Schweigsam stieg ich in den Neoprenanzug, während mir der Aborigine beim Anlegen der Flaschen half.
»Wahrscheinlich bräuchten wir den Anzug gar nicht«, sagte er. »Das Wasser ist an der Oberfläche sechsundzwanzig Grad warm, aber wer weiß, wie tief wir runter müssen. Außerdem bieten die Anzüge einen guten Schutz vor Verletzungen und Parasiten. Von denen gibt es hier ein paar hässliche Exemplare. Haben Sie schon einmal mit einer Flasche getaucht?«
»Mein Vater hat mich mal mitgenommen. Außerdem habe ich vor einigen Jahren meine Kenntnisse in einem Tauchkurs aufgefrischt. Ich glaube, die Grundlagen sitzen noch.«
»Ist ja bestens. Ich werde Ihnen das Gemisch vorher einstellen, und wenn Sie Probleme haben sollten, melden Sie sich einfach. Die Helme sind mit Mikrofonen ausgestattet. Wir stehen also in dauerndem Funkkontakt.«
»Werden wir tief tauchen, was meinen Sie?«, fragte ich.
»Möglich. In einigen Berichten steht, dass die Wassertiefe nur etwa zwei Meter beträgt, aber das glaube ich nicht. Dann müsste das Wasser bedeutend wärmer sein. Und wenn hier wirklich eine Kolonie von diesen Biestern lebt, wie Elieshi behauptet, dann muss der See sehr viel tiefer sein, als man bisher angenommen hat. Aber wie tief er wirklich ist . «, er zuckte mit den Schultern. »Wir werden auf jeden Fall langsam abstei-gen, um Ihnen Gelegenheit zum Druckausgleich zu geben. Sind Sie bereit?«
Ich nickte, und er setzte mir den Helm auf den Kopf. Es gab ein schnappendes Geräusch, dann herrschte Stille. Nur die eigenen Atemgeräusche drangen an mein Ohr. Ich hörte ein Rauschen und Knacken, dann erklang Sixpence' Stimme. »Mein Headset ist eingeschaltet und betriebsbereit. Können Sie mich verstehen?«
»Laut und deutlich«, erwiderte ich. »Wie sieht's bei Ihnen aus?«
»Alles bestens. Testen wir unsere Helmlampen. Der Schalter ist an der Kinnpartie.«
»Ihre leuchtet hell und klar.«
»Ihre auch. Schalten Sie sie aber nur im Notfall ein. Die Birne frisst viel Strom, und den brauchen wir dringend für die Funkverbindung.« Mit diesen Worten drehte er sich um und marschierte voraus. Ich befestigte noch schnell den Geigerzähler an meinem Handgelenk, dann folgte ich ihm.
Elieshi folgte uns in Egomos Begleitung bis zum Ufer, und ich konnte ihrem angespannten Gesichtsausdruck ansehen, was sie von der ganzen Sache hielt. Stewart Maloney hatte bereits das Boot flottgemacht und stand hüfttief im Wasser. Ich sah, wie er den Traumfänger anlegte und ihn, nachdem er ihn kurz mit den Lippen berührt hatte, unter den Neoprenanzug stopfte. Sixpence und ich kämpften uns durch einen dicken Teppich von Seerosen und Algen, ehe wir ihn erreichten.
»Na, es geht doch, Mr. Astbury«, begrüßte er mich. »Dann mal hinein in die gute Stube.« Er gab mir einen kleinen Stoß, der mich ins Boot beförderte, worauf ich im Gegenzug ihm und Sixpence beim Einsteigen half. Maloney startete den Außenbordmotor. Mir blieb kaum Zeit, den Zurückgebliebenen zuzuwinken, da nahm das Boot Fahrt auf und trug uns hinaus auf den See.
Das Ufer entfernte sich langsam und mit ihm das letzte Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Es mag merkwürdig klingen, aber mir kam es so vor, als hätten wir mit dem Verlassen des Festlands eine unsichtbare Grenze überschritten. Eine Grenze, die unsere Welt von der des Kongosauriers trennte. Ab jetzt befanden wir uns auf feindlichem Terrain.
Mein Blick fiel auf die Waffen, die Maloney mitgenommen hatte. Ein Schnellfeuergewehr, eine Armbrust und zwei Harpunen. Eine davon sah sehr seltsam aus.
