In natura ist er ein blasser junger Mann von höchstens neunzehn Jahren, mit wäßrig-blauen Augen, sandfarbenem Haar und einem allgemein fragil wirkenden Körperbau. Er macht den Eindruck, poetisch veranlagt zu sein. Vielleicht ist er das. Früher muß er einmal eine virangonianische Tätowierung auf beiden Wangen gehabt haben, doch offenbar hat er sich das noch einmal überlegt und sie dann entfernen lassen — allerdings nicht von einem sehr tüchtigen Chirurgen, denn die Umrißnarben sind noch zu sehen. Ich möchte wetten, er verabscheut diesen Planeten.
Seine erste Aufgabe bestand darin, TP-Kontakt mit dem Observatorium von Luna City aufzunehmen und festzustellen, ob man dort die Simulationen anfertigen konnte, die wir brauchten. Wir entschieden uns für Luna City nach einer langen Debatte, in deren Verlauf ein halbes Dutzend Observatorien zum Vorschlag kamen, einschließlich einem auf Thhh, dem von Marsport und sogar des fast vergessenen Mount Palomar. Wir entschlossen uns aber dazu, es mit dem größten und besten zu versuchen. Schließlich war eine TP-Verbindung nach Luna nicht teurer als nach Marsport oder Mount Palomar, und auch der Zeitfaktor war gleich. Und ungeachtet des Chauvinismus von Dr. Horkkk sind weder thhhianische Astronomen noch thhhianische Computer auch nur annähernd so nahe wie die der Erde oder der irdischen Kolonien; jeder weiß das.
Santangelo tastete sich hilfsbereit durch einen ganzen Haufen Relaisstationen hindurch und übermittelte unsere Anfrage nach Luna City, eine Aufgabe, die rund eine Stunde in Anspruch nahm. Die Jungs am anderen Ende wußten bereits über unsere Kugel Bescheid — von der Pressemitteilung, die wir herausgegeben hatten —, und sie waren natürlich ziemlich aufgeregt darüber, an der Suche nach dem verborgenen Asteroiden der Erhabenen teilnehmen zu können.
Ich glaube, sie wußten nicht, welch unsicheres Terrain sie betraten. Wir auch nicht. Treibsand. Tiefer Treibsand.
Jetzt standen wir vor dem Problem, wie wir unsere Daten an das Observatorium weitergaben. Das hätten wir am einfachsten dadurch bewerkstelligen können, indem wir unsere Fotos an Bord des nächsten Ultraraum-Schiffes, das auf Higby V Zwischenstation machte, nach Luna brachten. Einer der regulär verkehrenden Multispringer wurde für Mitte September erwartet und würde das Solsystem auf seinem weit herumführenden Kurs einige Wochen nach Weihnachten erreichen. Luna City hätte das Material untersuchen, über TP antworten und uns unsere Informationen bis etwa Ende Januar liefern können.
Doch es erschien uns unerträglich, so lange warten zu müssen. Deshalb berieten sich unsere drei Chefs und entschieden dann, die Daten via TP an Luna City zu übermitteln. Du hast richtig gehört: eine TP-Übertragung von Fotografien. Ich kann dein Schaudern bis hierher spüren.
Ron Santangelo wurde noch blasser als sonst, als wir ihm sagten, was er für uns bewerkstelligen solle. Andererseits aber muß man ihm auch zugute halten, daß er nicht laut kreischend in die Nacht hinausfloh. Statt dessen fungierte er als unser technischer Ratgeber. Nach seinen Anweisungen führten wir folgende Arbeiten aus:
Wir begannen damit, ein Standard-Stereofoto von der Tausende von Parsek umfassenden Szene anzufertigen, mit der die Roboter-Sequenz eingeleitet wird. Die meisten Arbeiten in der Dunkelkammer erledigte Jan, und schließlich legte sie eine tadellose Vergrößerung vor: zwei Meter lang, einen Meter breit und mit einer scheinbaren optischen Tiefe von ebenfalls einem Meter. Dieses Bild fotografierten wir erneut und benutzten dabei eine Trickkamera des Militärstützpunkts, die dazu in der Lage ist, ein Stereo-Hologramm in ein ganz gewöhnliches und altmodisches zweidimensionales Foto umzuformen. Sie lieferte uns ein Bündel von Abzügen, wobei jeder einzelne eine flache Sektion des Stereobildes darstellte. Es war so, als hätten wir ein Messer genommen und den dreidimensionalen Abzug in ein Paket aus einzelnen Schichten zerschnitten.
