»Ist es bereits so ernst?«
Petrowski zuckte die Achseln. »Trussow war fast hysterisch vor Wut. Er meint, ich könne den Vorschlag unmöglich ernsthaft in Erwägung ziehen. ›Sollen doch die Außerirdischen die Vereinigten Staaten zerstören‹, hat er gesagt. ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Die Amerikaner sind und bleiben die Feinde des Kommunismus. Die Außerirdischen als Herdentiere werden den Kommunismus respektieren. Die Amerikaner haben nur einen einzigen ihrer fünfzig Staaten eingebüßt. Sollen die Außerirdischen sie erst ruhig noch weiter schwächen.‹ Das waren mehr oder weniger seine Worte.«
»Könnte er damit recht haben?«
»Glauben Sie das?«
Langsam schüttelte Narowtschatow den Kopf »Nein. Diese Außerirdischen, diese… Elefanten sind der wahre Feind. Sie werden uns alle versklaven.«
Die Stirn des Vorsitzenden umwölkte sich. »Das werden wir nicht zulassen«, sagte er. Der Ausdruck der Besorgnis vertiefte sich, während er mit der Faust auf den Tisch schlug. »Niemand wird uns besiegen! Rußland muß stets unabhängig bleiben. Das wußten selbst die schlimmsten Zaren! Wir dürfen keinesfalls zulassen, daß Rußland von Außenstehenden Befehle entgegennimmt!«
Narowtschatow seufzte. »Sie haben recht, wie immer, Anatoli Wladimirowitsch. Aber ich fürchte, der KGB ist überall. Wenn er sich sperrt – was können wir tun?«
»Wir werden Ihren Schwiegersohn anrufen und ihn beauftragen, mit Marschall Schawirin zusammenzuarbeiten. Gemeinsam werden sie einen Plan entwickeln.«
Zustimmend nickte Narowtschatow. »Pawel Alexandrowitsch wird loyal sein«, sagte er. »Ich kenne Schawirin schon fast so lange wie Sie«, sagte Petrowski. »Ihm kann ich trauen. In wenigen Stunden kann er bei Bondarew in Baikonur sein. Aber wir müssen ihn warnen. Wenn er zu ihm geht, muß er seine treuesten Soldaten mitnehmen, die Wachen seines Hauptquartiers und seinen ganzen persönlichen Stab.«
So weit ist es also gekommen. »Ja.« Narowtschatow erhob sich. »Ich werde mich darum kümmern.« Er trat zur Tür und wandte sich dann noch einmal um. »Wann, Anatoli, wird Rußland je eine Regierung haben, die man nicht fürchten muß?«
Die Antwort wartete er nicht ab.
* * *
Eine Achtschaft von Kriegern kam auf sie zu.
Es gab fast keine Schwerkraft. Die gefangenen Erdlinge bewegten sich in wildem Durcheinander, prallten von den Gangwänden ab und flogen hin und her. Vier Krieger vorn und vier hinten näherten sich im Gleichschritt. Die Sohlen ihrer Schuhe krallten sich wie Klettband in den feuchten Bodenbelag.
Takpassih und Tashajämp warteten an einer Stelle, wo ein Abschnitt der Wand hochgezogen worden war, so daß ihnen ein schwarzes Loch entgegengähnte.
»Wir müssen eine Aufgabe für euch finden, bis Grifflingsschiff Sechs kommt«, sagte Takpassih munter. »Ihr werdet die Belüftungskanäle säubern. Klettern ist vermutlich das einzige, was ihr besser könnt als die Fithp. Es wird euch leichtfallen, jetzt, da Thaktan Flishithy tshejtrif.«
Was er damit wohl meint? Wes erinnerte sich, daß tshejtrif Fuß bedeutete. Jetzt, da das Mutterschiff mit einem Fuß verpaart war?
Man wird ja sehen. Tashajämp teilte Arbeitsmaterial aus. Jeder bekam einen Schwamm, eine Art PlastikMülltüte, ein kleineres, mit Seifenwasser gefülltes Säckchen und eine Taschenlampe. All das war mit großen Metallschlaufen, in die die Grifflinge eines Fi’ paßten, an einer Schnur befestigt.
»Die äußeren Einlässe brauchen euch am meisten«, sagte Takpassih. »Leert den Inhalt der Sammelgefäße in die Beutel. Wischt die Seitenwände ab. Heute geht in diese Richtung, mit der Drehbewegung.« Sein Rüssel beschrieb einen Kreis im Uhrzeigersinn. »Geht, so weit ihr könnt, beweist eure Ausdauer, dann kommt an einem beliebigen Gitter wieder heraus. Ruft den ersten Krieger an, den ihr seht. Jeder von ihnen kann euch zu eurem Pferch zurückbringen.«
Wollten die Fithp tatsächlich Gefangenen gestatten, das Belüftungssystem des Raumschiffs zu erkunden? Arwid und Dmitri sahen ebenso nachdenklich drein wie Wes, aber sie gehorchten und schlangen sich die Schnur locker um den Leib.
Am besten ging man davon aus, daß sie bewacht würden. Trotzdem würde Wes die Gelegenheit liebend gern nutzen, sich ein wenig umzusehen. Die Sowjets täten das bestimmt auch… Nikolai wurde aufgefordert, in die Öffnung zu steigen. Arwid und Dmitri folgten.
