Viele Jahre lang bewahrte Urfin das Feuerzeug, das er von Zeit zu Zeit hervorholte, um sich an seinem Anblick zu ergötzen. Als er die Rolle des Feuergottes der Marranen zu spielen beschloß, erwies ihm das Feuerzeug einen großen Dienst, denn damit konnte er den Springern vorgaukeln, daß das Feuer ihm auf den Wink gehorche.
Früher pflegte er, um Feuer zu erzeugen, ein Stahlplättchen an einem Feuerstein zu reiben, bis ein Funken auf den Zunder fiel, und dann auf diesen zu blasen, bis er zu glimmen anfing. Das forderte Zeit und machte keinen starken Eindruck. Anders, wenn das Feuer aus der ausgestreckten Hand hervorspringt und augenblicklich ein Bündel Stroh entzündet, das lichterloh brennt und Wärme verbreitet. Natürlich hätte Urfin im Dorfladen Streichhölzer kaufen können, doch sagte er sich, mit einem Feuerzeug werde er sich viel besser als Gott aufspielen können.
Gleich nach seiner Ankunft versetzte Urfin die Marranen in gewaltiges Staunen, als er aus der ausgestreckten Hand viele Male hintereinander Feuer aufblitzen ließ, worüber die Zuschauer jedesmal in helle Begeisterung ausbrachen.
Urfins Wunsch, so schnell wie möglich Herrscher des Wunderlandes zu werden, war so stark, daß er keinen Tag verlieren wollte.
Die erste Nacht verbrachte Urfin in der Hütte Torms auf dessen Lager, und am nächsten Morgen erklärte er dem Fürsten, man müsse sofort darangehen, einen Palast für ihn, den Feuergott, zu bauen. In seinen himmlischen Besitztümern, sagte Urfin, habe er herrliche Paläste zurückgelassen.
Tausende Menschen begannen aus den Bergen Steine zu einem Hügel zu schleppen, den Urfin sich für seinen Palast ausgewählt hatte. Arbeiter schöpften Schlamm aus dem See, der als Zement dienen sollte.
Urfin lehrte die Marranen, wie man Fundamente baut. Er zeigte ihnen, wie sie die Steine bearbeiten und mit Zement zusammenfügen sollten. Die Marranen erwiesen sich als sehr gelehrig, und die Arbeit ging ihnen flott von der Hand. Die Geschicktesten wurden von Urfin zu Vorarbeitern gemacht. Sein Werkzeug hatte er während des Gewitters aus dem Versteck geholt, als es donnerte und blitzte und die entsetzten Marranen, die Augen fest geschlossen und die Hände an den Kopf gepreßt, in ihren Hütten lagen.
Eot Ling, der den Herold spielte, verkündete den Springern, die Gegenstände, mit denen ihr Gebieter arbeite, seien heilig. Die Sonne, die Herrin und Gebieterin des Himmels, sagte er, habe sie dem Großen Urfin geschickt, und wer sie ohne dessen Erlaubnis anrühre, begehe eine schreckliche Sünde.
Urfin begann an den Tür- und Fensterstücken zu arbeiten, die Balken für Decken und Dachstuhl zu behobeln und die Fensterrahmen zu zimmern. Alles gedieh unter seinen geschickten Händen. Die Arbeit machte ihm jetzt besondere Freude, hatte er doch seit Jahren weder Axt noch Meißel in die Hand genommen.
Ein anderer hätte dabei seine ehrgeizigen Pläne gewiß vergessen. Urfin dachte aber nur an die Schmach, die man ihm in der Smaragdenstadt angetan hatte, und die Verachtung, die ihm ihre Einwohner zeigten, als sie annahmen, er werde keinen Schaden mehr stiften können.
»Die Feinde sollen keine Gnade bei mir finden! Ich will Rache, nur Rache!« zischte er.
Um Urfin drängten sich respektvoll Gaffer und bestaunten die Gegenstände, die aus seinen Händen hervorgingen. Das Quietschen des Hobels, der über das Brett strich, das Klopfen des Meißels und das Surren der Säge kamen den Springern wie Wunder vor, die nur ein Gott vollbringen kann.
Fürst Torrn war außerordentlich erfreut, als der Feuergott ihm erlaubte, mit dem Hobel mehrmals über ein Brett zu streichen. Er las die Hobelspäne von der Erde auf und trug sie als ein Zeichen göttlicher Gnade feierlich in seine Hütte.
Die Wände des Palastes wuchsen, und der Bau wurde immer imposanter. Die Marranen schauten voller Ehrfurcht darauf.