Es dauerte gut eine Woche, all diese Arbeiten auszuführen, bei denen uns Dr. Horkkks kleiner Computer unterstützte. Wir mußten ihn dazu völlig neu programmieren. (Dr. Horkkk ist jetzt damit beschäftigt, das ursprüngliche Programm für linguistische Analyse neu zu entwickeln, und er flucht dabei hingebungsvoll in Thhhianisch und vielen anderen Sprachen.) Jetzt verfügten wir über die erste astronomische Aufnahme, die in eine zur TP-Übertragung geeignete Form gebracht worden war.
Armer Ron.
Für die Übermittlung verkroch er sich in einer stillen Ecke des Laboratoriums. Er kennzeichnete jedes Foto und ordnete ihm so seinen Platz im umfassenden Bild zu, so daß die Montage am anderen Ende wieder zusammengesetzt werden konnte. Dann teilte er jedes einzelne Bild in eine Reihe von zehn Quadratzentimeter große Gitter auf. Und dann begann er damit, den Informationsgehalt jedes Gitters an die anderen Mitglieder des TP-Verbindungsnetzes zu übertragen.
Ich habe mir nie viel Gedanken darüber gemacht, wie man Bilder mittels Telepathie überträgt. In meiner naiven und einfältigen Art nahm ich an, daß Ron irgendwie Beschreibungen jedes einzelnen Abschnitts eines Fotos weitergab (weißt du, so etwa: „Hier oben, zwei Komma acht fünf Zentimeter von der oberen linken Ecke entfernt, haben wir einen null Komma neun Millimeter großen Stern, der auf der rechten Seite ein wenig verschwommen ist…“). Aber das hätte natürlich nie funktioniert. Bestenfalls hätte das eine vage Annäherung an die ursprünglichen Fotos ergeben. Und auf vagen Annäherungen basierende Computerberechnungen tendieren dazu, noch weitaus vagere Annäherungen zu ergeben. Wie man in der Datenverarbeitungs-Branche sagt: Kommt Mist rein, kommt Mist raus.
Jan hatte eine weitaus phantasievollere Idee, wie Ron das bewerkstelligte. „Ich glaube“, sagte sie, „er blickt jeden kleinen Abschnitt des Gitters genau an, bis er sich ihn fest eingeprägt hat. Dann überträgt er das vollständige Bild an den nächsten TP in der Verbindungskette. Und so geht es weiter und immer weiter, bis das Bild schließlich Luna City erreicht, in allen ursprünglichen Details.“
Das war natürlich weitaus besser, als zu versuchen, das Bild in Worte und Maße zu formen und diese Dinge zu diktieren. Aber Jans Vorstellung haftete ein kleiner Makel an, und Steen Steen entdeckte ihn.
„Wie“, fragte er/sie gemein, „verwandelt der letzte TP in der Kette das übertragene gedankliche Bild in eine Fotografie zurück?“
Jan dachte, es gäbe vielleicht eine Art Gerät, in die der TP das Bild hätte hineindenken können und das es auf maschinelle Weise in ein Foto umformte. Saul Shahmoon hörte das zufällig und klatschte in die Hände. „Eine von Gedanken in Tätigkeit gesetzte Kamera! Herrlich! Einfach herrlich! Wann wird sie erfunden?“
„Dann gibt es so ein Ding also nicht?“ fragte Jan.
„Leider nein“, entgegnete Saul.
Es stellte sich heraus, daß Ron Santangelo die Details dieser Bilder auf die einfachste Art und Weise übermittelte. Er benutzte dazu eine Methode, die vor mehr als dreihundert Jahren erfunden worden war, damit die primitiven Weltraumsatelliten und Sonden Fotografien vom Mond und den anderen Planeten zur Erde übertragen konnten. Wir waren ganz verlegen über unsere Unwissenheit, als wir das herausfanden. Wie du wahrscheinlich weißt, war nur folgendes dazu notwendig: Jedes kleine Foto wurde vor einem optischen Abtaster angebracht, der die entsprechende Verteilung von Schwarz und Weiß in Datenbits verwandelte. Ron nahm dann die Ausdrucke zur Hand und gab sie ins TP-Netz ein. Er übermittelte keine Bilder und auch keine verbalen Beschreibungen. Er übertrug solche Dinge wie:
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