Mit der unverletzten Rechten schöpfte ich Wasser in einen Eimer (den Topf mit zwei Händen zu kippen, um etwas Wasser abzugießen, kam nicht infrage), dann warf ich ein Stück von Arlettes grober brauner Waschseife hinein. Das letzte Stück, wie sich zeigte; es gibt so viele Vorräte, die ein Mann zu besorgen vergisst, wenn er darin keine Erfahrung hat. Ich warf einen Putzlappen dazu, dann ging ich damit ins Schlafzimmer, kniete mich wieder hin und machte mich daran, das Blut und die Eingeweide aufzuwischen. Dabei musste ich (verständlicherweise) die ganze Zeit an das letzte Mal denken, als ich Blut vom Fußboden dieses verdammten Schlafzimmers aufgewischt hatte. Damals war wenigstens Henry bei mir gewesen, um das Grausen Der Glöckner von Notre Dame denken.
Als ich mit der Arbeit fast fertig war, hielt ich inne und legte den Kopf schräg: mit angehaltenem Atem, die Augen weit aufgerissen, mein Herz scheinbar in der verletzten Hand pochend. Ich hörte ein trippelndes Geräusch, das aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen schien. Das Geräusch laufender Ratten. In diesem Augenblick war ich mir meiner Sache ganz sicher. Die Ratten aus dem Brunnen. Ihre treuen Gefolgsleute. Sie hatten einen anderen Weg nach draußen gefunden. Die eine auf der Hutschachtel war nur die erste und kühnste gewesen. Sie waren ins Haus eingesickert, sie waren in den Wänden und würden bald herauskommen und mich überwältigen. Arlette würde ihre Rache bekommen. Ich würde sie lachen hören, während sie mich in Stücke rissen.
Ein jäher Windstoß ließ das Haus erzittern und heulte um die Giebel. Das Trippeln wurde lauter, dann klang es etwas ab, als der Wind nachließ. Die Erleichterung, die mich erfüllte, war so intensiv, dass sie die Schmerzen übertönte (zumindest einige Sekunden lang). Das waren keine Ratten; das war Schneeregen. Mit Einbruch der Dunkelheit war es kälter geworden, und die Regentropfen waren halb gefroren. Ich machte mich wieder daran, die Spuren wegzuschrubben.
Als ich fertig war, kippte ich das blutige Putzwasser übers Verandageländer und ging dann in den Stall zurück, um frische Salbe auf meine Hand aufzutragen. Da die Wunde jetzt völlig sauber war, konnte ich sehen, dass das Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger drei offene Schlitze aufwies, die wie die Streifen eines Sergeanten aussahen. Der Daumen hing kraftlos herab, als hätten die Rattenzähne Sie tut weh, aber sie ist wenigstens sauber. Achelois hat sich bald erholt; du wirst dich auch bald erholen. Alles in bester Ordnung. Ich versuchte mir vorzustellen, wie die Abwehrmechanismen meines Körpers mobilmachten und wie winzige Feuerwehrleute mit roten Helmen und in langen Schutzmänteln an der Bissstelle eintrafen.
Unten im Schmerzensschrank fand ich in einen Fetzen Seide eingewickelt, der früher Teil eines Damenschlüpfers gewesen sein mochte, ein Fläschchen mit Pillen aus dem Drugstore in Hemingford Home. Jemand hatte das Etikett mit einem Füller in sauberen Großbuchstaben beschriftet: ARLETTE JAMES - Jeweils 1-2 vor dem Schlafengehen gegen Monatsbeschwerden.Ich nahm drei davon und spülte sie mit einem großen Whiskey hinunter. Ich weiß nicht, was die Pillen enthielten - Morphium, nehme ich an -, aber sie wirkten. Der Schmerz war noch da, aber er schien einem Wilfred James zu gehören, der auf irgendeiner anderen Lebensebene zu existieren schien. Ich fühlte mich benommen; die Zimmerdecke über mir schien sich langsam zu drehen; das Bild von den winzigen Feuerwehrleuten, die eintrafen, um das Feuer der Infektion zu löschen, bevor es sich ausbreiten konnte, wurde deutlicher. Der Wind frischte auf, und für meinen benommenen Verstand klang das ständige halblaute Prasseln des Schneeregens auf dem Haus rattenähnlicher als je zuvor, aber ich wusste es besser. Ich glaube, ich sagte sogar laut: »Ich kenne mich aus, Arlette, mich kannst du nicht täuschen.«
Als ich allmählich das Bewusstsein verlor und wegzudämmern begann, wurde mir klar, dass dies endgültig sein könnte: dass die Kombination aus Schock, Alkohol und Morphium mein Leben beenden könnte. Ich würde in
Während ich schlief, wurde der Schneeregen zu Schnee.
