»Vorne oder hinten?«
»Vorne auf den Passagiersitz«, antwortete Bennett.
Der Angestellte hob die Kiste an und ging damit um das Heck der Cessna herum.
Cabrillo sah erneut auf die Anzeige. Die Nadel zeigte den höchsten Wert an. Er blickte von der Skala hoch und durch die Windschutzscheibe, während der Angestellte mit der Kiste um das Heck des Flugzeugs herumkam. Es war dieselbe Kiste, die Cabrillo für den Bruchteil einer Sekunde auf Grönland gesehen hatte.
Er trat aufs Gaspedal, während der Angestellte die Kiste ins Flugzeug hob und die Tür schloss.
Die Cessna kam ins Rollen und entfernte sich. Sie hatte einen beträchtlichen Vorsprung und machte Anstalten, auf die Startbahn abzubiegen, als Cabrillo mit seinem Smart die Höchstgeschwindigkeit erreichte. Er lenkte den Wagen mit den Knien, während er ins Holster unter seinem Arm griff. Mit der rechten Hand zog er eine Smith & Wesson Kaliber 50 heraus. Mit der linken Hand drehte er das Seitenfenster herunter.
Bennett hatte mittlerweile die Zufahrt zur Startbahn hinter sich und bog auf die breite Asphaltpiste ein. Ein Blick nach hinten zeigte ihm den Smart, der hinter ihm herraste. Für einen kurzen Augenblick ging ihm der Gedanke durch den Kopf, es könnte der Angestellte sein, der ihn aus irgendeinem Grund anhalten wollte. Doch dann beobachtete Bennett, wie sich eine Hand, die einen vernickelten Revolver hielt, aus dem Seitenfenster schob.
Bennett drückte den Fahrthebel nach vorne und nahm die Startbahn unter die Räder. Da er die Starterlaubnis bereits eingeholt hatte, beschleunigte er die Cessna. Es würde eine knappe Angelegenheit werden.
Cabrillo folgte der Cessna auf die Rollbahn und hängte sich an sie. Das Flugzeug nahm schnell Fahrt auf — es war offensichtlich, dass der Pilot keinen Gedanken daran verschwendete anzuhalten. Sobald der Smart achtzig Stundenkilometer erreicht hatte, schaltete Cabrillo den Tempomaten ein und schob seinen Oberkörper durchs Seitenfenster.
So genau wie möglich zielend, begann er, das Flugzeug unter Beschuss zu nehmen.
Bennett hörte und spürte, wie eine Kugel eine Verstrebung der linken Tragfläche traf. Gleich darauf fielen weitere Schüsse. Da er mittlerweile die vorgeschriebene Startgeschwindigkeit erreicht hatte, zog er den Steuerknüppel nach hinten. Die Räder lösten sich vom Asphalt, die Maschine schwang sich in die Luft, und Bennett ließ sie gut hundert Meter steigen, ehe er sich noch einmal umdrehte. Der Smart stand am Ende der Startbahn.
Und der Mann, der den Wagen gelenkt hatte, rannte auf einen Helikopter zu, der soeben gelandet war. Bennett schob den Gashebel bis zum Anschlag nach vorne, während sich Cabrillo auf den Passagiersitz des Robinson warf.
»Kannst du ihn einholen?«, rief er Adams zu, während sie abhoben.
»Es wird knapp«, antwortete dieser.
Die Wolkenbank südlich der Faröer berührte fast das Meer. Als Wetterfront eines Sturms, der von Süden nach Norden zog, hatten die Wolken die britischen Inseln während der letzten beiden Tage mit Regen und Schnee überschüttet. Sobald der Robinson R-44 in diesen Mahlstrom eindrang, kam es Adams und Cabrillo so vor, als wären sie in ein Labyrinth geraten.
In der einen Minute hatten sie völlig klaren Himmel über sich, und in der nächsten tauchten sie in eine Wolkenbank ein und verloren sowohl die Cessna als auch das Wasser unter ihnen aus den Augen. Heftige Winde attackierten den Helikopter, so dass sie die Flugrichtung und die Geschwindigkeit wechselten wie ein Puck auf einem Airhockey-Tisch. Die schottische Küste lag gut vierhundert Kilometer weit im Süden. Von dort bis nach Inverness, der ersten Stadt, wo sie unter Umständen auftanken könnten, waren es noch einmal gut einhundert Kilometer.
Da beide Tanks gefüllt waren, konnten es Adams und Cabrillo bis zum Festland schaffen — aber nur wenn der Rückenwind mitmachte. Ohne Reservetank hatte der Robinson eine Reichweite von höchstens sechshundert Kilometern. Die Cessna 206 schaffte gut tausendzweihundert Kilometer. Bennett hatte die 206 auf den Faröern nicht aufgetankt — und sobald er erkannt hatte, dass Cabrillo ihn verfolgte, war er so schnell es ging gestartet –, daher waren beide Maschinen in dieser Hinsicht gleichwertig.
