Jeff zuckte die Achseln.»Na schön. Dann reparieren Sie es eben. «Er wandte sich zum Gehen.
Der Rauch quoll immer dicker. Die Touristen gerieten wieder in Panik.
«Moment!«bat der Führer.»Eine Sekunde. «Er eilte zum Telefon und wählte eine Nummer.»Chef! Hier Hendrik. Ich muß Sie ersuchen, die Alarmanlage abzuschalten, wir haben hier ein kleines technisches Problem. Ja, Chef. «Er schaute zu Jeff hinüber.»Wie langebrauchen Sie?«
«Fünf Minuten«, sagte Jeff.
«Fünf Minuten«, wiederholte der Führer.»Danke. «Er legte auf.»Die Alarmanlage wird in zehn Sekunden abgeschaltet. Machen Sie Tempo, um Himmels willen! Wir stellen die Alarmanlage sonst nie ab!«
«Ich habe auch nur zwei Hände, lieber Herr. «Jeff wartete zehn Sekunden. Dann stieg er über die Seile und näherte sich dem Podest. Hendrik gabdem Wachmann einen Wink. Der Wachmann nickte und heftete denBlick auf Jeff.
Jeff arbeitete hinter dem Podest. Der frustrierte Führer wandte sich der Gruppe zu.»Und nun, meine Damen und Herren, wie ichbereits sagte… wir haben hier schöne Diamanten in reicher Auswahl und zu äußerst günstigen Preisen. Als Zahlungsmittel akzeptieren wir Kreditkarten, Travellerschecks und…«, er gluckste,»… natürlich auchBargeld.«
Tracy stand vor dem Tresen.»Kaufen Sie Diamanten?«fragte sie mit lauter Stimme.
Der Führer starrte sie an.»Was?«
«Mein Mann hat in Südafrika Diamanten geschürft. Er ist eben zurückgekommen, und er will, daß ich die hier verkaufe.«
Während sie sprach, öffnete sie ihre Aktentasche, aber sie hielt sie verkehrt herum, und ein Sturzbach von funkelnden
Steinen ergoß sich über denBoden.
«Meine Diamanten!«rief Tracy.»Helfen Sie mirbitte!«
Eine Sekunde lang herrschte starres Schweigen, und dannbrach die Hölle los. Aus der Menge wurde ein wilder Pöbelhaufen. Sie gingen auf alle viere, sie grabschten nach den Steinen, sieboxten sich den Weg frei.
«Ich habein paar…«
«Nimm dir 'ne Handvoll, John…«
«Pfoten weg, das sind meine…«
Dem Führer und dem Wachmann hatte es die Sprache verschlagen. Sie gingen unter in einem Meer von gierigen, knuffenden Menschen, die ihre Jacken-, Hosen- und Handtaschen mit glitzernden Steinen füllten.
Der Wachmann schrie:»Halt! Aufhören!«und wurde mit einem Tiefschlag zuBoden geschickt.
Eine weitereBusladung Touristen traf ein, und als sie sahen, was passierte, stürzten sie sich schnell ins Gewühl und grabschten mit.
Der Wachmann wollte aufstehen und den Alarm auslösen, aber diebrodelnde Menge machte es unmöglich. Er wurde niedergetrampelt. Die Welt war plötzlich verrückt geworden. Es war ein Alptraum ohne Ende.
Als es derbenommene Wachmann schließlich doch noch schaffte, sich hochzurappeln, bahnte er sich mitbeiden Ellenbogen einen Weg durch dieses Tollhaus, gelangte zu dem Podest und erstarrte zur Salzsäule.
Der Lukull war fort.
Die schwangere Dame und der Elektriker ebenfalls.
Tracy legte ihre Verkleidung in einer öffentlichen Toilette im Oosterpark ab, ein gutes Stück von der Niederländischen Diamantschleiferei entfernt. Sie ging mit dem in Packpapier eingeschlagenen Paket auf eine Parkbank zu. Bis jetzt war alles wunderbar gelaufen. Sie dachte an die Leute, die sich um
die wertlosen Zirkone prügelten, und mußte schallend lachen. Sie sah Jeff kommen. Er trug einen dunkelgrauen Anzug. DerBart war ab. Tracy stand auf. Jeff trat vor sie hin und grinste.»Ich liebe dich«, sagte er. Er zog den Lukull aus der Jackentasche und gabihn Tracy.»Verfüttere ihn an deine Freundin, mein Herz. Bisbald.«
Er spazierte davon, und Tracy schaute ihm nach. Ihre Augen strahlten. Sie würden mit getrennten Maschinen fliegen, sich inBrasilien treffen und danach für den Rest ihres Lebens zusammensein.
