Der Berg wurde mit jedem Tag steiler. Wie sollte er nur sein Gewicht da hinaufbekommen!
Es ist wirklich gut für mich. O Gott, ich muß das Motorrad reparieren lassen. Ich hat für eine Anzahlung genug zusammen. Sie können den Motor überholen, und vielleicht krieg ich mit Singen so viel zusammen, daß ich die Maschine abholen kann. Was brauch ich Getränke, ich sing einfach da, wo es gutes Trinkgeld gibt. Ich kann unmöglich weiter diesen Berg raufklettern!
Und dann die Lebensmittel. Ich eß ja kaum noch was Anständiges.
Die erste Woche war es nicht schlimm gewesen. Da der Kühlschrank gut bestückt war, hatte er erst Gemüse und Omeletts, dann Tiefkühlkost und schließlich Konserven gegessen. Aber jetzt aß er Schlankheitskost, die Carlotta vor langer Zeit zuwider geworden war.
Nein danke! Zwar schmeckt es nicht ganz so abscheulich, wie ich gedacht hätte, und ich könnte hier glatt abnehmen. Aber wenn ich so ‘ne Dose aufmach, riecht es wie Katzenfutter, und das Zeug sieht auch so aus. Carlotta weiß bestimmt, warum sie die Kur vor zwei Jahren abgebrochen hat! Nicht mal ‘n Ei zum Drüberhauen ist im Haus.
Er ließ die Gitarre aus der linken in die rechte Hand wandern. Das einzig Eßbare im ganzen Haus waren Frühstücksflokken. Ich muß unbedingt den Motor überholen lassen.
Morgen, dachte Harry. Wieder wechselte er die Gitarre von einer Hand in die andere. Ausbauen kann ich ihn selber, aber dann muß ich mir Arlines Kleinlaster leihen, um ihn wegzubringen.
Zog man in Dawsons Küche eine Schublade ganz heraus, wurde dahinter eine kleinere Schublade sichtbar, die tausend Dollar in FünfzigerScheinen enthielt. Ein guter Einbrecher würde sie finden und damit verschwinden, dachte Harry, und das war wahrscheinlich auch der Zweck der Übung. Bestechungsgeld, damit die Einbrecher nicht im Hause alles verwüsteten. Gott sei Dank – brauchte er es nicht. Er hatte für die Anzahlung genug zusammen.
* * *
Jenny erhob sich rasch, als Admiral Carrell in ihr winziges Büro im Keller des Weißen Hauses trat.
»Behalten Sie Platz!« befahl er. »Ich bin alt genug, um mich unbehaglich zu fühlen, wenn Damen vor mir aufstehen. Haben Sie Kaffee?«
»Ja, Sir.« Sie holte Tassen aus der Schreibtischschublade und goß sie aus einer Thermoskanne voll.
»Recht anständig. Natürlich nicht so gut wie Marinekaffee. Mit dem kann man Wandfarbe abbeizen. Haben wir aus dieser Affenhorde was rausbekommen?«
»Ja, Sir«, sagte Jenny.
»Das klingt erstaunt.«
»Admiral, das war ich auch. Ich hatte die ganze Sache für Zeitverschwendung gehalten, aber als die SFBurschen richtig loslegten, waren sie gar nicht schlecht.« Sie öffnete einen Ordner auf dem Schreibtisch. »Beispielsweise das hier. Als das Raumschiff vor fast fünfzehn Jahren in unser Sonnensystem eingedrungen ist, waren einige Teleskope, unter anderem auch auf Mauna Kea, dorthin gerichtet. Damals hat niemand etwas bemerkt, aber wenn wir wirklich danach gesucht hätten…« Sie zeigte ihm die Aufnahmen.
»Sieht für mich aus wie Kleckse.«
»Ja, Sir. So haben wir das alle gesehen. Aber die SFLeute vertreten die Ansicht, daß das außerirdische Raumschiff eine Art BussardStaustrahl Triebwerk abgeworfen hat.«
»Ein was?«
»Ein BussardStaustrahl Triebwerk, Admiral.« Sie sah auf ihre Notizen und las ab. »Luftleerer Raum ist nicht leer. Zwischen den Sternen gibt es Wasserstoff. Das StaustrahlTriebwerk kann ihn als Treibstoff nutzen. In der Theorie lassen sich damit große Raumschiffe zwischen den Sternen antreiben. Es arbeitet mit starken Magnetfeldern und…«
»Die technischen Einzelheiten ersparen Sie mir bitte.«
»Ja, Sir. Entscheidend ist, daß sie etwas Großes abgeworfen haben, etwas, das sie vielleicht noch einmal brauchen könnten, wenn sie unser Sonnensystem verlassen wollen.«
»Und das bedeutet, daß sie bleiben wollen«, sagte Admiral Carrell unbewegt.
