»Haben Sie auch einen Lageplan vom Hotel?«, fragte Truitt den Angestellten hinter der Theke.
Der Mann lächelte, holte einen Plan unter der Theke hervor und markierte ihren augenblicklichen Standort mit einem Filzstift. Truitt reichte dem Mann seine Schlüsselkarte.
»Wie komme ich zu meinem Zimmer?«, fragte er.
Der Angestellte zog die Karte durch einen Scanner und las die Angaben auf dem Bildschirm. Dann machte er ein paar Notizen auf dem Rand des Plans. »Nehmen Sie den River of Dreams bis zum Owl Canyon und steigen Sie beim Bergwerksschacht siebzehn aus dem Boot. Dann fahren Sie mit Fahrstuhl einundvierzig zu Ihrem Stockwerk hinauf.«
»Das klingt ja nicht allzu schwierig«, stellte Truitt fest, während er den Lageplan an sich nahm und die Schlüsselkarte wieder in die Tasche steckte.
»Dort entlang, Sir«, sagte der Angestellte.
Etwa dreißig Meter nach dem Informationsstand kam Truitt zu einem Geländer am Fluss, das zu einer Anlegestelle führte. Dort wartete eine Reihe Kanus auf Passagiere. An einem Kabel befestigt — wie zu einer Karusselfahrt — umkreisten die Kanus das Hotel auf einem Fluss ohne Anfang oder Ende. Truitt bestieg das erste in der Reihe und betrachtete die Kontrolltafel. Nachdem er Bergwerkschacht siebzehn auf dem Tastenfeld eingegeben hatte, lehnte er sich zurück und wartete einen Moment, bis sich das Kanu mit einem Ruck in Bewegung setzte. Es schipperte durch eine künstliche Schlucht mit steilen Felswänden.
Sobald das Kanu an seinem Bestimmungsort angehalten hatte, stieg er aus und ging weiter zu einer Reihe Fahrstühle. Er suchte die Kabine einundvierzig, fand sie und fuhr damit in sein Stockwerk hinauf. Dort verließ er den Lift und ging durch einen langen Korridor zu seinem Zimmer. Mit der Schlüsselkarte entriegelte und öffnete er die Tür.
Das Zimmer war im Stil einer Bergwerkstadt dekoriert und eingerichtet. Die Wände waren mit verwitterten Holzbrettern getäfelt und mit Blechbeschlägen verziert. Ein durchhängendes Regal mit alten Büchern und zerlesenen Romanen lehnte an der Wand. Auf der anderen Seite befand sich ein betagter Gewehrständer mit Attrappen von altertümlichen Winchestergewehren. Das schmiedeeiserne Bett verschwand unter einem Berg altmodischer Quilts. Truitt kam sich vor, als wäre er schlagartig in eine ferne Vergangenheit zurückversetzt worden.
Er trat zum Fenster, teilte die Vorhänge und blickte hinab auf Las Vegas, als wollte er sich davon überzeugen, dass die Welt draußen immer noch dieselbe war. Dann schloss er die Vorhänge wieder und ging ins Bad. Obwohl es ebenfalls auf alt dekoriert war, verfügte es über eine heiße Dusche und Bräunungslampen. Truitt spritzte sich Wasser ins Gesicht, um sich zu erfrischen, trocknete sich ab und kehrte dann ins Zimmer zurück, um Max Hanley anzurufen.
»Hickman könnte durchaus eine größere Sache planen«, sagte Richard Truitt, als Hanley sich meldete, »davon kann man auf jeden Fall ausgehen. Du würdest es nicht glauben, wenn du diesen Laden hier sehen könntest — der reinste Vergnügungspark, allerdings mit jeder Menge Spielautomaten.«
»Mike recherchiert ihm immer noch hinterher«, berichtete Hanley, »aber er ist ein absoluter Geheimniskrämer. Hast du dir schon was überlegt, wie du in sein Büro kommen willst?«
»Noch nicht, aber ich arbeite dran.«
»Sei bloß vorsichtig«, warnte Hanley. »Hickman ist sehr mächtig und einflussreich, und wir wollen keinen Ärger, falls sich herausstellen sollte, dass er mit der ganzen Affäre nichts zu tun hat.«
»Ich gehe so unauffällig wie möglich rein und wieder raus«, versprach Truitt.
»Viel Glück, Mr. Phelps«, sagte Hanley.
Truitt begann die Titelmelodie von Mission: Impossible vor sich hin zu summen, während er den Telefonhörer auflegte.
Er setzte sich an das Rollpult in seinem Zimmer und studierte die Hotelkarte und die Baupläne, die Hanley ihm in die Gulfstream gefaxt hatte, ehe sie gelandet waren. Dann duschte er, wechselte die Kleidung und verließ das Zimmer. Er fuhr mit dem Lift nach unten, bestieg ein Kanu und ließ sich zum Eingang schippern. Danach ging er hinaus und winkte ein Taxi herbei.