Tracyblickte in die Runde, um sicherzugehen, daß niemand siebeobachtete. Dann wickelte sie ihr Paket aus. Drinnen war ein kleiner Käfig mit einer schiefergrauen Taube. Als der Vogel vor vier Tagenbei American Express eingetroffen war, hatte Tracy ihn auf ihr Zimmer gebracht, die andere Taube freigelassen und zugesehen, wie sie unbeholfen aus dem Fenster geflattert war. Jetzt nahm Tracy ein kleines Ledersäckchen aus ihrer Handtasche und steckte den Diamanten hinein. Sie holte die Taube aus dem Käfig und hielt sie fest, während sie das Säckchen sorgfältig an dasBein des Vogelsband.
«Sei ein liebes Mädchen, Margo. Bring ihn nach Hause.«
Wie aus demBoden gestampft, tauchte plötzlich ein Polizist auf.»Halt! Was machen Sie da?«
Tracys Herzbliebeine Sekunde stehen.»Was… was ist denn, Herr Wachtmeister?«
Die Augen des Polizisten ruhten auf dem Käfig. Er war äußerst ungehalten.»Sie wissen genau, was ist. Tauben füttern — schön und gut. Aber es ist streng verboten, sie zu fangen und in Käfige zu sperren. Und jetzt lassen Sie die Taube ganz fix fliegen, bevor ich Sie mit aufs Revier nehme.«
Tracy schluckte und holte tief Luft.»Wenn Sie meinen, Herr Wachtmeister…«Sie hobdie Arme und warf die Taube in die Luft. Einbezauberndes Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie
beobachtete, wie die Taube höher stieg, immer höher. Sie zog einen Kreis, und dann flog sie in Richtung London, etwa 370 km weiter westlich gelegen. EineBrieftaube, hatte Günther gesagt, erreichte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 65 km/h, also würde Margo in sechs Stundenbei ihm sein.
«Tun Sie das ja nie wieder«, mahnte der Polizist.
«Nein, bestimmt nicht«, gelobte Tracy.
Vier Stunden später war sie am Flughafen und schritt auf den Flugsteig zu, an dem die Maschine wartete, die sie nachBrasilienbringen würde. Daniel Cooper stand in einer Ecke und schaute ihr verbittert nach. Tracy Whitney hatte den Lukull gestohlen. Cooper hatte es in dem Moment gewußt, in dem er die Meldung gehört hatte. Es war genau ihr Stil — verwegen und einfallsreich. Und man konnte nichts machen. Kommissar van Duren hatte dem Wachmann und dem Führer Fotos von Tracy und Jeff gezeigt.»Nein, nie gesehen. Der Diebhatte einen Vollbart, viel dickereBacken und eine Knollennase, und die Frau mit den Diamanten war dunkelhaarig und schwanger.«
Und der Lukull war spurlos verschwunden. Jeff und Tracy hatten eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen müssen, und ihr Gepäck war gründlich durchsucht worden. Nichts.
«Der Diamant ist noch in Amsterdam«, sagte Kommissar van Duren zu Cooper.»Wir werden ihn finden.«
Nein, das werdet ihr nicht, dachte Cooper wütend. Tracy Whitney hatte die Tauben ausgetauscht. Der Lukull war von einerBrieftaube außer Landes gebracht worden.
Cooper sah hilflos zu, wie Tracy durch die Halle ging. Sie war der erste Mensch, der ihnbesiegt hatte. Ihretwegen würde er zur Hölle fahren.
Als Tracy am Tor zum Flugsteig war, zögerte sie einen Moment. Dann drehte sie sich um undblickte Cooper in die Augen. Sie hatte gemerkt, daß er ihr wie eine Art Racheengel
durch halbEuropa gefolgt war. Er hatte etwasBizarres, etwas Erschreckendes und gleichzeitig Rührendes.
Unerklärlicherweise tat er Tracy leid. Sie winkte ihm zum Abschied zu, wandte sich um und ging zu ihrer Maschine.
Daniel Cooperberührte das Rücktrittsgesuch in seiner Tasche.
Es war eine luxuriöse 747 der Pan American, und Tracy saß in der ersten Klasse, Sitz 4B, am Gang. Sie war aufgeregt. In ein paar Stunden würde siebei Jeff sein. Sie würden inBrasilien heiraten. Keine Eskapaden mehr, dachte Tracy, aber ich werde sie nicht vermissen. Ich weiß es genau. Die Ehe mit Jeff wird spannend genug.
«Entschuldigung.«
Tracyblickte auf. Ein aufgeschwemmter, verlebt aussehender Mann in mittleren Jahren stand vor ihr. Er deutete auf den Sitz am Fenster.»Das ist mein Platz, Honey.«
Tracy drehte sich zur Seite, damit er an ihr vorbei konnte. Ihr Rock rutschte hoch, und erbetrachtete anerkennend ihreBeine.
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