»Besuch für Sie«, hatte Dolly Jordan gesagt. Sie stellte ein weiteres Tablett und eine Kaffeetasse auf den Tisch.
Verärgert über die Störung sah Nat auf. Jemand, den er beim Kongreß kennengelernt hatte? Doch der Mann, den Dolly an seinen Tisch führte, sah nicht nach einem Science FictionFan aus.
»Ich habe sie schon überall gesucht«, sprudelte der Mann los. »Aha, Sie erinnern sich wohl nicht an mich? Ich bin Roger Brooks von der Washington Post.«
Nat schüttelte den Kopf. »Ich habe ein abscheuliches Gedächtnis.«
»Macht nichts. Darf ich mich setzen?«
»Dolly hat bereits für Sie gedeckt.«
Brooks nahm Platz. Dolly kam mit der Kaffeekanne. Sie war rundlich und fröhlich, und klug genug, am frühen Morgen nicht unausgesetzt auf ihre Gäste einzureden. Nachdem sie Brooks’ Tasse gefüllt hatte, kehrte sie in die Küche zurück.
»Warum haben Sie mich denn gesucht?« fragte Reynolds.
»Weil Sie vermutlich wissen, wo sich die Regierung aufhält.«
Reynolds schüttelte den Kopf.
»Unmittelbar vor der Ankunft der Außerirdischen sind alle SFAutoren spurlos verschwunden«, erklärte Brooks. »Zumindest die naturwissenschaftlich orientierten.«
»Soso.«
»Sicher wissen Sie Bescheid.« Brooks beugte sich begierig vor.
»Eigentlich nicht«, sagte Nat. »Vor ungefähr einem Monat hat mich Wade Curtis angerufen. Er wollte wissen, wo ich mich zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Ankunft der Außerirdischen aufhalten würde. Als ich ihm sagte, daß ich beim SFKongreß sprechen würde, hat er das Thema gewechselt.«
»Und das ist alles?«
»Ja.«
»Der Präsident hat Washington zwei Stunden nach der Zerstörung Kosmograds durch die Außerirdischen verlassen«, sagte Brooks. »Gestern morgen war auch das gesamte Kabinett mit den meisten wichtigen Leuten des Pentagon weg.« Brooks zuckte die Achseln. »Aus Washington gibt’s nichts mehr zu berichten, niemand weiß da, was läuft.«
»Und da kommen Sie ausgerechnet zu mir?«
»Ja. Die Autoren sind vor ein paar Wochen verschwunden, und unmittelbar bevor die Außerirdischen aufgetaucht sind, hat der Präsident einen wichtigen weiblichen Nachrichtenoffizier nach Colorado geschickt, um sie zu ›impfen‹. Ich vermute, daß sich die Regierung im CheyenneBerg aufhält. Und Kansas City liegt auf dem Weg.« Roger nippte an seinem Kaffee. »Als man mir im Hotel gesagt hat, daß Sie mit bei den anderen SFLeuten waren, hab ich mir überlegt, daß ich Sie vielleicht hier finden könnte, und so bin ich hergekommen.«
»Es tut mir leid, daß Sie sich umsonst soviel Mühe gemacht haben.«
»Vielleicht nicht umsonst«, sagte Brooks. »Sehen Sie mal, die Autoren sind im CheyenneBerg, da bin ich sicher. Und Sie hat man aufgefordert hinzukommen, da bin ich genauso sicher. Also: Sie haben die Einladung, ich habe einen Presseausweis und einen DieselPkw mit einem vollen Tank. Wollen wir uns nicht zum beiderseitigen Vorteil zusammentun?«
Kein Schlachtplan übersteht das Zusammentreffen mit dem Feind.
ALTE MILITÄRISCHE REGEL
Zeit: 180 Stunden nach der Stunde Null
Offenbar war den Erbauern der Bote der GemeinschaftsSchlammraum nebensächlich erschienen, denn sie hatten ihn gleich neben der Rumpfwand angebracht. Doch das hatte auch Vorteile.
Die unter der Einwirkung der Fliehkraft entstehende einen Srapk tiefe Schlammschicht konnte das Raumschiff vor einem unerwarteten Angriff schützen. Aus einem Riß dringender Schlamm würde an Ort und Stelle gefrieren und so einen Stopfen bilden, der die Luft im Innern hielt.
Der Schlammraum stand unter voller Rotationsschwerkraft. Ein Jahr, bevor das Raumschiff den von Ringen umgebenen Riesenstern erreichte, hatten die Außerirdischen die Masse Winterheims und die an seiner Oberfläche herrschende Schwerkraft durch teleskopische Untersuchungen ermittelt. Sechzehn Jahre lang, in vielen Fällen von Geburt an, hatten Fithp im GemeinschaftsSchlammraum üben können, sich bei WinterheimSchwerkraft zu bewegen. Zumindest diesen Vorteil hatten die zum Planeten abkommandierten Krieger.
