Im Inneren ihres Zeltes war es vollkommen dunkel, aber die Bewegung, die ich hinter dem dünnen Stoff wahrnahm, sagte mir, dass sie sich schrecklich hin und her wälzen musste. Ich trat näher und wollte gerade an der gebogenen Stange ihrer Zeltkuppel rütteln, da hörte ich etwas, das so gar nicht ins Bild passen wollte: das schwere Atmen eines Mannes und gleich darauf ein leises Stöhnen.
Wie versteinert stand ich eine Weile im Regen, dann trat ich den Rückzug an. Als ich den Reißverschluss hinter mir zuzog, wurde mir die volle Tragweite meiner Entdeckung bewusst. Ich hatte zwei Stimmen gehört, einen Mann und eine Frau.
Elieshi und Maloney.
Montag, 15. Februar
A ufstehen! Machen Sie die Augen auf, mein junger Freund, es ist Zeit.«
Es war, als riefe mich eine Stimme aus den Tiefen des Schlafes, eine Stimme, die mir nur allzu vertraut war und die mich verfolgte, ob ich nun schlief oder wachte. »Aufstehen, Sie Faulpelz. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Ich schlug die Augen auf und sah Maloney vor meinem geöffneten Zelt stehen. Breitbeinig, in einen Taucheranzug gezwängt und sprühend vor Tatendrang.
»Müssen Sie mich so grausam wecken«, stöhnte ich. »Es ist doch noch nicht mal ...«, ich starrte auf meine Uhr, »... halb zehn? Ist das wirklich wahr?«
»Allerdings. Wir warten seit zwei Stunden auf Sie. Was treiben Sie denn die ganze Nacht, dass Sie morgens nicht aus den Federn kommen?«
Schlagartig fiel mir ein, was ich vor wenigen Stunden gehört und gesehen hatte, und ich schwieg betreten. Maloney schien mein Unbehagen nicht zu bemerken. Augenscheinlich war er glänzender Laune. Ganz im Gegensatz zu den restlichen Mitgliedern des Teams.
Ich war zwar noch müde, aber doch wach genug, um zu erkennen, dass sich etwas verändert hatte. Die hektische Betriebsamkeit von Sixpence und Elieshi konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der sprichwörtliche Haussegen schief hing. Die beiden arbeiteten an entgegengesetzten Enden des Lagers, wobei sie jeden Blickkontakt vermieden.
Mein Blick verdüsterte sich. Welche Folgen mochte das Techtelmechtel zwischen Elieshi und Maloney haben? Mich ärgerte ihr Leichtsinn, denn dieses Verhalten barg unkalkulierbare Risiken für den Zusammenhalt der Gruppe. Natürlich war ich erstaunt, dass Elieshi sich nach den Erlebnissen der letzten Nacht dem Australier gegenüber so reserviert verhielt. Eigentlich hatte ich stürmische Liebesbekundungen erwartet. Ging sie nur aus Rücksichtnahme Sixpence gegenüber auf Distanz zu ihrem Lover, oder hatte sie etwa gemerkt, dass dessen Gefühle nur geheuchelt waren? Hoffentlich, denn das würde die Lage entschärfen. Doch wenn ich ehrlich war, musste ich eingestehen, dass mich dieses Wechselbad der Gefühle nur verwirrte. Ich war ebenso ahnungslos wie Egomo, der in der Nähe des Lagerfeuers kauerte und an den Resten des Abendessens knabberte.
»Bin gleich so weit«, murmelte ich, schlüpfte in meine Schuhe und verzog mich, mit einer Klopapierrolle bewaffnet, ins Unterholz. Als ich zurückkehrte, hatte sich meine Müdigkeit gelegt. Ich fühlte mich stark genug für eine Konfrontation. Und die würde es geben, daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel.