Was ihre Reisegeschwindigkeit betraf, schaffte jede 200 Stundenkilometer.
»Dort«, sagte Cabrillo und deutete auf eine Lücke in der Wolkenbank, »er ist drei Kilometer vor uns.«
Adams nickte. Er hatte während der letzten zehn Minuten beobachtet, wie die Cessna mehrmals in den Wolken verschwand und wieder auftauchte. »Ich bezweifle, dass er uns sieht«, sagte Adams. »Wir fliegen unter ihm und sind außerdem so weit zurück, dass wir uns außerhalb seines Gesichtsfeldes befinden.«
»Er kann uns aber immer noch auf seinem Sicherheitsradar erkennen«, entgegnete Cabrillo.
»Ich glaube nicht mal, dass er eins hat«, sagte Adams. »Die Cessna, die er fliegt, ist ein ziemlich altes Modell.«
»Kannst du nicht noch einen Zahn zulegen?«
»Wir sind am Limit, Juan«, erklärte Adams und deutete auf den Geschwindigkeitsmesser, »und er auch, vermute ich. Und ich kann nicht steigen, um in einen steilen Sinkflug zu gehen und so an Tempo zu gewinnen. Wenn ich steige, werde ich über Grund zu langsam — dann würden wir ihn völlig aus den Augen verlieren.«
Cabrillo überlegte kurz und nickte schließlich. »Also können wir wohl nichts anderes tun, als ihn weiter zu verfolgen und Hilfe anzufordern.«
»Genau«, sagte Adams.
James Bennett glaubte, am Himmel allein unterwegs zu sein. Er hatte keine Vorstellung von der Reisegeschwindigkeit des Robinson R-44, wusste jedoch, dass die meisten kleineren Hubschrauber an die einhundertachtzig Stundenkilometer schafften. Wenn er Schottland erreichte, müsste der Helikopter — falls er ihn noch verfolgte — nach seiner Schätzung mindestens eine halbe Stunde hinter ihm sein. Bennett griff nach seinem Telefon und wählte eine Nummer.
»Ich habe das Paket übernommen«, sagte er, »aber ich glaube, ich habe einen Schatten.«
»Sind Sie sicher?«, fragte die Stimme.
»Nicht hundertprozentig«, antwortete Bennett, »aber wenn es so sein sollte, kann ich ihn abhängen. Der Punkt ist nur, dass ich, sobald ich gelandet bin, höchstens eine halbe Stunde Zeit für die Übergabe haben werde. Ist das ein Problem?«
Der Mann am anderen Ende der Leitung überlegte einen Moment, ehe er antwortete. »Ich lasse mir was einfallen«, sagte er dann, »und rufe Sie zurück.«
»Ich warte«, sagte Bennett und beendete das Gespräch.
Nachdem er die Trimmung justiert hatte, damit die Cessna auf geradem Kurs blieb, konzentrierte sich Bennett auf die Anzeigeinstrumente, wobei er vor allem die Tankanzeige im Auge behielt. Es würde wirklich knapp. Indem er den Steuerknüppel festhielt, während die Cessna von einem Aufwind erfasst wurde, wartete er, bis sie wieder auf ihre Reisehöhe zurückkehrte. Dann griff er auf den Passagiersitz und schenkte sich aus einer verbeulten Stanley-Thermosflasche, die ihn schon seit fast zwanzig Jahren begleitete, einen Becher Kaffee ein.
»Ich habe Overholt benachrichtigt«, sagte Hanley, »und ihn gebeten, die Briten zu alarmieren, dass sie ein paar Kampfjets losschicken, um das Flugzeug zur Landung zu zwingen. Damit sollte die Angelegenheit erledigt sein.«
»Sorg bloß dafür, dass die Briten warten, bis die Cessna über Festland ist«, sagte Juan Cabrillo. »Ich möchte den Meteoriten nicht noch im letzten Moment verlieren.«
»Ich kümmere mich schon darum«, versprach Hanley.
»Wie weit bist du von den Faröern entfernt?«
»Etwa zwanzig Minuten.«
»Wie steht es mit den Dänen und der Jacht?«, wollte Cabrillo wissen.
»Nach der letzten Meldung aus Washington haben sie nicht genug Leute dafür«, erklärte Hanley. »Aber auf einem Hügel in der Nähe des Flughafens sitzt ein Polizist und beobachtet das Schiff — mehr können sie im Augenblick nicht tun.«
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