«Genau.«
«Was wollte sie?«
«Personenschutz. Sie hat mir erzählt, sie wolle sich von ihrem Mann scheiden lassen und er habe damit gedroht, sie zu ermorden.«
Ein Murmeln ging durch den Saal.
«Frau Demiris war wohl sehr aufgeregt?«
«O ja! Sie war völlig durcheinander.«
«Und sie hat Ihrem Büro den Auftrag erteilt, sie vor ihrem Mann zu schützen?«
«Richtig.«
«Danke, keine weiteren Fragen mehr. «Delma wandte sich an Chotas.»Ihr Zeuge, Herr Verteidiger.«
Napoleon Chotas lenkte seinen Rollstuhl zum Zeugenstand hinüber.»Herr Katelanos, wie lange sind Sie schon Privatdetektiv?«
«Seit fast fünfzehn Jahren.«
Chotas war sichtlich beeindruckt.»Das ist allerdings eine lange Zeit. Da müssen Sie wirklich sehr gute Arbeit leisten.«
«Das tue ich wohl«, sagte Katelanos bescheiden.
«Sie haben also viel Erfahrung im Umgang mit Menschen in Krisensituationen?«
«Deshalb kommen sie zu mir«, antwortete Katelanos selbstgefällig.
«Und als Frau Demiris zu Ihnen gekommen ist, hat sie da ein bißchen aufgeregt gewirkt oder…?«
«Nein, nein, sie ist sehr auf geregt gewesen! In panischer Angst, könnte man sagen.«
«Ja, ich verstehe. Weil sie gefürchtet hat, ihr Mann wolle sie ermorden.«»Genau.«
«Wie viele Ihrer Leute haben Sie ihr mitgegeben, als sie Ihr Büro verließ? Einen? Zwei?«
«Äh, keinen. Ich habe ihr keinen mitgegeben.«
Chotas runzelte die Stirn.»Das verstehe ich nicht. Weshalb nicht?«
«Nun, sie hat gesagt, wir sollten unsere Tätigkeit erst am Montag aufnehmen.«
Chotas starrte ihn verblüfft an.»Tut mir leid, aber das begreife ich nicht ganz, Herr Katelanos. Diese Frau, die zu Ihnen gekommen ist, weil sie gefürchtet hat, ihr Mann trachte ihr nach dem Leben, ist einfach wieder gegangen und hat gesagt, sie brauche Ihren Schutz erst ab Montag?«
«Äh, ja, das stimmt.«
«Da fragt man sich doch, wie groß Frau Demiris' Angst gewesen sein muß?«sagte Napoleon Chotas fast wie zu sich selbst.
Die nächste Zeugin war das Dienstmädchen des Ehepaars Demiris.»Sie haben also das Telefongespräch zwischen Frau Demiris und ihrem Mann mitgehört?«
«Ja, Herr Staatsanwalt.«
«Können Sie den Inhalt wiedergeben?«
«Nun, Frau Demiris hat ihrem Mann erklärt, sie wolle sich von ihm scheiden lassen, und er hat geantwortet, damit sei er auf keinen Fall einverstanden.«
Delma sah zu den Geschworenen hinüber.»Aha. «Er wandte sich wieder an die Zeugin.»Was haben Sie noch gehört?«
«Er hat sie aufgefordert, sich um fünfzehn Uhr mit ihm im Strandhaus zu treffen — und allein zu kommen.«
«Er hat verlangt, sie solle allein kommen?«
«Ja. Und sie hat mich angewiesen, die Polizei zu verständigen, falls sie bis achtzehn Uhr nicht zurück sei.«
Auf der Geschworenenbank entstand Bewegung. Alle starrten jetzt Demiris an.
«Danke, keine weiteren Fragen. «Der Staatsanwalt nickte zu Chotas hinüber.»Ihre Zeugin, Herr Verteidiger.«
Napoleon Chotas lenkte seinen Rollstuhl dicht an den Zeugenstand heran.»Sie heißen Andrea, stimmt's?«»Ja, das stimmt. «Sie versuchte, nicht in das von Brandwunden entstellte Gesicht zu blicken.
