»Du hast befehlswidrig eine vollständige ErdlingsFithp vernichtet «, merkte Fukertih an.
»Ja, in meiner Wut, und um meinen Fehler wiedergutzumachen. Lerne daraus! Wir haben in dem Bezirk lediglich zwei weitere Fithp verloren«, verteidigte sich Tshintithpitmäng. »Die anderen Eingeborenen bringen uns jetzt Vieh und Milch.«
»Habt ihr so etwas seither wieder getan?«
»Nein. Seither nicht. Aber dieser Krieg macht aus mir ein anderes Wesen. Ich brauche die Weisheit der Weiber. Mir fehlt die Gefährtin.«
Wie kommt es, daß Verrat nie im Schwange ist?
Weil ihn dann niemand Verrat zu nennen wagt.
SIR JOHN HARRINGTON
* * *
Leichter Nieselregen zwang sie, ihre wasserdichten Mäntel geschlossen zu halten. Sie schwitzten darin. Dabei war es heute nicht einmal besonders schlimm. Tagelang hatten sie Zuflucht vor regenschweren Sturmböen suchen müssen, die Harrys Motorrad von der Straße zu wehen drohten.
Auf dem Schild stand BELLINGHAM CITY. Die Autobahnausfahrt führte auf eine ehemalige Hauptstraße. Sie wirkte recht verlassen. Tankstellen, Motels und Restaurants, an denen sie vorüberkamen, waren geschlossen, bis auf eine Tankstelle. Vor ihr verkündete ein Schild: KEIN BENZIN. KEIN ÖLWECHSEL. ICH WEISS SELBST NICHT, WARUM ICH OFFEN HAB. WIE WÄR’S MIT TEE?
Die Fenster der meisten Häuser waren mit Brettern vernagelt.
»Sieht unwirtlich aus«, rief Roger Harry ins Ohr.
Wo, zum Teufel, war denn nur die Abzweigung? Auf der Karte war deutlich zu sehen, daß sich die Hauptstraße gabelte, nach Westen um die Universität herum und weiter zum Hafen führte – aha, da. Harry nahm die andere Abzweigung. Er wandte sich nach Osten, unterquerte die Autobahn und fuhr an einem Einkaufszentrum vorüber, in dem nicht alle Läden geschlossen zu sein schienen. Danach kamen nur noch Wohnhäuser. Die Wagenburg war nicht leicht zu finden. Sie lag am Ende eines gewundenen Weges und hatte nicht viel Ähnlichkeit mit dem, was man Harry einst geschildert hatte. Sie kam ihm klein und schäbig vor. Dort, wo einst der Tennisplatz gewesen war, erhob sich jetzt ein Gewächshaus. Ein dichter Zaun umgab das ganze Anwesen. An einem Tor war ein riesiger Gong angebracht. Sie hätten absteigen, an einer Betonschranke vorbeigehen und auf ihn schlagen müssen. »Die ermutigen ihre Besucher ja nicht gerade. Kann man ja auch verstehen…« Langsam fuhr Harry vorbei. Von einem kleinen Gehölz am Ende des Weges aus hatte er freie Sicht auf die Fläche vor der Garage.
»John Fox ist da!« rief Roger.
»Fox? Ich hab von ihm gehört, aber ich kenn ihn nicht«, sagte Harry. »Woher willst du das wissen?«
»Was glaubst du, auf wie vielen Nummernschildern in Kalifornien statt der ZahlenBuchstaben Kombination ÖKOFREAK steht?«
»Ach, der ist das.« Harry wendete. »Was machen wir jetzt?«
»Reingehen. Zuerst wollte ich nur duschen, jetzt möchte ich unbedingt deine Freunde näher kennenlernen.«
»Von mir aus.« Harry blieb am Tor stehen. Der große Gong dröhnte nicht annähernd so laut, wie er es erwartet hatte.
Auf Jack McCauleys rundem Gesicht waren neuerdings Falten zu sehen. Ein kurzgeschorener, schwarzer Bart hatte seine Züge verändert. Seine Schultern und Arme waren weit muskulöser als zuvor, so sehr, daß sein altes Hemd sie nicht mehr bändigen zu können schien. »Ich sag euch gleich, daß wir keinen Platz haben«, begrüßte er die Ankömmlinge, »aber kommt erst mal rein. George wird sich freuen, dich zu sehen, Harry. Was, zum Teufel, will ein Zeitungsfritze hier?«
Roger lächelte. »Mein Blatt plant eine Serie über neue Lebensstile. Die Leute brennen darauf, Anregungen zu bekommen.«
McCauley faßte Roger näher ins Auge. »Kann ich mir denken. Aber hier gibt es keine Geschichte.«
Haus und Grundstück machten auf Harry den Eindruck einer Baustelle. Er parkte das Motorrad neben Fox’ Kleinlaster.