Es war der größte Raum an Bord der Bote; er nahm ein Achtel der Rumpffläche aus dem Lebensbereich in Anspruch. Von der Mitte aus krümmte er sich in beide Richtungen, so daß man nicht bis an sein Ende sehen konnte. Der Schlamm bestand aus guter, klebriger HeimatweltErde, über die nahezu kristallklares Wasser lief. Fathistihtalk erinnerte sich daran, daß die Decke bedrückend nah und nackt gewesen war. Nah war sie noch immer, aber sie bedrückte ihn nicht mehr. Generationen von Raumgeborenen hatten sie mit bunten Friesen bemalt.
Über seinem Kopf sah er die Abbildung eines Thaktan in Originalgröße: ein mit Inschriften bedecktes, verwittertes Granitrechteck, in dessen Mitte die Abbildung eines mit Inschriften und der Darstellung eines Thaktan bedeckten Thaktans saß, der wiederum… Fathistihtalk überlegte, ob der Priester Fistartihthaktan diesen Teil der Decke je gesehen hatte. Ein solcher Thaktan wäre gewiß legendär. Die Thaktanthp kündeten von allem, was sich ein Fi’ denken konnte, aber keiner von ihnen äußerte sich über die Thaktanthp selbst, und auch nicht über ihre Verfertiger.
Fathistihtalk war der einzige Schläfer unter einer Vielzahl von Raumgeborenen.
»Es ist nicht so, daß wir den Planeten nicht trauen«, sagte der schlaksige Krieger. »Einem Planeten trauen wir, der Heimatwelt, wo ihr geboren seid. Sicherlich gehorchen andere Welten anderen Vorschriften.«
»Paarungszeiten«, sagte Fathistihtalk, der nur mit halbem Ohr zuhörte.
Er sprühte Wasser auf ein raumgeborenes Weibchen, das kaum geschlechtsreif war und ihn mied. Die Schranken zwischen Raumgeborenen und Schläfern galt es einzureißen – und wenn er es Fi’ um Fi’ tun mußte. Er hatte eine kräftige Lunge. Das Weibchen räkelte sich im Wasserstrahl und besprühte dann seinerseits Fathistihtalk, wie es die Anstandsregeln erforderten, wenn auch ein wenig zögernd. Der Strahl erreichte ihn kaum. Der schlaksige Krieger – Rashinggith oder so ähnlich – sprach immer noch. »Genau! Die Zielwelt hat eine Umlaufzeit von etwa sieben Achteln eines HeimatweltJahres. Nach drei Generationen im Raum haben wir nach wie vor eine Paarungszeit pro Jahr, und die Schläfer, weil sie zur falschen Zeit aufgeweckt wurden.«
»Ich weiß. Während eurer Paarungszeit spüren wir ein Unbehagen, ein Jucken, das wir nicht fortscheuern können.«
»Uns geht es ebenso. Sollen die beiden Paarungszeiten auf dem Zielplaneten zusammengelegt werden?« Die Abtrünnigen unter den Raumgeborenen mißachteten die vom Herrn der Herde festgelegte Sprachregelung und sagten Zielwelt statt Winterheim. »Nehmen wir an, einige von uns passen sich an und andere nicht? Nach einigen Generationen auf der Zielwelt könnten wir alle die ganze Zeit gemäßigt brünstig sein. Abscheulich!«
»Zwei Paarungszeiten im Jahr wären vielleicht gar nicht schlecht. Wenn es dahin kommt, und es kommt dahin, geschieht das auf jeden Fall, ob wir nun landen oder nicht.«
»Und das ist erst eins von vielen möglichen Problemen. Bestimmt gibt es Parasiten, von denen wir nichts ahnen.«
Eine Stimme hallte durch den Raum. »Talk!«
»Ich muß gehen«, sagte Fathistihtalk und strebte seiner Gefährtin zu, wobei er ein fröhliches »Talk« zurücktrompetete.
Während er sich jetzt unter Schläfern bewegte und mit Fontänen schlammigen Wassers Freunde begrüßte, kam er unter einem älteren Flachrelief vorbei. Es zeigte, wie sich an den blühenden Pflanzen im Vordergrund und dem Treiben der hinter den Bäumen nicht deutlich sichtbaren Fithp erkennen ließ, eine Szene aus der Paarungszeit. Er hatte selbst daran mitgearbeitet. Es freute ihn zu sehen, daß es renoviert und neu bemalt war.
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