«Andrea, Ihrer Aussage nach haben Sie mitgehört, daß Frau Demiris ihrem Mann erklärt hat, sie wolle sich von ihm scheiden lassen, daß Herr Demiris gesagt hat, er sei nicht bereit, einer Scheidung zuzustimmen, und daß er sie aufgefordert hat, um fünfzehn Uhr allein ins Strandhaus zu kommen. Stimmt das alles?«
«Ja, das stimmt.«
«Sie stehen hier unter Eid, Andrea. Das alles haben Sie keineswegs gehört.«
«Doch, doch, ich hab's gehört!«
«Wie viele Telefone stehen in dem Zimmer, in dem Frau Demiris telefoniert hat?«
«Nur das eine.«
Napoleon Chotas rollte noch näher an den Zeugenstand heran.»Sie haben das Gespräch also nicht an einem anderen Apparat mitgehört?«
«Natürlich nicht! Das täte ich nie!«
«Tatsächlich haben Sie also nur gehört, was Frau Demiris gesagt hat. Sie hätten gar nicht hören können, was ihr Mann geantwortet hat.«
«Oh. Na ja, wahrscheinlich…«
«Mit anderen Worten: Sie haben nicht gehört, daß Herr Demiris seine Frau bedroht und aufgefordert hat, sich mit ihm im Strandhaus zu treffen. Das haben Sie sich alles nur eingebildet, weil Sie mitbekommen haben, was Frau Demiris gesagt hat.«
Andrea war verwirrt.»Ich… äh… ja, so könnte man's ausdrücken, nehm' ich an.«
«Ich drücke es so aus. Warum sind Sie überhaupt im Zimmer gewesen, als Frau Demiris telefoniert hat?«
«Ich sollte ihr einen Tee bringen.«
«Und Sie haben ihn ihr gebracht?«
«Natürlich.«
«Sie haben ihn auf den Tisch gestellt?«
«Ja.«
«Warum sind Sie danach nicht gegangen?«
«Frau Demiris hat mir ein Zeichen gemacht, ich solle noch bleiben.«
«Sie wollte, daß Sie das Gespräch — oder dieses angebliche Gespräch — mithören?«
«Ich… ich nehm's an.«
Die Stimme des Verteidigers war schneidend scharf geworden.
«Sie wissen also nicht einmal, ob Frau Demiris mit ihrem Mann telefoniert hat — oder ob sie überhaupt mit irgend jemandem gesprochen hat.«
Andrea nickte hilflos.
Chotas lenkte seinen Rollstuhl noch näher an den Zeugenstand heran.
«Finden Sie's nicht merkwürdig, daß Frau Demiris Sie mitten in einem sehr privaten Gespräch zum Bleiben und Zuhören aufgefordert hat? Ich weiß nur, daß wir in meinem Haus nie auf die Idee kämen, bei privaten Diskussionen unser Personal zum Mithören aufzufordern. Nein, ich unterstelle, daß dieses angebliche Gespräch niemals stattgefunden hat.
Frau Demiris hat mit überhaupt niemandem telefoniert. Sie hat ihren Mann absichtlich belastet, damit er hier und heute wegen Mordes angeklagt wurde. Aber Constantin Demiris hat seine Frau nicht ermordet. Das Beweismaterial ist sorgfältig — allzu sorgfältig — präpariert worden. Kein intelligenter Mensch würde eine Serie eindeutiger Indizien für seine Täterschaft hinterlassen. Und unabhängig davon, was Constantin Demiris vielleicht sonst ist, seine Intelligenz steht außer Zweifel.«
Mit Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen, Gutachten und Berichten von Spurensicherung und Gerichtsmediziner wogte das Verfahren weitere fünf Tage hin und her. Nach allgemeiner Ansicht war Constantin Demiris vermutlich schuldig.
Napoleon Chotas hob sich seinen Knüller bis zuletzt auf. Dann rief er Spyros Lambrou in den Zeugenstand. Vor Prozeßbeginn hatte Constantin Demiris einen Vertrag unterzeichnet, mit dem er die Hellenic Trade Corporation mit sämtlichen Aktiva auf seinen Schwager übertrug. Einen Tag zuvor hatte er sein Imperium bereits Napoleon Chotas überschrieben, der es aber nur bekommen würde, wenn er, Demiris, freigesprochen würde.
«Herr Lambrou, Sie und Ihr Schwager Constantin Demiris haben sich nie sonderlich gut vertragen, nicht wahr?«
«Ja, das stimmt.«
«Könnte man nicht sogar sagen, daß Sie einander hassen?«
Lambrou sah zu Constantin Demiris hinüber.»Das wäre vielleicht sogar noch untertrieben.«
«Am Tag der Ermordung Ihrer Schwester hat Constantin Demiris der Kriminalpolizei gegenüber ausgesagt, er sei nicht einmal in der Nähe seines Strandhauses gewesen. Er hat weiterhin angegeben, er habe sich um fünfzehn Uhr — also zum Zeitpunkt des Todes Ihrer Schwester — mit Ihnen in Akro-Korinth getroffen. Bei Ihrer polizeilichen Vernehmung haben Sie dieses Treffen abgestritten.«
«Ja, das habe ich getan.«
«Weshalb?«
Spyros Lambrou antwortete nicht gleich. Dann war der Zorn in seiner Stimme unüberhörbar.»Demiris hat meine Schwester wie ein Stück Dreck behandelt. Er hat sie ständig gedemütigt und gequält. Diesmal hat er mich gebraucht, um ein Alibi zu haben. Aber ich wollte ihm keines liefern.«
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