»Immer vorausgesetzt, die Sowjets lassen uns soviel Zeit«, sagte George.
Jack runzelte die Stirn. »Immer angenommen, daß es sich tatsächlich um ein Raumschiff von Außerirdischen handelt und nicht um was, das uns die Russen vor die Nase gesetzt haben.«
Alle zuckten die Achseln. »Darüber wissen wir nichts«, sagte Isadore. »Aber vermutlich wüßte der Präsident was.«
»Und du meinst, das würde er uns sagen?« sagte Jack. »Is, bist du sicher, daß du warten willst?«
»Ich muß warten.« Er hat recht, dachte Isadore. Wer, zum Kuckuck, weiß, was da gespielt wird. Außerirdische, Russen – ein Atomkrieg kann einem den ganzen Tag verderben. »Ich denke, daß Clara früh hinfahren will«, sagte er, »aber ich muß sie noch fragen.«
Die anderen nickten verständnisvoll.
Bei der Gründung der Wagenburg war festgelegt worden, daß jeder Erwachsene eine Stimme hatte, aber alle Stimmen einer Familie von einem einzelnen abzugeben waren. Der dahinterstehende Gedanke war einfach: wenn sich eine Familie nicht einmal darauf einigen konnte, wer sie vertreten sollte – worauf dann?
Zuerst hatte es Schwierigkeiten gegeben, weil Isadore fand, Clara könne an seiner Stelle die Stimme abgeben, aber sie kam mit Jack nicht gut aus, vielleicht war es auch umgekehrt. Jedenfalls hatte es zuviel Streit gegeben. Nach den ersten Jahren hatten sich die Dinge eingespielt, und nur die Männer stimmten ab, doch häufig besprach sich Isadore mit Clara, bevor er sich entschied.
»Wer geht noch?« wollte Jack wissen.
Die unvermeidliche Frage wirkte auf die Anwesenden unterschiedlich. Jack war ohnehin bereits gereizt, George sah betroffen drein und zeigte dann ein schlechtes Gewissen. »Nun… wir natürlich«, sagte er. »Unsere Frauen und Kinder.«
»Selbstverständlich. Wer noch? Wen brauchen wir, wen wollen wir dabeihaben? John Fox?«
Isadore lachte. »Natürlich wollen wir Fox. Er versteht mehr von der Sache als wir alle. Deswegen kommt er ja auch nicht. Ich hab mit ihm gesprochen. Er wird irgendwo im Tal des Todes kampieren, und für ihn ist das genau das Richtige. Mich aber hat er nicht eingeladen.«
»Und was, wenn sich Martie zeigt?«
»Ach je.«
Immerhin hatte Martin Carnell der Gruppe so lange angehört, daß er sich am Kauf des Grundstücks und des Hauses in Bellingham beteiligt hatte. Dann war er ausgeschieden, vielleicht hatte er finanzielle Schwierigkeiten bekommen und war später weiter nordwärts gezogen, ins Antilopental.
»Du verstehst mich falsch, George. Ich will nur darauf hinweisen, daß er einige gesetzlich abgesicherte Rechte hat. Was, wenn er plötzlich vor der Tür steht – bevor oder nachdem die Außerirdischen da sind?«
»Wir haben aus dem Anwesen eine Festung gemacht, seit er weg ist. Das hat gekostet.« Isadore grinste die anderen breit an. »Was ihm gehört, entspricht etwa der Hälfte dessen, was er eigentlich hätte reinstecken müssen. Die Sache ist schwierig.«
»Ja. Nun, ich treff ihn manchmal, und er ist immer noch allein. Er würde also keinen mitbringen.«
»Nur die verdammten Dobermänner«, sagte George darauf.
