35, 35, 35.
Über das Geld, das er für die Privatlehrerin haben wollte, dachte ich die ganze restliche Woche und auch übers Wochenende nach. Manchmal holte ich die beiden Scheine hervor - ich hatte sie glattgestrichen, aber die Kniffe blieben - und studierte sie. Am Sonntagabend stand mein Entschluss fest. Ich sagte Henry, er müsse am Montag mit dem Model T in die Schule fahren; ich müsse nach Hemingford Home fahren und mit Mr. Stoppenhauser in der Bank über einen Kurzkredit reden. Über einen Kleinkredit. Nur 35 Dollar.
»Wofür?« Henry saß am Fenster und starrte missmutig aufs Westfeld hinaus.
Ich sagte es ihm. Ich dachte, das würde zu einem weiteren Streit wegen Shannon führen, den ich mir in gewisser Weise sogar wünschte. Er hatte die ganze Woche nicht von ihr gesprochen, obwohl ich wusste, dass Shan fort war. Mert Donovan hatte es mir erzählt, als er vorbeikam, um eine Ladung Saatmais abzuholen. »Ist jetzt in irgendeinem
Wenn ich wusste, dass sie fort war, wusste Henry es auch - vermutlich schon vor mir, Schulkinder tratschen nun einmal hemmungslos. Aber er hatte nichts gesagt. Ich versuchte wohl, ihm einen Grund dafür zu liefern, allen Schmerz und alle Vorwürfe herauszulassen. Das würde nicht angenehm sein, aber auf Dauer konnte es sich als Wohltat erweisen. Man sollte kein Geschwür auf der Stirn oder im Gehirn dahinter schwären lassen. Wenn man das einmal zulässt, kann die Infektion sich gefährlich ausbreiten.
Als er meine Mitteilung nur mit einem Grunzen quittierte, beschloss ich, etwas energischer nachzufassen.
»Wir beide werden uns die Rückzahlung teilen«, sagte ich. »Sollten wir den Kredit bis Weihnachten tilgen, kommt er auf nicht mehr als 38 Dollar. Das sind 19 für jeden. Deinen Anteil ziehe ich dir von deinem Arbeitslohn ab.«
Das würde bestimmt einen Wutanfall provozieren, dachte ich … aber es bewirkte nur ein weiteres mürrisches Grunzen. Er diskutierte nicht einmal darüber, dass er mit dem T in die Schule fahren sollte, obwohl das Ding kaum 25 Meilen die Stunde schaffte und seine Mitschüler darüber spotteten, wie er sagte, und es »Hanks Arschbrecher« nannten.
»Sohn?«
»Was?«
»Alles in Ordnung mit dir?«
Er wandte sich mir zu und lächelte - zumindest verzog er die Lippen. »Mir geht’s gut. Viel Glück morgen auf der Bank, Papa. Ich geh jetzt ins Bett.«
Als er aufstand, fragte ich ihn: »Gibst du mir einen Gutenachtkuss?«
Er küsste mich auf die Wange. Es war das letzte Mal.
Er ratterte mit dem Arschbrecher in die Schule, und ich fuhr mit dem Lastwagen nach Hemingford Home, wo Mr. Stoppenhauser mich nach nur fünf Minuten Wartezeit in sein Büro holte. Ich erklärte ihm, was ich brauchte, sagte aber nicht, wofür, und gab nur persönliche Gründe an. Ich glaubte, bei einem so lächerlichen Betrag nicht ins Detail gehen zu müssen, und behielt recht. Als ich jedoch fertig war, faltete er die Hände auf seiner Schreibunterlage und musterte mich fast väterlich streng. In der Ecke zählte eine Standuhr leise tickend Zeitsegmente ab. Von der Straße drang - erheblich lauter - das Knattern eines Motors herein. Es verstummte, danach folgte eine Pause, bevor ein weiterer Motor ansprang. War das mein Sohn, der erst mit dem Model T ankam und dann meinen Lastwagen klaute? Das lässt sich im Nachhinein nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich glaube, dass es so war.
»Wilf«, sagte Mr. Stoppenhauser, »Sie haben etwas Zeit gehabt, darüber hinwegzukommen, dass Ihre Frau sich heimlich davongemacht hat - entschuldigen Sie, dass ich ein schmerzhaftes Thema anspreche, aber es scheint relevant zu sein, und außerdem ist das Büro eines Bankiers ein bisschen wie ein Beichtstuhl -, deshalb will ich Ihnen wie ein guter Onkel ernsthaft ins Gewissen reden.«
Diese Redewendung kannte ich - wie wohl die meisten seiner Kunden -, und ich reagierte mit dem pflichtbewussten Lächeln, das sie hervorrufen sollte.
