»Was geht dich das an? Bist du hier, um auf mich aufzupassen?«
»Natürlich nicht, aber ich bin dein Freund und der Einzige, der sich traut, dir ab und zu mal die Meinung zu sagen. Und deswegen frage ich dich: Meinst du es ernst, oder suchst du nur ein schnelles Vergnügen?«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht.«
»Es geht mich sehr wohl etwas an. Ich war damals dabei, als deine Frau und dein kleiner Sohn bei dem Buschfeuer ums Leben gekommen sind. Ich war dabei, als du geschworen hast, nie wieder eine Frau lieben zu können. Du weißt, dass ich diesen Schwur immer für Unsinn gehalten habe und dass ich mich riesig gefreut hätte, wenn du eine neue Liebe gefunden hättest, aber Elieshi muss es ja nun wirklich nicht sein.«
»Und warum nicht?«, entgegnete Maloney.
»Sie ist viel zu jung für dich. Ein grünes Ding, gerade mal alt genug, um deine Tochter zu sein. Du liebst sie nicht und bringst uns damit nur alle in Gefahr.«
»Blödsinn.«
»Kein Blödsinn. Ist dir nicht aufgefallen, dass der junge Astbury sich auch für sie zu interessieren scheint?«
Die Bemerkung traf mich völlig unvorbereitet. Ich duckte mich zu Boden. Elieshi und ich? Das war ja lächerlich. Sollte Sixpence irgendwelche Schwingungen zwischen uns bemerkt haben, dann wusste er mehr als ich. Trotzdem interessierte mich das Thema. Ich war mittlerweile so dicht herangekrochen, dass ich zwischen den Grasstauden hindurch einen Blick auf die beiden werfen konnte. Maloney hatte sich hingesetzt und seinen Hut zurückgeschoben. Er ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
»Die beiden? Die können sich nicht ausstehen, das sieht doch ein Blinder. Astbury ist es völlig egal, ob da etwas zwischen uns läuft. Ganz im Gegensatz zu dir, wie mir scheint.«
Sixpence brummte verärgert vor sich hin. »Du hast keinen Funken Menschenkenntnis. Hast du nie gehabt und wirst du nie haben, sonst wäre dir längst aufgefallen, dass diese fortwährenden Reibereien zwischen den beiden eine Art Zuneigungsbekundung ist. Und noch eines sage ich dir: Wir können uns diesen Hahnenkampf nicht leisten. Nicht bei dem, was hier auf dem Spiel steht.«
Ich musste erst mal durchatmen. Das war ja lächerlich. Ich war an dieser launischen Biologin nicht im Mindesten interessiert. Außerdem fühlte sie sich eindeutig zu Maloney hingezogen.
Während ich noch über die verwirrende Behauptung nachgrübelte, hatte sich der australische Jäger drohend aufgerichtet. »Ich werde dir sagen, was los ist«, donnerte er. »Du bist nur eifersüchtig, das ist alles. Willst die Kleine für dich haben, stimmt's?« Er lachte trocken. »Versuch's doch. Das könnte interessant werden. Ich bin der Letzte, der einem guten Kampf aus dem Wege geht; das müsstest du doch eigentlich wissen bei deiner viel gepriesenen Menschenkenntnis.«
»Ja, ja. Hauptsache du hast deinen Spaß. Was andere über dich denken, hat dich ja noch nie interessiert.«
Ich hörte, dass Maloneys Stimme einen härteren Klang bekam. »Wenn es dir hier nicht gefällt, dann geh doch. Ich krieg das hier auch allein hin.«
»Das kann ich nicht, und das weißt du ganz genau.«
»Himmel, verschone mich bitte mit deinem ewigen Gerede von einem Blutschwur. Immer, wenn es zwischen uns zu Unstimmigkeiten kommt, muss ich mir diese alte Geschichte anhören. Und dann soll ich mich schuldig fühlen. Aber ich habe keine Lust mehr, verstehst du? Es hängt mir zum Hals raus, dein Moralgequassel. Verschwinde, ich erlöse dich von deinem Gelübde.«
»Das kannst du nicht«, hörte ich Sixpence murmeln. »Das kann nicht mal ich selbst.«
Nach einigem Schweigen sagte Maloney: »Na gut, dann bleib halt.« Und nach einer weiteren Pause fügte er hinzu: »Genau genommen bedeutet mir die Kleine doch gar nichts.«
»Das sage ich doch die ganze Zeit. Aber dann kannst du auch genauso gut die Finger von ihr lassen«, murmelte Sixpence.
»Kann ich nicht, ich bin Jäger - und das in jeder Hinsicht. Und du weißt doch, was man sich von den schwarzen Weibern erzählt.«
»Keine Ahnung, aber vielleicht willst du mich ja aufklären?«
»Komm schon, das weiß doch jeder. Er heißt, sie sind wie Tiere. Die warten nur darauf, besprungen zu werden, vorher geben sie keine Ruhe. Irgendwann werde ich es der Kleinen besorgen, und dann lasse ich sie wieder fallen. Ist doch nur eine harmlose kleine Affäre, die ebenso schnell endet, wie sie begonnen hat.«
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Das war ja allerhand. Sixpence schien ebenfalls schwer getroffen zu sein.
