeitmaschine zu erfassen — und das Direktorat für Zeitverschiebungs-Kriegsführung wurde mit Wallis als zivilem Forschungsleiter aus der Taufe gehoben. Die erste Amtshandlung des DZvK bestand darin, mein altes Haus zu beschlagnahmen, das seit meiner Abreise in die Zeit verlassen in Richmond gestanden hatte, und die Relikte meiner Forschungen wurden ausgegraben.

»Aber was wollen Sie von mir? Sie haben doch schon eine Zeitmaschine — den Juggernaut, der mich hergebracht hat.«

Er verschränkte die Arme auf dem Rücken, wobei sein langes Gesicht ernst blickte. »Der Raglan. Natürlich — aber Sie haben dieses Ungetüm ja selbst gesehen. Was seine Zeitreise-Fähigkeit betrifft, beruht diese nur auf dem wenigen, was wir in den Ruinen Ihres Labors gefunden haben. Diese mit Plattnerit angereicherten Quarz- und Messingbrocken — die unmöglich ausbalanciert oder kalibriert werden konnten — machen den Raglan zu einem trägen Ungeheuer mit einer Zukunftsreichweite von kaum einem halben Jahrhundert. Wir konnten den Einsatz des 'Naut gerade noch dafür riskieren, um sicherzustellen, daß es nicht zu einer anachronistischen Interferenz unserer Feinde mit der Entwicklung Ihrer Originalmaschine kam. Aber jetzt — durch Zufall! — haben wir Sie bekommen.

Wir sind jetzt natürlich schon weiter: wir haben Ihre alte Maschine vom Plattnerit befreit und die Hülle im Imperial War Museum ausgestellt. Würden Sie sie gerne sehen? Sie wird ein vielbestauntes Exponat werden.«

Beim Gedanken an ein solches Ende meines treuen Gefährts empfand ich Schmerz — und Besorgnis wegen der Vernichtung meines einzigen Auswegs aus dem Jahr 1938! Ich schüttelte steif den Kopf.

»Wir brauchen Sie, um mehr von der Substanz herzustellen, die Sie Plattnerit nennen — Tonnen davon — zeigen Sie uns, wie es gemacht wird!« verlangte Wallis. Glaubte er also, daß ich das Plattnerit hergestellt hätte?… Ich behielt diesen Gedanken für mich. »Wir wollen Ihre Zeitmaschinen-Technologie verwenden«, fuhr er fort, »und sie weiterentwickeln — Nutzanwendungen erschließen, die Sie sich nicht einmal in Ihren kühnsten Träumen vorstellen können… Es ist die aufregendste technische Herausforderung, die man sich nur denken kann — und sie steht im Dienste der Kriegsanstrengungen.

Mit einem ZVF könnte man die Geschichte bombardieren und ihren Verlauf ändern — genauso wie mein Plan zur Umleitung des Rheins! Warum nicht? — wenn es möglich ist, sollte es auch getan werden.«

»Die Geschichte bombardieren?«

»Bedenken Sie — man könnte zurückgehen und im Frühstadium des Krieges eingreifen. Oder ein Attentat auf Bismarck durchführen — warum nicht? Wäre doch ein Riesending — und den Aufmarsch der Deutschen von vornherein unterbinden.

Begreifen Sie, Sir? Eine Zeitmaschine ist eine Waffe, gegen die es keine Verteidigung geben kann. Wer als erster eine einsatzfähige Zeitverschiebungstechnologie entwickelt, wird zum Herren der Welt — und dieser Herr muß Großbritannien sein!«

Seine Augen leuchteten, und sein hochfliegender Enthusiasmus für all diese Vernichtung und Macht mißfiel mir immer mehr.

Das Hochland der Zukunft

Wir erreichten den Lancaster Walk und marschierten wieder zur Südgrenze des Parks zurück. Nach wie vor wurden wir von unseren diskreten Soldaten flankiert.

»Erzählen Sie mir mehr davon, was geschehen wird, wenn Großbritannien und seine Alliierten diesen Zeitkrieg gewinnen — erzählen Sie mir von Ihrem ›Hochland der Zukunft‹.«

Er rieb sich die Nase und schaute unsicher drein. »Ich bin kein Politiker, Sir. Ich kann nicht…«

»Schon klar. Sagen Sie es in Ihren eigenen Worten.«

»Na schön.« Er sah zur Kuppel auf. »Zunächst — dieser Krieg zerstört eine Menge unserer schönen Illusionen, wissen Sie.«

»Er zerstört?« Das war aber ein ominöser Auftakt — und meine Befürchtungen wurden auch sofort bestätigt!

»Zum einen die Illusion der Demokratie. Sehen Sie, es steht nun mal fest, daß es keinen Sinn hat, die Leute zu fragen, was sie wollen. Man muß zuerst einmal darüber nachdenken, was sie wollen sollten, um die Gesellschaft zu bewahren. Dann muß man ihnen sagen, was sie wollen, und dafür sorgen, daß sie es auch bekommen.

Ich weiß, daß sich das aus der Perspektive Ihres Jahrhunderts seltsam anhört«, konzedierte er, »aber das ist modernes Denken — und ich habe vorhin im Phonographen gehört, daß Ihr berühmter Freund die gleichen Ansichten vertritt! — und er stammt doch auch aus Ihrer Zeit, richtig?

Ich verstehe nicht viel von Geschichte, aber ich habe den Eindruck, daß die modernen Staaten, die sich in Großbritannien und Amerika entwickeln — die Gesellschaftsform, die wir mit dem Rest der Welt teilen wollen — eher den Republiken der Antike vergleichbar sind — Karthago, Athen, Rom — die ja im Grunde aristokratisch waren. Wir haben zwar noch immer Parlamentsmitglieder, aber sie werden nicht mehr durch eine so heikle Sache wie das allgemeine Wahlrecht nominiert.

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