»Leiht die Home Bank & Trust Ihnen 35 Dollar? Aber sicher! Ich wäre versucht, die Sache unter uns zu regeln und Ihnen den Betrag persönlich zu leihen, aber ich habe nie mehr Bargeld in der Tasche, als ich fürs Mittagessen im Aber! « Er hob den Zeigefinger. »Sie brauchen keine 35 Dollar.«
»Leider doch.« Ich fragte mich, ob er wusste, wofür. Das war immerhin denkbar; er war wirklich ein listiger alter Kauz. Aber das war Harl Cotterie auch, und Harl war in diesem Herbst zudem ein beschämter alter Kauz.
»Nein, die brauchen Sie nicht. Sie brauchen 750, so viel brauchen Sie, und die könnten Sie auf der Stelle haben. Als Kontogutschrift oder in der Tasche, wenn Sie hinausgehen, mir ist eines so recht wie das andere. Die Hypothek auf Ihre Farm haben Sie vor 3 Jahren getilgt. Sie sind schuldenfrei. Also gibt’s absolut keinen Grund, weshalb Sie nicht zu uns kommen und eine neue Hypothek aufnehmen sollten. Es gibt keinen Grund, eine zweite aufzunehmen, wenn die erste restlos getilgt ist, sagen Sie? Das wird dauernd gemacht, mein Junge, und von den besten Leuten. Sie würden staunen, wer alles in unseren Büchern steht. Wirklich die besten Leute. Jawohl.«
»Ich danke Ihnen sehr, Mr. Stoppenhauser, aber das möchte ich lieber nicht. Diese Hypothek hat die ganze Zeit wie eine graue Wolke über mir gehangen, und…«
»Wilf, das ist der springende Punkt !« Der Zeigefinger kam wieder hoch. Diesmal bewegte er sich hin und her wie das Pendel der Standuhr. »Genau das ist der entscheidende Punkt ! Es sind die Leute, die eine Hypothek aufnehmen und dann das Gefühl haben, ständig im Sonnenschein zu spazieren, die zuletzt in Verzug geraten und ihren wertvollen Besitz verlieren! Leute wie Sie, die solche Bankschulden wie eine Ladung Steine an einem trüben Tag herumschleppen, das sind die Leute, die immer pünktlich tilgen. Und wollen Sie mir etwa erzählen, auf der Farm gäbe es nichts
Ich dachte darüber nach. Schließlich sagte ich: »Die Versuchung ist sehr groß, Sir. Das will ich nicht leugnen…«
»Ist auch nicht nötig. Ein Bankiersbüro, der Beichtstuhl eines Geistlichen - sehr wenig Unterschied. Die besten Männer dieser County haben auf diesem Stuhl gesessen, Wilf. Die allerbesten.«
»Aber ich bin nur wegen eines Kurzkredits hier - den Sie mir freundlicherweise gewährt haben -, und über diesen neuen Vorschlag muss ich erst ein bisschen nachdenken.« Dann kam mir eine neue Idee, die überraschend erfreulich war. »Und ich sollte ihn mit meinem Jungen besprechen, mit Henry … oder Hank, wie er jetzt genannt werden will. Er kommt in das Alter, in dem er einbezogen werden muss, weil er eines Tages erben wird, was jetzt mir gehört.«
»Verstanden, völlig verstanden. Aber Sie können nichts Besseres tun, glauben Sie mir.« Er stand auf und streckte mir die Hand hin. Ich stand ebenfalls auf und schüttelte sie. »Sie sind hergekommen, um einen Fisch zu kaufen, Wilf. Ich bin bereit, Ihnen eine Angelrute zu verkaufen. Ein weit besserer Deal.«
»Danke.« Und als ich die Bank verließ, dachte ich: Ich werde es mit meinem Sohn besprechen. Das war ein guter Gedanke. Ein warmer Gedanke für ein Herz, dem seit Monaten fröstelte.
Der Verstand ist ein komisches Ding, nicht wahr? Ich war in Gedanken so mit der Hypothek beschäftigt, die Mr. Stoppenhauser
Ich blieb einen Augenblick so stehen: halb in dem T, halb draußen, eine Hand am Rahmen der Windschutzscheibe, die andere unter dem Sitz, unter dem ich die Kurbel aufbewahrte. Ich wusste vermutlich, warum Henry die Schule geschwänzt und diesen Tausch vorgenommen hatte, noch bevor ich seine Mitteilung unter dem improvisierten Briefbeschwerer herauszog und den Zettel auseinanderfaltete. Auf längeren Strecken war der Lastwagen zuverlässiger. Zum Beispiel auf einer Fahrt nach Omaha.
Papa,
ich habe den Lastwagen genommen. Du weißt wahrscheinlich, wohin ich will. Lass mich in Ruhe.
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