Als ich am folgenden Morgen bei Tagesanbruch aufwachte, war das Haus grabeskühl, und meine Hand war aufs Doppelte ihrer gewöhnlichen Größe angeschwollen. Das Fleisch um die Bisse herum war aschgrau, aber Daumen und Zeigefinger hatten sich mattrosa verfärbt und würden bis zum Abend dunkelrot werden. Jede Berührung der Hand außer dem kleinen Finger verursachte Marterqualen. Trotzdem bandagierte ich sie, so eng ich konnte, was immerhin das schmerzhafte Pochen verringerte. Ich machte im Küchenherd Feuer - mit nur einer Hand war das nicht einfach, aber ich schaffte es - und kroch dann fast in ihn hinein, damit mir warm wurde. Das heißt, bis auf die verletzte Hand; dieser Teil meines Körpers war schon warm. Warm und pulsierend, als trüge ich einen Handschuh mit einer darin versteckten Ratte.
Am frühen Nachmittag war ich fiebrig, und die verletzte Hand schwoll so stark an, dass ich die Bandage etwas lockern musste. Allein das ließ mich vor Schmerzen aufschreien. Ich brauchte einen Arzt, aber es schneite stärker denn je, und ich würde es nicht einmal bis zu den Cotteries schaffen - und erst recht nicht allein bis nach Hemingford Home. Selbst wenn der Tag klar und hell und trocken gewesen wäre … wie hätte ich den Motor des Lastwagens oder des T mit nur einer Hand ankurbeln sollen? Ich hockte in der Küche, legte Holz nach, bis der Herd wie ein Drache röhrte, schwitzte ganze Wasserströme aus, zitterte zugleich vor Kälte, hielt die verletzte Hand an die Brust und erinnerte mich daran, wie die freundliche Mrs. McReady meinen Haben Sie einen Telephonapparat, Mr. James? Wie ich sehe, haben Sie keinen.
Nein, ich hatte keinen. Ich war allein auf der Farm, für die ich gemordet hatte, und konnte keine Hilfe bekommen oder auch nur anfordern. Ich konnte sehen, wie das Fleisch rot zu werden begann, wo die Bandage aufhörte: am Handgelenk, das voller Blutgefäße war, die das Gift in meinen ganzen Körper transportieren würden. Die Feuerwehrleute hatten versagt. Ich überlegte, ob ich meine Hand mit Gummibändern abbinden sollte - die linke Hand opfern, um den restlichen Körper zu retten. Oder sollte ich sie sogar mit dem Beil amputieren, mit dem wir Feuerholz machten und gelegentlich einem Huhn den Kopf abhackten? Beide Ideen erschienen mir völlig plausibel, aber auch viel zu anstrengend. Letztlich humpelte ich nur nochmals zu dem Schmerzensschrank mit Arlettes Pillen hinüber. Ich schluckte weitere drei, diesmal mit kaltem Wasser - meine Kehle brannte -, dann setzte ich mich wieder ans Feuer. Ich würde an dem Biss sterben. Davon war ich überzeugt, und ich hatte mich damit abgefunden. In der Prärie waren Bisse und Infektionen eine alltägliche Todesursache. Wenn die Schmerzen unerträglich wurden, würde ich die restlichen Pillen auf einmal schlucken. Was mich daran hinderte, es gleich zu tun - außer die Angst vor dem Tod, die wohl jeder von uns mehr oder weniger empfindet -, war die Möglichkeit, dass jemand vorbeikommen konnte: Harlan oder Sheriff Jones oder die freundliche Mrs. McReady. Denkbar war sogar, dass Rechtsanwalt Lester aufkreuzte, um mir erneut eine Standpauke wegen dieser gottverdammten 40 Hektar zu halten.
Am meisten hoffte ich jedoch, Henry werde zurückkommen. Was aber nicht der Fall war.
Es war Arlette, die zu mir kam.
Sie haben sich vielleicht gefragt, woher ich von der Pistole weiß, die Henry in dem Pfandhaus in der Dodge Street gekauft hatte, und von dem Bankraub in der Jefferson Street. Dann haben Sie sich vermutlich gesagt: Na ja, zwischen 1922 und 1930 liegt eine lange Zeit; mehr als genug, um viele Einzelheiten in einer Bibliothek nachzulesen, in der vollständige Jahrgänge der Zeitung World-Herald aus Omaha stehen.
Читать дальше