Sogleich tut der Spruch seine Wirkung, die Ofengabel saust mit dem Hias davon. Hüraxdax, huraxdax!, fährt sie mit ihm zum Schornstein hinaus. Aber der Hias, wir haben es schon bemerkt: Der Hias hat sich mit dem Hexenspruch leider vertan, er hat einen Buchstaben weggelassen, bloß einen einzigen, aber das reicht schon hin - und nun kriegt er die Quittung dafür!
Die Ofengabel tut, was der Hias ihr befohlen hat. Sie sorgt dafür, dass er immerwo anstößt! Im Schornstein haut es ihn gegen die Mauersteine, und draußen im Freien erst recht! Da gibt’s keinen Baum, keinen Holzstoß und keinen Stadel, den sich die Ofengabel entgehen ließe: Sie haut ihn mit aller Gewalt dagegen, den armen Hias. Hüraxdax, huraxdax!
Bloß gut, dass er nicht den vollen Weg bis zum Blocksberg hat reiten müssen! Die Ofengabel, das rabiate Biest, schmeißt ihn einfach ab, schon gleich hinter Weilheim muss das gewesen sein. Zum Glück ist er wenigstens weich gefallen, der Hias - na ja, selbst Misthaufen haben bisweilen ihr Gutes. Wenngleich man von einem Misthaufen nicht erwarten darf, dass er nach Kräutern und Spezereien duftet. Ebenso wenig wie man vom Hias aus dem Pfaffenwinkel erwarten darf, dass er sich jemals wieder mit Hexensalbe einschmieren wird, und dufte sie noch so wohl!
Ein Bursche will sich die Gunst eines Mädchens, ein Mädchen die Gunst eines Burschen erringen, und wenn das nicht anders klappt, so versucht man es eben mit Hexerei. Liebestränke sind ein bewährtes Mittel, sofern man die richtigen Zutaten kennt. Zuweilen leistet ein Kartenspiel gute Dienste: Man muss sich den Herzbuben oder die Herzdame unters Kopfkissen legen, nicht ohne entsprechende Zauberformel, wohl bemerkt. Große Wirkung kann auch von einem kleinen Zettel ausgehen, der mit dem Namen jener Person versehen ist, deren Liebe man zu gewinnen trachtet; diesen Zettel muss man nur lang genug auf der blanken Haut überm Herzen tragen - und je nachdem, welchen Liebeszauber man anwendet (es gibt deren noch ein paar Dutzend weitere), stellt sich nach Ablauf einer bestimmten Frist die erhoffte Wirkung ein, wobei man jedoch vor Überraschungen niemals sicher ist.
Weit hinten im hintersten Hinterpommern, da haben einmal Soldaten in einem Dorf in der Nähe von Bütow für einige Zeit im Quartier gelegen, ob im Krieg, ob im Frieden, ist nicht bekannt. Nur dass es Husaren gewesen sind, weiß man noch: flinke Burschen mit hohen Pelzmützen, roten Hosen und kurzen, silberverschnürten Leibröcken, schnurrbärtig alle, und alle mit grasgrünen Mäntelchen ausgestattet, die über der linken Schulter getragen wurden. Da kann man sich vorstellen, was für Eindruck sie auf die Mädchen gemacht haben! Überall dort, wo sie im Quartier lagen, gab es bald schon die heftigsten Liebschaften, so auch in jenem hinterpommerschen Dorf in der Nähe von Bütow.
Nun war da ein Wachtmeister bei der zweiten Schwadron, ein stattlicher Mensch mit funkelnden, schwarzen Augen, der hätte sich gern mit der Tochter seines Quartierwirts was angefangen;
aber die schöne Trine hat nicht dergleichen getan, für die schien er Luft zu sein. Und wenn der Herr Wachtmeister noch so viel mit den Augen geplinkert und sich den Schnurrbart gezwirbelt hat - die Trine hat einfach nichts von ihm wissen wollen, und basta! Da hat sich der Wachtmeister schließlich nicht anders zu helfen gewusst und hat es mit einem Liebeszauber probiert.
Was er getan hat und wie er’s getan hat, kann ich nicht sagen. Jedenfalls hat der Zauber am Morgen des dritten Tages zu wirken begonnen - aber gerade an diesem Morgen, in aller Frühe, da war ein Befehl gekommen, aus heiterm Himmel. Da haben nun die Trompeter Signal geblasen, Signal zum Satteln und Aufsitzen, und es hat keine halbe Stunde gedauert, da sind sie zum Dorf hinausgesprengt, die Herren Husaren, in Reih und Glied, und mit ihnen der Wachtmeister von der zweiten Schwadron.
Die Dorfleute haben ihnen nachgewinkt, ein paar Mädchen mussten sich mit den Schürzenzipfeln die Augen wischen, sie hatten wohl Grund dazu. Und die Trine? Bei ihr, wie gesagt, hat gerade an diesem Morgen der Zauber zu wirken begonnen, der Liebeszauber. Sie hat das natürlich nicht wissen können, aber es war schon seltsam. Irgendwas zerrte und zog da plötzlich an ihr herum, stärker und immer stärker, und als die Husaren längst in der Ferne verschwunden waren, nur eine hohe Staubwolke war noch am Himmel zu sehen: Da konnte die Trine nicht anders, sie musste loslaufen.