George TateEvans arbeitete am Gewächshaus. Er hämmerte und trieb einen Nagel ins Holz. Als er Harry sah, stieß er einen Pfiff aus. »Na so was, der Rote Harry.« Er lächelte freundlich. »Hol’s der Teufel, Harry, du bist zwar nicht so sauber wie früher, aber irgendwie siehst du um einiges besser aus. Wie geht’s dem Rücken?«
»Großartig. Ich hab seit Monaten mit keinem Anwalt gesprochen. Das ist Roger Brooks von der Washington Post. Wir waren in Kansas.«
»So, so. Harry, ich glaube, alle würden gern erfahren, was da eigentlich los war. Kommt ihr etwa den ganzen Weg von Washington her?«
»Nee, aus Colorado Springs«, sagte Harry.
»Colorado Springs«, sagte George vorsichtig. »Ihr könnt gern zum Abendessen bleiben, immer vorausgesetzt, ihr habt Verständnis für unsere Lage. Wir haben keinen Platz, kein einziges freies Bett.«
»Wir zelten.«
»Seht euch um. Die einzige Stelle, wo ihr ein Zelt aufschlagen könntet, wäre die Auffahrt.«
»Wir finden schon was«, sagte Harry grinsend. »Sieh mal, George, ich bin es gewöhnt, mit Erzählungen für mein Abendessen zu bezahlen. Meinst du, ihr könntet heute abend noch ein Duschbad drauflegen?«
* * *
In der Mitte des großen Eßzimmers stand ein langer Tisch. An einem Ende befand sich ein Lesepult. Das Ganze erinnerte Roger an das Refektorium im Kloster der Christlichen Brüder, wo sie auf dem Weg von Colorado Springs hierher Station gemacht hatten. Die Brüder nahmen Reisende auf, wie das Klöster im Mittelalter zu tun pflegten. Außerdem hatten sie alle Müßiggänger am Ort an die Arbeit in Gärten und Weinbergen gestellt.
Allmählich füllte sich der Raum. John Fox schien sich über Rogers Anwesenheit aufrichtig zu freuen. Die Namen prägten sich Roger wie von selbst ein, während sie ihm genannt wurden: für einen Journalisten eine wichtige Fertigkeit. Fox’ Freund Marty Carnell, George und Vicki TateEvans. Harry hatte Georg als »SuperÜberlebenskünstler « bezeichnet; seine Frau war schweigsam. Offenkundig behagte ihr der Besuch nicht. Isadore und Clara Leiber. Clara wollte wissen, was in der Hauptstadt vor sich ging. Dann war da noch der Mann vom Tor, Jack McCauley. Seine Frau hieß Harriet.
Bill und Owen Shakes saßen am Kopf der Tafel. Eine ganze Anzahl von ShakesKindern sprang herum – überhaupt gab es hier viele Kinder.
Shakes machte sich Sorgen wegen des Berichts, den Roger zu schreiben gedachte. »Wir haben mit der Öffentlichkeit nichts am Hut. Ich würde Ihnen sagen, wie schlimm es steht, wenn ich annehmen dürfte, daß Sie mir glauben.«
»Über Bellingham schreibe ich nicht viel«, sagte Roger, »und Ortsnamen nenne ich grundsätzlich nicht. Im übrigen brauchen Sie keine Angst zu haben, daß jemand herkommt. Harry und ich hätten ohne weiteres ein halbes Dutzend Mal hopsgenommen werden können. Dabei ist es nur ein Motorrad, und wir haben einen Presseausweis und eine BenzinZuteilungskarte von der Regierung! Niemand kommt so leicht nach Bellingham.«
Auch niemand, der etwas über den Ort veröffentlichen will. Bevor wir von Colorado Springs abgefahren sind, hab ich alle Unterlagen durchgesehen. Nichts, nicht das Schwarze unterm Fingernagel, und das lange bevor die Rüßler ihre DinosaurierKeule abgeworfen haben. Ich wittere es förmlich: ein Geheimnis, das seit einem ganzen Jahr vor Rüßlern und Bürgern gleichermaßen gehütet wird.
»Es sind aber doch viele Leute hergekommen«, bemerkte Harriet McCauley.
»Ja, allmählich wird es eng«, fügte Clara hinzu. »Auf dem Markt drängeln sich die Kunden und stehen in langen Schlangen.«
»Es könnte schlimmer sein. In den meisten anderen Orten gibt es kaum noch etwas«, sagte Harry. »Vielleicht geht es euch besser, als ihr wahrhaben wollt.«
Es gab Spaghetti. Die Soße enthielt kein Fleisch, aber frische Tomaten aus dem Gewächshaus, und Käse war auch da.
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