»Alles, was wir tun können. Warum mache ich mir denn nur Sorgen?«
Bondarew lächelte ohne ein Zeichen von Spott. »Es gibt keine vergleichbare Situation. Weder die Geschichte noch die Theorie können uns hier weiterhelfen.«
»Ja, so ist es wohl.« Eine Pause trat ein. Nach kurzem Nachdenken sagte Narowtschatow: »Ab morgen geht diese Leitung direkt zum Vorsitzenden. Du wirst uns über sie auf dem laufenden halten.«
»Gewiß.« Sinnlos zu fragen, wo ihr beide euch aufhalten werdet. »Vielleicht könnten dich Marina und die Kinder besuchen?«
»Das ist bereits in die Wege geleitet.«
»Dann bleibt nichts weiter zu sagen.« Bondarew legte auf und sah nachdenklich aus dem Fenster.
»Du hast Angst«, sagte Lorena.
»Ja.«
Der Weltraum wird auf jeden Fall kolonisiert – wenn auch möglicherweise nicht von uns. Sofern wir den Mut dazu nicht aufbringen, gibt es genug andere Menschen auf diesem Planeten. Vielleicht sprechen die Baumannschaften Chinesisch, Russisch, Suaheli oder Portugiesisch. Für die Errichtung einer Raumstadt braucht man kein ›Gutes altes amerikanisches Fachwissen‹. Die Gesetze der Physik gelten für die anderen ebenso wie für uns.
ROBERT A. HEINLEIN
Zeit: Zwei Tage bis zur Stunde Null
Die Sitzung war auf neun Uhr vormittags angesetzt, aber noch eine Viertelstunde später trödelten einzelne in den Seminarraum. Einige hatten einen Kater. Zu spät ins Bett gekommen waren alle.
Nun ja, dachte Jenny, sie werden sich eben an den militärischen Tagesablauf gewöhnen müssen. Und wenn sie es nun nicht taten und erreichten, daß sich die Bewohner des Cheyenne Bergs dem Tagesablauf von Science FictionAutoren anpaßten? Bei dieser Vorstellung hätte sie beinahe haltlos losgekichert.
Kaum saßen sie auf ihren Plätzen, sprangen sie wieder auf und standen in Trauben beieinander. Die meisten redeten gleichzeitig. Mit den SFLeuten zu arbeiten war ein Erlebnis besonderer Art. Sie hatten vor nichts und niemandem Achtung, außer möglicherweise vor Mr. Anson.
Sie hatten die letzten Tage damit verbracht, die amerikanischen und sowjetischen Waffensysteme kennenzulernen. Jetzt war es Zeit festzustellen, was über die Außerirdischen bekannt war.
Dabei gibt es gar nichts zu wissen. Unsere besten Aufnahmen zeigen keine Einzelheiten des Raumschiffs. Wir wissen lediglich, daß es gigantisch ist.
Der Mann mit dem Walroßschnurrbart begann zu sprechen, bevor Jenny den Mund auftun konnte. »Major Crichton, ich vermute, daß die Regierung bei der Kontaktaufnahme mit den Außerirdischen ebensowenig Erfolg hatte wie alle Funkamateure, die das probiert haben?«
»Stimmt. Wir haben es auf jedem vorstellbaren Weg versucht.«
»Und auf einigen, auf die niemand verfallen wäre«, fügte Sherry Atkinson hinzu. Alle lachten, weil sie daran denken mußten, daß der Bürgermeister von San Diego alle Einwohner der Stadt dazu veranlaßt hatte, die Wohnungsbeleuchtung ein- und auszuschalten, während die Stadt genau im Sichtbereich des Raumschiffs lag.
»Ohne Ergebnis«, sagte Jenny. »Unsere exakteste Voraussage ist, daß das Raumschiff übermorgen ankommen wird. Irgendwann übermorgen. Genaueres läßt sich nicht sagen, weil es inzwischen unregelmäßig und unvorhersagbar beschleunigt und verzögert.«
»Als ob es nicht wollte, daß wir hinter seine GAZ kommen«, sagte Curtis.
»GAZ?« fragte Atkinson.
»Geschätzte Ankunftszeit«, sagte Jenny. »Ja, das haben wir auch schon überlegt.«
»Es kann aber auch bedeuten, daß seine Triebwerke nicht ordnungsgemäß funktionieren.« Atkinson sah nachdenklich drein.
»Oder daß den Außerirdischen die Begriffe Zeit und Regelmäßigkeit nicht viel bedeuten.«
»Quatsch«, sagte Curtis. »Als Raumreisende müssen sie Uhren haben.«
»Das heißt noch lange nicht, daß sie sie benutzen«, sagte jemand.
