Plötzlich taucht ein Asteroid aus dem Nichts auf und schwebt von links nach rechts aus unserem Blickfeld heraus. Ein jäher, überlauter Tusch, um das Unerwartete zu unterstreichen. Das Unbekannte! Wir stellen fest, daß sich zwischen dem dritten und vierten Planeten ein Asteroidengürtel befindet. Im All sind alle Arten kosmischen Schutts verstreut, genau wie zwischen Mars und Jupiter. Vielleicht die Überbleibsel einer zerschmetterten Welt. Wir befinden uns in der Umlaufbahn um einen großen, unregelmäßig geformten Asteroiden, dessen zerklüftete Berge im Licht des fernen Weißen Zwergs in einem trüben, rosafarbenen Licht erglühen. Wir setzen nun zur Landung an, auf einer weiten, pockennarbigen Ebene.
Veränderung des Blickwinkels. Die Kamera befindet sich nicht mehr im Bug des Schiffes; sie ist jetzt einige hundert Meter entfernt und erfaßt das Schiff. Das wie alle modernen Raumschiffe aufrecht auf seinem Heck steht, andererseits aber vollkommen fremdartig ist. Keine sichtbaren Triebwerke. Nicht einmal die Andeutung einer stromlinienförmigen Kontur. Das Schiff ist robust, kupferfarben, unattraktiv. Entlang den Flanken sind Inschriften in den großen Hieroglyphen der Erhabenen erkennbar, ähnlich denen auf den Inschriftsknoten, doch hier ist die Beschriftung stabil und verändert sich nicht planlos.
Hoch oben am Schiff öffnen sich Luken. Kabel werden heruntergelassen und baumeln. Erhabene steigen zum Boden hinab.
Sie alle tragen gleich aussehende Masken; offenbar bekommt ihnen die Atmosphäre dieses Asteroiden nicht. Wenn er überhaupt eine Atmosphäre aufweist, was eigentlich nicht der Fall zu sein scheint. In ihrer seltsamen, gleitenden Art und Weise schreiten sie umher, und ab und zu geben sie sich mit anmutig winkenden Armen gegenseitig Zeichen. Rund ein Dutzend von ihnen steigen aus dem Schiff. Dann rollt viel weiter unten im Schiff eine Schleuse zur Seite, und eine Rampe ragt heraus. Über diese Rampe kommen sechs große Roboter herab. Sie sind von der gleichen Gestalt wie die Erhabenen — vier Arme, zwei Beine, kuppelförmiger Kopf —, aber über ihre künstliche Beschaffenheit ist jeder Zweifel ausgeschlossen. Anstatt über Augen verfügen sie über ein einzelnes, glühendes Sichtband, das ganz um den oberen Bereich des Kopfes herumläuft. Ihre Arme weisen verschiedene mechanische Zusatzvorrichtungen auf, die sie in die Lage versetzen, Dinge zu ergreifen, zu graben und so weiter und so fort. (408b hat darauf hingewiesen, bei diesen sechs mechanischen Geschöpfen könnte es sich einfach um Erhabene handeln, die auf chirurgischem Wege in Maschinen verwandelt wurden, wie die Shilamakka heute. Aber Pilazinool, der schließlich ein Shilamakka ist, glaubt das nicht. Niemand weiß etwas Genaues. Ich nehme an, es sind Roboter.) Im Gänsemarsch führt die Gruppe der Erhabenen die Roboter über die Ebene, bis heran an einen niedrigen Hügel. Dort gibt einer der Erhabenen ein Zeichen, und der vorderste Roboter hebt plötzlich einen Arm und zeigt damit auf den Hügel. Feuer flammt auf, und der Fels schmilzt und fließt in großen Lachen ab. Der Roboter feuert mit seiner Laser-Zusatzvorrichtung — oder was immer es auch ist — weiter, bis er eine ziemlich große Höhle in den Hügel hineingeschnitten hat. Dann treten die anderen Roboter heran, räumen den Schutt beiseite und erledigen andere Dinge. Als sie damit fertig sind (in der Version der Kugel nach fünf Minuten), befindet sich eine saubere, sechseckige Kammer im Hügel. Die Kamera blickt direkt hinein und zeigt die arbeitenden Roboter, die mit in ihren linken oberen Armen untergebrachten Apparaturen geduldig den Fels der Wände schmelzen, um so eine feine Glasur über die Oberfläche zu ziehen. Dann installieren sie eine schwere Metalltür an einer gewaltigen Angel. Sie tragen ein Maschinensortiment in die Kammer und bauen es an der rückwärtigen Wand auf. Schließlich setzt sich einer der Roboter mitten in der Kammer auf den Boden, und die Tür schließt sich. Sie versiegeln sie, mit dem Roboter im Innern. Daraufhin kehren alle zum Schiff zurück. Sie steigen ein: Die Roboter klettern über die Rampe, die Erhabenen ziehen sich an den Kabeln hoch.
Das Schiff startet. Ende der Sequenz.