Schneller und immer schneller lief sie zum Dorf hinaus, den Husaren nach. Arme Trine! Sie konnte natürlich nicht ahnen, was da mit ihr geschehen war, dass sie der Wachtmeister von der zweiten Schwadron behext hatte. Und so lief sie und lief den Husaren nach, bis ihr jemand den Weg vertrat und sie fest hielt. Und dieser Jemand, das war der Schweinehirt, der mit seiner grunzenden Herde neben der Straße dahinzog. Was denn los sei, wollte er wissen, warum es die Trine denn gar so eilig habe?
»Weiß selber nicht«, keuchte das Mädchen, schon ganz außer Atem. »Weiß selber nicht!«
Aber der Schweinehirt ahnte es. Hirten verstehen ja häufig was von dergleichen Dingen. »Nur ruhig, Trine, das legt sich wieder!« Während er mit der Linken das Mädchen fest hielt, band er ihr mit der Rechten die Schürze ab. Und was tat er mit Trines Schürze? Er hängte sie einer von seinen Säuen um. »Gib mal Acht, was mit der passiert!«
Nun sind ausgewachsene Säue ja meistens von eher träger Natur. Die Sau mit der Schürze aber: Mit einem Mal quiekt sie lauthals auf, und dann fängt sie zu rennen an, als habe ihr jemand eins mit dem glühenden Schürhaken über die Schwarte gezogen! Sie rennt also los, mit Trines Schürze behängt, und sie rennt und rennt auf der Straße dahin! »Sie rennt den Husaren nach«, sagte der Schweinehirt. »Einer von ihnen muss dir was angehext haben - aber nun bist du es wieder los.«
Ja wirklich! Der Zauber, der Liebeszauber hatte sich von dem Mädchen jetzt auf die Sau übertragen. Und sicherlich wäre es für den Wachtmeister kein Vergnügen gewesen, wenn statt der schönen Trine plötzlich die wilde Sau auf ihn losgestürmt wäre, vor den Augen der ganzen Schwadron, und man kann sich ja ausmalen, was der Herr Rittmeister zu dem Schauspiel gesagt hätte!
Doch es zeigte sich, dass der Wachtmeister mit den funkelnden, schwarzen Augen mehr Glück als Verstand hatte. Weil die Straße nämlich nach einiger Zeit einen weiten Bogen beschrieb, um ein Wäldchen herum; und weil die verhexte Sau es so eilig hatte, dass sie den Bogen abschneiden wollte und quer durch das Wäldchen rannte! Deshalb, nur deshalb, blieb Trines Schürze im Dickicht hängen, an einem dornichten Ast. Und kaum, dass die Schürze am Ast hing, kaum also dass die Sau ihrer los und ledig war - was geschieht da?
Die Schürze flattert am Ast wie von heftigem Sturm gezaust; die Sau indessen hält inne im Lauf: Von einem Augenblick auf den andern kommt sie zur Ruhe, verschnauft ein wenig und kehrt dann langsam, schwer atmend und schleppenden Schrittes zur Herde zurück und zu ihrem Hirten.
»Na, siehst du, Trine!« Der Schweinehirt stopft sich schmunzelnd ein Pfeifchen. »Da habt ihr ja noch mal Glück gehabt, du und die arme Sau.«
Tja, und mit dieser Bemerkung, so will’s mir scheinen, sollten wir die Geschichte beschließen: Trines Geschichte - und die des Herrn Wachtmeisters von der zweiten Schwadron.
Hexerei für den täglichen Bedarf in Haus und Hof, bei der Ausübung des Berufes: Hierher gehört auch das Gießen von Freikugeln. Wer seine Büchse mit einer Freikugel lädt, lädt sie mit einem tödlichen Geschoss, das sein Ziel nicht verfehlt, selbst über weite Entfernungen nicht. Freischützen, wie die Hersteller und Besitzer solcher Kugeln genannt werden, trifft man gelegentlich unter Soldaten an, vorwiegend unter Jägern und Wildschützen. Das Gießen von Freikugeln ist mit Hexerei verbunden, das äußere Drum und Dran unterliegt den verschiedenartigsten Vorschriften, bis hin zum Hostienfrevel. In Carl Maria von Webers romantischer Oper »Der Freischütz« werden Freikugeln auf offener Bühne gegossen, in der berühmten Wolfsschluchtszene, wenn die Jägerburschen Kaspar und Max zu mitternächtlicher Stunde den höllischen Samiel beschwören. Doch nicht von ihnen möchte ich hier erzählen; erzählen möchte ich von den beiden Tappern, deren Geschichte ich kenne, seit ich ein kleiner Junge war. Und der sie uns damals erzählt hat, im Gasthof »Zur Pyramide«, beim Schein der Petroleumlampe, das ist der Schneider-Gottl gewesen, ein uralter Häuselmann von der Hohen Iser.
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