Jenny versuchte, sich durch den Lärm hindurch verständlich zu machen. »Lieutenant Sherrad wird zusammenfassen, was wir wissen.« Das allgemeine Gemurmel hörte auf.
Sherrad war ein Berufsoffizier der Marine, der darauf wartete, daß sein Fuß heilte, damit er wieder Borddienst tun konnte. Jenny wußte nicht genau, warum er nach Colorado Springs beordert worden war, aber sie wußte, daß der Admiral etwas von ihm hielt. Sein Vater war ein Schulkamerad Carrells gewesen. Vitamin B schien in der Marine noch verbreiteter zu sein als im Heer.
Er zeigte neue Vergrößerungen von Aufnahmen der Teleskope auf Mauna Kea aus den späten siebziger Jahren. Auf einigen sah man einen blitzenden Stern, der dann wohl das Raumschiff sein mußte, obwohl es damals niemandem aufgefallen war.
Nachdem er alle Bilder zweimal in der zeitlichen Reihenfolge gezeigt hatte, machte er Licht und wartete, als wolle er sein Publikum auf die Probe stellen.
» Schweinebande.«
»Was ist, Joe?«
»Die haben was abgeworfen.«
Sherrad nickte. »So sieht es aus.«
Vier Stunden hat es gedauert, bis ich das begriffen hatte, dachte Jenny. Vielleicht war es tatsächlich sinnvoll, diese Paradiesvögel hier zu versammeln.
»Wir vermuten, daß das Raumschiff aus der allgemeinen Richtung Centaurus gekommen ist, ein großes Objekt abgeworfen, die Sonne umflogen und sich dann dem Saturn zugewandt hat«, sagte Lieutenant Sherrad. »Und auf der ganzen Strecke hat es gebremst.«
»Dann wußten sie ja wohl, wohin sie wollten.«
»Nun, Dr. Curtis, so sieht es aus.«
Stimmen erhoben sich. »Na schön, dann haben sie am Saturn neuen Brennstoff aufgenommen.«
»Und warum nicht am Jupiter?«
»Die Verzögerung für Jupiter kostet sie weniger Deltav. Aber falls das eine Rolle gespielt hat, müssen die sich mit dem letzten Tropfen Treibstoff dahin gerettet haben.«
»Können wir es noch mal sehen?« bat Anson.
Sherrad wartete, bis Ruhe eingetreten war. »Gewiß. Wir haben auch die Computersimulation.«
Der Raum wurde erneut verdunkelt.
Schwarze Punkte lagen auf einem weißen Feld verstreut: ein Negativ des Nachthimmels. Astronomen arbeiteten im allgemeinen lieber mit Negativen; auf ihnen ließen sich die Sterne besser erkennen. Nach jeweils einigen Sekunden sprang das Bild. Die Sterne blieben, wo sie waren – die Aufnahmen lagen übereinander –, aber ein schwarzer Punkt sprang mit und wurde größer.
»Die stammen aus dem Observatorium auf Mauna Kea. Beachten Sie den hin und her springenden Punkt. Wir haben einige Diagramme angefertigt…«
Auf dem ersten sah man eine Kurve über dem Sternenhintergrund, die nicht sehr viel hergab.
»… so sähe es von oberhalb des Sonnennordpols aus.«
Drei schwachgekrümmte Linien strahlten von einem Mittelpunkt, der Sonne, aus. In seiner Nähe verliefen gestrichelte Linien – da hatte natürlich noch keine Kamera etwas erkennen können –, die fast den Rand der Sonne berührten. Mit seinem Lichtzeiger fuhr der Marinemann die Ankunftslinie entlang. »Es ist mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern pro Sekunde angekommen«, sagte er, »und hat auf dem ganzen Weg gebremst. Natürlich wurde es nicht in Sonnennähe gesichtet, und damals hat auch niemand danach gesucht. Von dem hier…« – der Lichtzeiger beschrieb eine Linie nach außen – »haben wir nur drei Bilder, und natürlich könnten die auch gefälscht sein, Makulatur. Wenn sie echt sind, hat das hier die Sonne nicht unter Antrieb verlassen, sondern im freien Fall.« Die dritte Linie verlief nahezu parallel zur zweiten und krümmte sich dann von ihr fort. »Dieser Abschnitt wurde unter Antrieb zurückgelegt, und zwar wurde mit 2 G gebremst, mit Schwankungen. Wir haben fünf Fotos, danach ist es weg, aber es kann ohne weiters auf dem Weg zum Saturn gewesen sein.«
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