Nachdem er dem Fahrer sein Ziel genannt hatte, lehnte er sich zurück und ließ in Gedanken noch einmal seinen Plan Revue passieren.
Ein paar Minuten später stoppte der Taxifahrer vor dem höchsten Hotel in Las Vegas. Truitt bezahlte und stieg aus.
Dann betrat er das Foyer, kaufte eine Eintrittskarte und fuhr mit einem Expresslift zur Aussichtsplattform des Hotels hinauf. Das Panorama war atemberaubend. Las Vegas breitete sich in seiner gesamten Pracht unter ihm aus.
Truitt ließ sich einige Minuten lang von dem Anblick verzaubern, dann ging er hinüber zu einem der Ferngläser und warf eine Münze ein. Während die meisten anderen Touristen die leistungsstarken Ferngläser langsam von der einen Seite zur anderen führten, hielt Truitt sein Glas ausschließlich auf einen einzigen Punkt gerichtet.
Sobald er sich einen ausreichend gründlichen Eindruck verschafft hatte, fuhr Truitt mit dem Lift wieder nach unten, winkte einem anderen Taxi und kehrte zu Dreamworld zurück. Es war für sein Vorhaben noch ein wenig zu früh, daher begab er sich auf sein Zimmer und gönnte sich ein Nickerchen. Es war kurz nach Mitternacht, als er aufwachte. Mit Hilfe des kleinen Wasserkochers im Bad brühte er sich eine Tasse Kaffee auf, die er so schnell die Temperatur es erlaubte leerte, um endgültig wach zu werden. Dann rasierte er sich, duschte abermals und ging vom Bad in sein Zimmer.
Er holte ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Jeans aus seiner Reisetasche und schlüpfte in beide hinein. Außerdem befand sich in der Tasche ein Paar schwarzer Schuhe mit Gummisohlen, die er ebenfalls anzog. Er verstaute seine abgelegte Kleidung in der Reisetasche und rief den Dienst habenden Hausdiener an, um sie zum Eingang bringen zu lassen. Chuck Gunderson hatte den Auftrag, ihn in zehn Minuten abzuholen. Ehe er das Zimmer endgültig verließ, holte er noch eine seltsam ausgepolsterte Jacke aus der Reisetasche und hängte sie sich über die Schultern. Nach einer kurzen Bootsfahrt zur Hotelhalle betrat er das Spielkasino.
Scharen von Feriengästen, die meisten mit roten Augen, die vom Schlafmangel herrührten, besetzten die Plätze an den Spieltischen und vor den Spielautomaten. Selbst um diese späte Uhrzeit war das Kasino eine Geldmaschine. Er durchquerte es und erreichte die Mall innerhalb des Hotels. Die Mall war ein Dorado exzessiver Konsumgier. Fast fünfundsiebzig Markenläden und Boutiquen waren an einem kopfsteingepflasterten Wandelgang aufgereiht. Außer rund zwanzig Modedesignershops gab es Schuhläden, Juweliere, Restaurants und einen Buchladen. Truitt hatte immer noch ein wenig Zeit, daher betrat er den Buchladen und blätterte im neuesten Stephen-Goodwin-Roman. Goodwin, ein junger Autor aus Arizona, hatte während der letzten Monate die Bestsellerlisten angeführt. Truitt konnte jetzt kein Buch mitnehmen, nahm sich jedoch vor, den Roman zu kaufen, ehe er Las Vegas wieder den Rücken kehrte. Er verließ den Laden und setzte sich in ein Grillrestaurant, wo er sich eine Portion Spareribs und einen Eistee bestellte. Sobald er seine Mahlzeit verzehrt hatte, entschied er, dass es nun Zeit wurde zu handeln.
Hickmans Penthouse auf dem Dreamworld verfügte auf allen vier Seiten über geräumige Terrassen. Verschiebbare Glaswände gestatteten den Zutritt zu diesen Terrassen, die mit Gruppen sorgfältig gestutzter Bäume in großen Tonkübeln verziert waren. Gekrönt wurde das Penthouse von einer Pyramide mit einem immer noch wie neu aussehenden glänzenden Kupferdach. Winzige Punktstrahler beleuchteten die Bäume und das Pyramidendach.
Während Truitt mit dem Lift ins vorletzte Stockwerk hinauffuhr, rief er sich die Baupläne des Gebäudes ins Gedächtnis. Als die Fahrstuhltüren auf glitten, warf er einen vorsichtigen Blick in den Korridor und stellte fest, dass er leer und verlassen war. Er ging zum Ende des Flurs und kam zu einer weißen Stahlleiter, die an der Wand befestigt war. Truitt erstieg diese Leiter, die vor einer mit einem Vorhängeschloss gesicherten Tür endete. Er holte einen flachen Plastikstreifen aus der Tasche, schob den dünnen Stift ins Schloss und drehte einen winzigen Knopf am oberen Ende herum.
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