»Ja, Sir!«
»Die hätten uns auch vorher fragen können. Das klingt ja fast, als ob sie uns keine Wahl lassen wollten.« Er erhob sich. »Nun, wir werden es ja bald wissen.«
»Ja, Sir.«
»Meinen Glückwunsch für Ihre Arbeit mit der Beratergruppe. Vielleicht kann ich von dort noch mehr Spekulationen bekommen.«
»Wollen Sie mit den Leuten arbeiten, Sir?«
»Warum eigentlich nicht? Der Präsident hat beschlossen, daß irgendein Verantwortlicher im CheyenneBerg sein muß, wenn die Außerirdischen ankommen. Und das soll allem Anschein nach ich sein.«
»Eine gute Wahl«, sagte Jenny.
Carrell lächelte mit schmalen Lippen. »Ich denke auch.«
»Nichts, das nicht in den Unterlagen steht. Ich habe die Sache mit dem strategischen Luftkommando und dem Oberbefehlshaber der Marineeinsätze besprochen. Ab morgen nachmittag gilt Gelber Alarm.«
Gelber Alarm. Feuermannschaften in den Raketensilos, alle raketentragenden UBoote auf See. Bomber einsatzbereit aufgetankt, Bomben an Bord, Besatzungen in Unterkünften neben der Startbahn. »Ich hoffe sehr, daß es sich dabei um eine überflüssige Maßnahme handelt.«
Admiral Carrell nickte zustimmend. »Ich auch, Major. Ob nun nötig oder nicht, ich breche heute nachmittag auf. Vorher müssen wir die Sache noch mit dem Präsidenten besprechen. Ich lasse Ihnen eine Stunde Zeit, damit Sie alles, was wir wissen, in zehn Minuten zusammenfassen können.«
* * *
Jeri Wilson warf den Rest ihres Gepäcks in den Kombi und schlug die Heckklappe zu. Dann lehnte sie sich atemlos dagegen. Es war warm, die Sonne schien, aber der Morgendunst verbarg noch die Berge um das San FernandoTal. Sie sah auf ihre Uhr. »Elf, und ich bin reisefertig«, erklärte sie.
Isadore Leiber warf einen mißtrauischen Blick auf den tief in den Federn hängenden alten Buick. »Das schaffst du nie«, sagte er. Clara stimmte ihm kopfnickend zu.
»Auf der ganzen Strecke sind die Straßen gut ausgebaut«, erwiderte Jeri. »Ich hab genug Zeit und brauche nicht zu rasen. Ihr müßt aufpassen, ihr habt den längeren Weg.«
»Stimmt«, sagte Isadore. »Jeri, überleg’s dir! Komm mit uns!«
»Nein. Ich fahr zu meinem Mann.«
Clara sagte, ihr Gesicht in bedenkliche Falten gelegt: »Jeri, er ist ja gar nicht…«
»Doch. Die Scheidung ist noch nicht rechtskräftig. Außerdem ist das mein Problem. Vielen Dank, daß ihr euch meinen Kopf zerbrecht, aber ich kann mich um mich selbst kümmern.«
»Das bezweifle ich«, sagte Isadore unverblümt.
Melissa kam mit ihrem großen Teddy heraus. Gott sei Dank hatte sie, von dem Goldfisch abgesehen, keine Tiere, und ihn hatte Jeri, während ihre Tochter schlief, in die Toilette gespült.
Isadore wies auf eine Eintragung in seinem Notizbuch. »Ist das die richtige Adresse und Telefonnummer?«
Sie nickte.
»Caddoa, Colorado«, sage er. »Noch nie gehört.«
Jeri hob die Schultern. »Ich auch nicht. David hält es zwar für verrückt, aber irgend jemand glaubt, daß man da Öl finden kann.«
»‘n richtiges Drecknest, was?«
»Ich glaub schon. Harry hat mir die Straßen aufgezeichnet.«
»Ach der«, sagte Clara verächtlich.
»Harry ist in Ordnung«, sage Jeri. »Ich hab mich außerdem beim Automobilclub erkundigt, und die haben mir bestätigt, daß die Strecke durchgehend gut ausgebaut ist. Isadore, Clara, es ist wirklich lieb von euch, daß ihr euch um mich Sorgen macht, aber ihr habt jetzt genug getan. Geht lieber, sonst werden George und Vicki noch wütend auf euch.«
»Ja«, sagte Isadore. »Das wäre mir wirklich nicht recht…«
»Na eben«, sagte Jeri. »Grüßt die Wagenburg. Melissa, steig ein, wir fahren los! Clara, wenn man dich sieht, sollte man glauben, daß du nicht damit rechnest, mich je wiederzusehen!«
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