Warum haben die Erhabenen den Roboter in der Höhle auf dem scheußlichen Asteroiden zurückgelassen? Zur Strafe? Dafür scheinen Aufwand und Mühe zu groß zu sein. Um Feinde zu beobachten? Warum?
Und warum wird diese Szene so oft gezeigt, wenn wir die Kugel einschalten? Allein das macht deutlich, daß die Errichtung der Felsgruft und das Zurücklassen des Roboters von besonderer Bedeutung gewesen sind. Aber von welcher?
In der Zwischenzeit haben wir zu einer täglichen Routine gefunden und graben weiter. Seit meiner Entdeckung der Kugel ist nichts besonders Interessantes zum Vorschein gekommen. Doch Mirrik und Kelly sind unermüdlich. Sie graben und bohren an der Fundstelle, wir räumen beiseite, und Saul datiert Tausende von Artefakten. Auf der Grundlage der Art der Hieroglyphen, Kalium-Argon-Tests und anderen Hinweisen hat er das Alter unserer Fundstelle auf 925 Millionen Jahre bestimmt, mit einer möglichen Fehlerquote von 50 Millionen Jahren nach oben oder unten. Das ist ein ziemlich großer Abweichungsspielraum. Wenn ich an die Fundstelle denke, dann stelle ich mir auch weiterhin gern vor, daß die Erhabenen vor einer runden Milliarde von Jahren hier gewesen sind. An dem Wort „Milliarde“ ist etwas Beeindruckendes und Majestätisches. Ich lasse mir das M im Munde zergehen. Mir tun die armen Innungsgenossen leid, die für ihre Fundstellen nur ein Alter von ein paar jämmerlichen tausend Jahren geltend machen können.
Eine Milliarde. Eine Milliarde. Vor tausend Millionen und sieben Jahren kamen die Erhabenen zu diesem Planeten…
Ich möchte noch immer zu gern wissen, was es mit dieser Felsgruft-Szene auf sich hat.
Dein Bruder hat sich erneut mit Ruhm bekleckert, diesmal durch einen verrückten Einfall. Als mir die Idee in den Sinn kam, hielt ich sie für vollkommen idiotisch, aber ich brachte den Mut auf, sie Jan zu schildern, die daraufhin ganz aufgeregt war und darauf bestand, ich solle es bei der abendlichen Diskussionsrunde allen erzählen. Was ich auch tat. Doch als ich den Klang meiner eigenen Stimme hörte, während sie die ersten Worte meiner abenteuerlichen Vorstellung hervorbrachte, fühlte ich mich wie ein Drahtseiltänzer mit defektem Antigravgürtel, der tapfer mitten im Nichts hängt und nahe daran ist, in einen unter ihm gähnenden Abgrund zu stürzen.
Doch es gab kein Zurück mehr.
Alle sahen mich fest an, als ich sagte: „Nehmen wir einmal an — nur als Ausgangspunkt einer Argumentation —, die Erhabenen ließen jenen Roboter in der versiegelten Gruft und kehrten nie zurück, um ihn wieder herauszuholen. Auf einem luft- und wasserlosen Asteroiden kann ein Metallobjekt wie dieser Roboter, der mit der Technik der Erhabenen konstruiert wurde, ohne weiteres eine Milliarde Jahre überdauern, ohne zu korrodieren oder anderen Schaden zu erleiden. Diese Kugel hier ist unser Beweis dafür, daß so etwas möglich ist. Deshalb ist es zumindest theoretisch denkbar, daß der Roboter noch immer hinter dieser dicken Tür sitzt, in allerbestem Zustand.“
Meine Zuhörer begannen die Stirn zu runzeln, zu nicken oder unruhig hin und her zu rutschen. Ich spürte, wie ich in den Abgrund stürzte. Was ich von mir gab, war wirklich ausgemachter Unsinn! Und das in Gegenwart von Dr. Schein und Dr. Horkkk, von all diesen erfahrenen Archäologen!
Hilflos fuhr ich fort:
„Es stellt sich folgende Frage: Können wir den Asteroiden lokalisieren, auf dem sich die Gruft befindet? Ich glaube, ja. Wir haben einige bestimmte Anhaltspunkte. Das erste Bild der Sequenz zeigt uns einen umfassenden Ausblick auf zumindest einige tausend Parsek des Weltraums. Natürlich sind die sichtbaren Sternkonstellationen eine Milliarde Jahre alt und weisen heute nicht mehr diese Struktur auf, und außerdem wissen wir nicht, welcher Raumsektor fotografiert wurde. Ich glaube aber, jedes gute Observatorium könnte uns Computersimulationen darüber zur Verfügung stellen, wie bestimmte Regionen unserer Galaxis vor einer Milliarde Jahren ausgesehen haben. Vielleicht könnten wir hundert solcher Simulationen anfertigen lassen, die zeitlich gesehen zwei oder drei Millionen Jahre auseinander liegen, um mögliche Fehler in unserer Datierung der Kugel zu berücksichtigen.
Читать дальше