Vermutlich setzen die Fithp voraus, daß wir zusammenbleiben, aber wir müssen es wohl nicht. Wes trat auf die Öffnung zu.
Ein Stück lebender Schlauch legte sich um seinen Fußknöchel. »Einen Augenblick«, sagte Takpassih. »Dawson, du wirst von den anderen getrennt. Von diesem Augenblick an unterweist dich Rästapispmins. Wenn du einen Krieger siehst, sag zu ihm Rästapispmins.«
Wes zuckte die Achseln. In letzter Zeit waren die Sowjets keine besonders angenehme Gesellschaft gewesen. »Weil ich dich angegriffen habe?«
»Es ist ein Beschluß. Also los!«
Er zwängte sich durch die Lüftungskanäle und putzte. Die Arbeit war nicht schwierig. Tu, was sie wollen! Dmitri möchte, daß wir uns willig zeigen. Vielleicht hat er recht, jedenfalls einstweilen.
Er arbeitete, bis er zu müde war, um weiterzumachen: Fünf oder sechs Stunden mochten vergangen sein.
Die Gitter waren von den Gängen aus mit Flügelmuttern befestigt. Man mußte durch die Gitter greifen, um sie zu drehen. Das war nicht schwer, da die Flügel fast zwanzig Zentimeter breit waren, passend für die Grifflinge der Fithp. Wes stellte fest, daß die Schrauben Linksgewinde hatten. Er rief zwei vorbeikommenden Kriegern zu: »Bringt mich zu Rästapispmins.«
Einer blieb stehen. »Wes Dawson? Du kommst in einen Absonderungs Pferch.«
Wes brachte das Lüftungsgitter wieder an, dann ging er zwischen den Kriegern davon.
* * *
Lorena trug die Teekanne herein. »Noch eine Tasse, Genosse Marschall?« fragte sie.
»Danke, nein«, sagte Schawirin. Er sah erst zur Uhr an der Wand, dann auf Lorena.
Pawel Bondarew bedeutete ihr mit einer kaum wahrnehmbaren Geste, daß sie gehen konnte. Sie verließ den Raum. Bondarew fand, daß sie die Tür etwas zu laut hinter sich schloß, aber Marschall Schawirin schien das nicht aufzufallen.
»Unglaublich«, sagte Schawirin. Ein rasch zusammengestellter Bericht in einem leuchtendroten Umschlag lag neben Bondarews antikem Messingteleskop auf dem Schreibtisch. Schawirin nahm ihn zur Hand und blätterte ihn durch. »Unglaublich«, wiederholte er.
»Dem stimme ich zu«, sagte Bondarew. »Aber wir werden es glauben müssen.«
Das Telefon läutete. Bondarew schaltete mit einem Knopfdruck den Telefonverstärker ein. »Bondarew.«
»Petrowski.«
»Guten Tag, Genosse Vorsitzender!« sagte Bondarew. »Wir haben den von Ihnen angeforderten Bericht vorbereitet. Marschall Schawirin ist gerade bei mir…«
»Gut. Geht es Ihnen gut, Leonid Edmundowitsch?«
»Danke, Genosse Vorsitzender.«
»Nun, General Bondarew, Sie haben mit der amerikanischen Generalität gesprochen?«
»Ja. Was sie verlangt, ist kaum durchführbar, Genosse Vorsitzender.«
»Hat es Aussicht auf Erfolg?«
Bondarew warf Schawirin einen hilflosen Blick zu. Nach kurzem Schweigen sagte der Marschall: »Wer kann das wissen, Genosse Vorsitzender? Möglicherweise ist es der einzige durchführbare Plan. Es kommt jedoch sehr auf die genaue Abstimmung der Zeitabläufe an.«
»Und was empfehlen Sie? Können wir das tun?«
Schawirin schwieg.
»Nun?« drängte der Vorsitzende.
»Es ist sehr problematisch«, sagte Schawirin schließlich. »Das Gelingen des Plans hängt zum Teil von den PershingRaketen der Amerikaner ab. Sie sollen sie von Deutschland aus auf das Raumschiff abfeuern. Ein großer Teil von ihnen wird in Richtung auf die Sowjetunion fliegen. Es gibt keine Möglichkeit, im voraus das wahre Ziel zu kennen – es könnte Moskau heißen, Kiew oder unsere verbliebenen RaketenAbschußrampen. Noch schlimmer ist, daß die Außerirdischen bislang nach jedem Raketenabschuß mit Laserwaffen Vergeltungsschläge gegen die Abschußrampen geführt haben. Sie werden unsere verbleibenden Stützpunkte angreifen. Nach dieser Schlacht hätten wir nur noch wenige strategische Raketen. Sollten die Amerikaner ihre nicht einsetzen, stünden wir waffenlos und nahezu wehrlos da, während sie weiterhin über ihre strategische Einsatzwaffe verfügten. Nehmen wir einmal an, sie schießen ihre Pershings nicht ab, sondern halten sie in der Hinterhand. Dann könnten sie uns wahrscheinlich innerhalb von Minuten vernichten, wann immer sie das nur wünschen.«
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