»Ist doch gar nicht schlecht. Wachhunde können wir gut brauchen. Er kann ja seinen eigenen Zwinger bauen.«
»Das sind Ausstellungshunde, keine Wachhunde. Sie sind zutraulich, verspielt und tun keinem was. Wären sie scharf, würde er keine Preise für sie kriegen.«
»Würden Plünderer wissen, daß es keine Wachhunde sind?«
Schweigen trat ein. Jack sagte: »Wollen wir ihn reinlassen, wenn er auf einmal dasteht? Immer vorausgesetzt, er hat Vorräte und Ausrüstung mit. Andererseits sehe ich keinen Grund, ihn extra anzurufen und einzuladen.«
Zustimmendes Nicken. Alle waren erleichtert. George sagte: »Der Rote Harry möchte mitkommen, du kennst ihn ja, Harry Reddington.«
Zwei Köpfe wurden langsam geschüttelt. Jack McCauley fragte: »Hast du ihn in letzter Zeit gesehen?«
Zögernd nickte George. »Immerhin waren wir alle mal gute Freunde.«
»Nun?«
»Ja, vor kurzem.«
»Dann weißt du ja, wie er aussieht: er ist so fett und so fit wie ein Mops. Er kann ohne Stock nicht gehen und sieht aus, als ob er demnächst Zwillinge bekäme. Ihm ist in zwei Wochen zweimal jemand da hinten draufgekracht, das eine Mal hat er in seinem Wagen gesessen, das andere Mal in dem von seinem Chef. Beide hatten keine Kopfstützen, und die Anwälte haben ihm geraten, er soll sich eine möglichst dicke Wampe anfressen, ihr versteht: psychische Dauerschäden, Arbeitsunfähigkeit, damit die Versicherung ordentlich blechen muß.«
»Den können wir also streichen. Ken Dutton?«
»Er hat bloß rumgealbert, als du ihm angeboten hast, er könnte mitmachen.«
»Interessanter Mensch. Hat dies und jenes, das man gut brauchen könnte.«
»Jetzt ist es ernst. Warum hat er damals nicht mitgemacht, als es noch Spaß und Spiel war? Hat es am Geld gelegen?«
»Wohl zum Teil. Es waren ja nicht nur die Beiträge für den Ausbau, sondern auch Ausrüstung und Vorräte. Er muß Alimente zahlen… Übrigens hat er Ausrüstung, nur andere als wir. Vielleicht liegt es auch daran, daß er nie was zu Ende macht.«
»Das ist kaum eine Empfehlung. Was für Waffen hat er?«
George lächelte zögernd. »Eine Armbrust, mit der er einen Bären umlegen könnte. Außerdem hat er eine ziemlich gut bestückte Bar.«
»Eine Armbrust! Er hätte mitmachen können und hat seinen Anteil nicht bezahlt, George!«
Isadore sagte: »Das könnte man auch von Jeri Wilson sagen. Und die wollen wir doch, oder?«
»Du bist verheiratet, Is. Und ich bin sogar sehr verheiratet.«
»Aber Martie nicht, und John Fox auch nicht, und ihn würden wir nehmen. Da sollen doch außer uns noch mehr Männer mitmachen, oder etwa nicht? Und es wäre nicht gut, wenn wir da oben deutlich mehr Männer als Frauen hätten.«
»Wir können nicht die ganze Stadt einladen«, sagte Jack. »Wir haben einfach nicht genug Platz, Is. Wen willst du denn noch alles anschleppen? Du hast gewußt, daß wir Harry nicht haben wollten, und du wolltest mit ihm sowieso nichts zu tun haben.«
»Es ist ja auch nur, weil in einem Monat… Ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie es uns allen schrecklich leid tut.«
»Das warten wir mal in aller Ruhe ab«, sagte Jack.
»Es könnte unsere Einladung zur Mitgliedschaft in der Galaktischen Union bedeuten. Vielleicht tanzt bald eine ganze Horde von… komisch aussehenden außerirdischen Studentinnen hier herum, die uns mit billigem Flitterkram dazu bringen wollen, daß wir ihre Fragen beantworten…«
George machte ein obszönes Geräusch. Zumindest Jack sah eher nachdenklich als belustigt drein. Isadore achtete nicht weiter auf die Unterbrechung und fuhr unbeirrt fort. »… und wer weiß, was bei denen billiger Flitterkram ist? Schön, wir verstecken uns. Irgend jemand muß ja. Einfach vorsichtshalber. Aber… ich hör jetzt schon Leute, die mir was bedeuten, maulen, weil wir sie draußen im Regen haben stehenlassen.«
»Irgend jemand muß sich verstecken, bis wir wissen, was die von uns wollen. Und um sicher zu sein, belasten wir uns eben nicht mit schwierigsten Fällen.«
Tu dem andern an, was er dir zufügen möchte, und zwar als erster.
EDWARD NOYES WESTCOTT
David Hamm (1898)
Zeit: Sechs Wochen bis zur Stunde Null
Von der Arco Plaza Mall tief unter der Erde führten Schächte vier Stockwerke hoch nach oben. Einige Müßiggänger saßen auf Bänken und sahen neugierig dem Rundfunkinterviewer zu. Das Studio war neben der Buchhandlung eingerichtet; man konnte durch große Schaufensterscheiben hineinsehen. Der Reporter befragte einen Science FictionAutor, der gekommen war, um sein neuestes Buch vorzustellen, und es sich nicht verkneifen mochte, etwas über das Raumschiff der Außerirdischen zu sagen.
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