»Was ist denn das«, fragte ich und deutete auf den verdickten Pfeil. Der Jäger sah mich an, und ich glaubte ein Lächeln hinter dem Glas zu erkennen. »Erinnern Sie sich noch an das, was ich Ihnen gesagt habe? Dass jede Jagd ihre eigenen Waffen erfordert? Diese Harpune verfügen über einen besonderen Pfeil, eine Spezialanfertigung vonPGE.«
»Was für ein Pfeil?«
»Er wird Ihnen gefallen. Er wird lediglich die oberste Hautschicht des Reptils durchdringen, ihm dabei eine kleine Wunde verpassen und sich mit Gewebe füllen. Danach verschließt er sich automatisch und kann von uns wieder eingeholt werden. Mokele wird davon kaum etwas merken.«
»Und die anderen Waffen?«
»Six' wird eine Harpune mit Giftpfeilen bei sich führen. Ein sehr effizientes Nervengift, dass selbst einen Brocken wie Mokele in wenigen Sekunden lähmt. Sie dienen aber nur zu unserer Verteidigung. Für den Fall, dass das Biest ungezogen wird. Aber machen Sie sich keine Gedanken. Wir werden hier wieder verschwunden sein, ehe er merkt, was überhaupt geschehen ist. Das freut Sie doch sicher, nicht wahr?«
Ich beobachtete ihn stumm, während sein Blick hinaus aufs Wasser glitt. »Ich habe nie behauptet, dass ich Mo-kele töten werde, Mr. Astbury«, fuhr er fort. »Ich habe lediglich gesagt, dass ich es gern tun würde. Aber ich bin mir stets im Klaren darüber gewesen, dass dies ein scharf umrissener Auftrag ist. Genprobe entnehmen, Emily finden und dann nichts wie weg von hier. That's all.« Er sah mich mit seinen grünen Augen durchdringend an. »Was natürlich nicht ausschließt, dass ich nicht irgendwann noch einmal zurückkehren werde.«
Wir fuhren noch eine Weile, dann nahm Maloney seine Hand vom Gas, griff in seine Ausrüstungstasche und beförderte ein stabförmiges Gebilde heraus. »Keine Sorge«, sagte er, als er meinen besorgten Blick bemerkte, »ist nur ein Entfernungsmessgerät.« Er peilte durch ein kleines Okular und visierte verschiedene Punkte am Ufer an.
»Wir müssen noch etwa einhundertfünfzig Meter in diese Richtung fahren«, entschied er und deutete nach Nordwesten. Sixpence übernahm das Steuer und fuhr in die angegebene Richtung. Die Sonne stand mittlerweile fast senkrecht und brannte auf uns herab. Die Hitze fing an, sich durch den Helm und das schwarze Ne-opren zu fressen, so dass ich mir vorkam wie ein Braten, der im eigenen Saft schmort.
Maloney wies Sixpence an, das Boot zu stoppen, nahm noch eine weitere Peilung vor und schaltete dann den Motor ab.
»In Ordnung, das wär's. Das ist die Stelle.« Er griff nach der großen Harpune, während Sixpence sich die kleinere schnappte.
»Und was soll ich nehmen?«, erkundigte ich mich. »Mit Waffen kenne ich mich nicht aus.«
»Sie werden unsere Jagd dokumentieren. Und zwar hiermit.« Er reichte mir seine wasserdicht verpackte Digitalkamera. »Halten Sie sich etwas auf Abstand, aber bleiben Sie so dicht dran, dass Sie auch wirklich alles aufs Bild bekommen. Ich möchte die Aufnahmen später auswerten.«
»Wird es dort unten nicht zu dunkel sein?«
»Die Kamera ist äußerst lichtstark, aber abgesehen davon schaltet sich automatisch der Blitz hinzu, wenn das Licht nachlässt. Alles bereit? Gut, dann lassen Sie uns tauchen.«
*
Egomo stand neben Elieshi und blickte hinaus aufs Wasser. Er konnte sich immer noch nicht erklären, warum David mit den anderen Männern hinaus aufs Wasser gefahren war. War er sich der Gefahr, die da draußen lauerte, denn nicht bewusst? Hatte er denn noch nicht genug Beweise für die vernichtende Kraft Mokeles gesehen? Mussten sie ihn jetzt auch noch provozieren, indem sie in sein Reich eindrangen? Und dann noch in dieser lächerlichen Montur, mit schweren Eisenstangen auf dem Rücken und Töpfen auf dem Kopf. Wozu diente das alles, und was war das überhaupt für ein Material, aus dem diese Anzüge gemacht waren? Sie nannten es Gummi, aber es ähnelte eher der Haut von Wasserschlangen. Er geriet ins Grübeln. Wasserschlangen! War es möglich, dass die Männer vorhatten ...? Nein, niemand konnte so dumm sein. Er tippte die Frau an. Sie schien mit ihren Gedanken woanders zu sein. Er musste lächeln, als er daran dachte, dass sie die Nacht mit dem großen Weißen verbracht hatte. Ob sie in ihn verliebt war? Er tippte sie noch einmal an, und diesmal bemerkte sie ihn.
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