»Ach daher weht der Wind«, sagte er. »Ist dir eigentlich klar, dass Elieshi und ich die gleiche Hautfarbe haben?«
»Mit dir ist das doch etwas völlig anderes. Du bist wie ein Bruder für mich.«
»Und was, wenn sie eine weiße Hautfarbe hätte? Ich bin sicher, dass du dann ganz anders über sie reden würdest. Was glaubst du eigentlich, wie solche rassistischen Sprüche bei mir ankommen?«
»Sei mal still! Da drüben ist irgendetwas.«
Maloney war aufgesprungen und starrte in meine Richtung, das Gewehr, das er immer bei sich trug, im Anschlag. So schnell es mir möglich war und ohne dabei ein Geräusch zu machen, ließ ich mich zu Boden sacken. Verdammt, er hatte mich entdeckt! Der Typ würde mich zu Kleinholz verarbeiten, wenn er mitbekam, dass ich gelauscht hatte. Mir blieb nur eine Wahl. Abhauen, und zwar so leise wie möglich. Doch das war leichter gesagt als getan.
»Hallo. Wer ist da?«, rief Maloney herüber. Er ging ein paar Schritte in meine Richtung. Ich hörte deutlich das Knirschen seiner ledernen Stiefel. Immer näher kamen sie. Er hatte mich gehört, das war klar, er schien nur noch nicht entschieden zu haben, wie er sich verhalten sollte. Im schlimmsten Fall würde er einfach sein Gewehr in meine Richtung halten und abdrücken. Mir stand der Schweiß auf der Stirn. Was sollte ich bloß tun? Besser, ich gab mich zu erkennen. Besser eine Tracht Prügel, als mit einer Kugel im Bauch am Lac Tele zu verrecken.
Ich wollte gerade aufstehen, da spürte ich eine Hand auf meiner Schulter.
Der Pygmäe stand hinter mir.
Vollkommen lautlos hatte er sich genähert. Er sah zu mir herunter, und ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Ich legte den Finger auf meine Lippen, und sein Lächeln wurde breiter. Er schien zu verstehen, dass ich in der Klemme steckte, doch er tat etwas, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er hob die Hand und stieß einen Ruf aus.
Die beiden Männer entdeckten ihn sofort.
»Ach, es ist nur unser kleiner Freund«, sagte Maloney und ließ die Waffe sinken. »Egomo, du hast Glück, dass du noch am Leben bist. Noch einen Moment länger, und ich hätte geschossen. Du solltest dich nicht immer so anschleichen.«
Sixpence murmelte: »Er versteht doch nicht, was du sagst.«
»Stimmt auch wieder. Na ja, egal. Wie ich sehe, hast du deine Armbrust wiedergefunden. Egomo, du bist jetzt wieder ein großer Jäger, habe ich Recht? Ich habe übrigens auch so eine Waffe, nur etwas größer. Soll ich sie dir bei Gelegenheit mal zeigen? Klar soll ich.« Er klopfte mit der Hand auf den Platz neben sich. »Komm, mein Freund, setz dich zu uns, in den Kreis der anderen großen Jäger.«
Sein darauf folgendes Gelächter deckte meinen Rückzug.
W ie in diesen Breiten üblich, brach die Nacht mit überraschender Schnelligkeit herein. Von einem Augenblick zum nächsten wurde es so dunkel, als habe jemand ein großes Tuch über den Himmel geworfen. Die Sterne wurden sichtbar, und mit ihnen kamen die Geräusche der Nacht. Das Quaken der Frösche, das Klagen einer Eule und das dumpfe Grunzen eines Flusspferdes, das sich im Uferschlamm wälzte.
Wir saßen versammelt um die Reste eines riesigen, schwarzen Welses, der, aufgespießt auf einem Stock, über dem Lagerfeuer brutzelte. Den Fang hatten wir Maloney und Egomo zu verdanken, die den späten Nachmittag im Boot verbracht hatten, während Sixpen-ce und ich Elieshi bei der Auswertung der Infraschallaufzeichnungen halfen. Maloney hatte etwas Ruhe und Abgeschiedenheit gebraucht, und so war er zusammen mit Egomo hinaus aufs Wasser gefahren. Der Pygmäe war zwar zunächst misstrauisch gewesen. Offensichtlich war der Umgang mit Booten seinem Volk fremd, doch die Aussicht, einem anderen Jäger bei der Arbeit zuzusehen, hatte ihn überzeugt. Egomos scharfe Augen und Maloneys geübter Umgang mit dem Speer hatten einander gut ergänzt: Nach einiger Zeit kamen sie mit dem Wels zurück, der gut und gerne 1,20 Meter maß.
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