Diese Leute hatten eine seltsame Eigenschaft: Nachdem sie am Tag viel gelaufen und gesprungen waren, schliefen sie nachts so fest, daß selbst ein Kanonenschuß sie nicht hätte wecken können. Urfin wußte das zu nutzen. Durch Eot Ling ließ er den Springern sagen, daß eine jede Familie dem Gott einen Edelstein zum Geschenk machen müsse, sonst würde schon in allernächster Zeit ein Unglück über sie hereinbrechen.
Die erschrockenen Marranen schleppten ihre schönsten Edelsteine herbei. Eines Nachts, als die Einwohner schliefen, flog Urfin mit dem Adler in das Land der Schwätzer. In der Rosa Stadt fand er einen Kaufmann, der sich für zwei Dutzend Edelsteine bereit erklärte, ihm schöne Möbel, Teppiche, Fenstervorhänge, Kochgeschirr, Fensterglas und viele andere Gegenstände zu besorgen.
In der folgenden Nacht wurde alles in das Tal der Marranen befördert und in einer Höhle versteckt. Karfax mißfiel diese Geheimnistuerei.
»Warum machst du deine Einkäufe nicht bei hellichtem Tage?« fragte der Adler.
Urfin erwiderte schlau:
»Mein lieber Freund Karfax, versteh doch, wenn ich die Marranen belüge, so tu ich es doch mit einem edlen Ziel. Haben sie sich überzeugt, daß ich zaubern kann, werden sie mir williger in ein glückliches Leben folgen.«
Der Palast war mittlerweile fertig geworden. Das Dach bestand aus Ziegeln, die die Frauen aus Lehm gemacht und Urfin selbst gebrannt hatte. Drinnen aber war es leer, die Fenster waren unverglast.

Am Abend sagte Urfin zu Torrn:
»Ich lade Eure Durchlaucht mit Gemahlin und Räten morgen zu einem Fest ein, das ich aus Anlaß meines Einzugs in den Palast gebe.«
Torrn entgegnete verwundert:
»Großer Urfin, dein Palast ist doch leer!«
»Macht Euch keine Sorge«, lächelte Urfin überheblich. »Ihr einfachen Sterblichen habt keine Ahnung, was ein Gott alles vermag.«
Die ganze Nacht arbeiteten Urfin und der Bär im Schweiße ihres Angesichts. Als Torrn und die Ältesten am Morgen vor dem Palast erschienen, wollten sie ihren Augen nicht trauen.
Der Palast funkelte sie mit frischgeputzten Fenstern an, und in den Gemächern empfing sie eine ungewöhnliche Pracht. Auf den Dielen lagen dicke Teppiche, vor den Fenstern hingen bunte Vorhänge, elegante Möbel standen in den Zimmern, und der Speisesaal strömte den Duft erlesener Gerichte aus.
»Oh, Wunder!« riefen die Marranen und sanken in die Knie.
Die auf dem Feuer bereiteten Speisen schmeckten dem Fürsten, seiner Gemahlin und den Würdenträgern außerordentlich. Auf dem Tisch standen Schüsseln mit frischem Brot, gebratenen Enten, gebackenem Obst und anderen Delikatessen, deren Geschmack die Springer bisher nicht gekannt hatten.
»So leben die Götter!« rief Torm begeistert aus, lehnte sich in seinem Sessel zurück und streichelte seinen prallen Bauch.
»Ja, so leben die Götter«, sagte Urfin. »Aber von heute an werdet auch ihr Marranen so leben, wenn ihr meinen Befehlen gehorcht.«
»Wir sind dazu bereit, Großer Gott!« riefen die Springer.
»Vor allem müßt ihr euch Häuser bauen«, sagte Juice.
»Häuser für uns?« riefen die Marranen entsetzt. »Sollen sie vielleicht so sein wie deines?«
»Nicht ganz so«, sagte Urfin herablassend. »Sie sollen einfacher und kleiner sein, aber immerhin Häuser. Außerdem sollt ihr euer Essen auf dem Feuer bereiten. Ihr seht ja, daß es so besser schmeckt.«
In den Gesichtern der Marranen spiegelte sich die alte Angst vor dem Feuer, das sie noch immer für eine drohende und strafende Gottheit hielten.
»Folgt mir!« befahl Urfin.
Er führte die Gäste in die Küche und zeigte ihnen das Feuer, das friedlich im Herde brannte.
»Seht, wie ich das Feuer bezwungen habe«, sagte Juice. »Genauso zahm soll es in euren Herden brennen. Es wird eure Wohnungen erwärmen, und eure Frauen werden darauf Suppe kochen und Semmeln backen.«
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