»Darf ich mal kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«, rief ich in die Runde. »Ich habe Ihnen etwas mitzuteilen.«
Maloney runzelte die Stirn. »Mr. Astbury, was soll denn das jetzt werden? Schon wieder ein Plauderstündchen?«
»Es ist wichtig, glauben Sie mir«, fuhr ich unbeirrt fort, als ich sah, dass die anderen interessiert näher kamen. »Es handelt sich um das Tagebuch des Sergeanten Matubo. Ich habe darin einige interessante Dinge gelesen, über die ich Sie unbedingt informieren muss, ehe wir etwas Falsches unternehmen. Das Wichtigste ist, dass ich auf eine neue Spur von Emily Palmbridge gestoßen bin. Offenbar hat sie nach ihrer Flucht vor dem Ungeheuer im Grasland die Reste einer alten Stadt entdeckt. Im Bericht ist von einer Siedlung die Rede, die sich über mehrere Quadratkilometer erstreckt.«
»Das ist doch Unsinn«, sagte Maloney. »Ich habe sämtliche Berichte über diese Gegend ausgiebig studiert, und alle waren sich einig, dass es hier höchstens ein paar alte Felder gegeben hat. Anderenfalls hätten wir auch vom Flugzeug aus etwas sehen müssen. Ganz zu schweigen von den anderen Teams, die dieses Gebiet schon vermessen und kartografiert haben.«
Ich hob die Hand. »Warten Sie. Diese Stadt, oder was immer es ist, wurde nach ihrer Zerstörung vor ewigen Zeiten offenbar bis zur Unkenntlichkeit von Schlamm und Erde bedeckt. Das Einzige, was von ihr heute noch sichtbar ist, da haben Sie Recht, Mr. Maloney, sind diese merkwürdig regelmäßigen Strukturen im Gras, die wir in der Tat vom Flugzeug aus gesehen haben und deren Existenz schon vielfach beschrieben wurde. Da diese Gegend einst intensiv bewirtschaftet wurde, nahm man fälschlicherweise an, es seien Gemarkungsgrenzen, also die Ränder alter Felder. Dass es sich um den Grundriss einer Stadt handeln könnte, daran dachte man offenbar nicht. Die Soldaten jedoch haben die Bedeutung des Fundes sofort erkannt, wie aus den Einträgen im Tagebuch unschwer herauszulesen ist.« Ich hob das Buch und atmete tief durch, denn jetzt kam der schwerste Teil. »Ich schlage Ihnen also vor, die Jagd nach Mokele m'Bembe erst mal ruhen zu lassen und uns in den Ruinenfeldern auf die Suche nach Emily zu machen. Sie ist der Schlüssel zu unserem Auftrag, und wenn sie noch am Leben ist, können wir uns den Rest vielleicht sparen.«
»Sie ist tot, Mann«, sagte Maloney, und ein bedrohlicher Unterton schwang in seiner Stimme mit. »Asche und Staub. Wann werden Sie das endlich begreifen?« Er beugte sich vor, und sein Gesicht näherte sich meinem bis auf wenige Zentimeter. »Sie müssen sich endlich von der Vergangenheit lösen, und auf die Gegenwart konzentrieren. Ist das bei Ihnen angekommen? Wir drei werden wie geplant in der Mitte des Sees tauchen. Ende der Diskussion.«
»Sie machen einen Riesenfehler«, schnappte ich zurück. »Sie sehen immer nur das, was Sie sehen wollen. So war es schon im Lager der Soldaten, und jetzt begehen Sie denselben Fehler schon wieder. Irgendwann wird Sie Ihre Ignoranz das Leben kosten.«
Er lächelte kalt. »Bisher bin ich gut damit gefahren.
Ich habe mich immer auf meine Intuition verlassen, und ich werde es noch tun, wenn ich alt und grau bin. Daran werden Sie nichts ändern und auch sonst niemand in dieser Gruppe.« Der Blick, den er Sixpence dabei zuwarf, sprach Bände. »Und jetzt habe ich keine Lust mehr auf dieses weibische Wortgeplänkel. An die Arbeit!«
Maloney stapfte ungehalten zum Schlauchboot.
»Das kann doch nicht wahr sein«, murmelte ich. »Er kann doch eine solch wichtige Entdeckung nicht einfach außer Acht lassen.«
»Er kann«, entgegnete Sixpence mit einem gequälten Lächeln, »und er wird. Aber das sollte die Bedeutung Ihrer Entdeckung nicht schmälern. Nehmen Sie es ihm nicht übel, aber für ihn ist es eine Sache der Prioritäten, verstehen Sie? Er will jetzt auf die Jagd gehen, und nichts kann ihn davon abhalten. Aber was Sie betrifft ...«, er legte mir seine Hand auf die Schulter, »... Sie brauchen nicht mitzumachen, wenn Sie nicht wollen. Es ist ein riskantes Unternehmen. Niemand kann Sie zwingen, uns zu begleiten. Nicht mal er«, fügte er mit einem Kopfnicken in Maloneys Richtung hinzu.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich möchte es aber. Erstens, weil ich nicht als Feigling dastehen will, und zweitens, weil ich das erste Mal in meinem Leben das Gefühl habe, etwas wirklich Wichtigem auf der Spur zu sein. Etwas Unerklärlichem, Rätselhaftem.«
»Aus Ihnen wird doch noch ein Abenteurer. In den wenigen Tagen, die wir uns kennen, haben Sie sich ganz schön verändert. Und das meine ich durchaus po-sitiv.« Er lächelte mich an. »So, und jetzt widmen wir uns mal Ihrem Taucheranzug.«
Читать дальше