»Jetzt weiß ich's. Er war der Mann, den ich mit Jennifer Parker in einer Bar in Acapulco gesehen habe.« »Wovon sprichst du eigentlich?«
»Weißt du noch, wie ich letzten Monat drüben war und eine Lieferung abgegeben habe? Ich habe diesen Burschen in Begleitung von Jennifer Parker gesehen. Sie haben zusammen was getrunken.«
Salvatore Fiore starrte ihn an. »Bist du sicher?«
»Ja. Warum?«
Fiore sagte langsam. »Ich glaube, du solltest vielleicht besser Mike davon erzählen.«
Michael Moretti starrte Nick Vito an und sagte: »Du hast wohl deinen verdammten Verstand verloren! Was sollte Jennifer Parker mit Senator Warner zu tun haben?«
»Keine Ahnung, und wenn Sie mich schlagen würden, Boß. Ich weiß nur, daß sie in dieser Bar saßen und Margaritas tranken.«
»Nur sie beide?«
»Ja.«
Salvatore Fiore schaltete sich ein: »Ich dachte, du solltest das wissen, Mike. Dieser Warner untersucht sogar noch unsere Scheiße. Er macht uns das Leben zur Hölle. Warum sollte Jennifer einen Drink mit ihm nehmen?«
Genau das wollte auch Michael wissen. Jennifer hatte von Acapulco und dem Konvent erzählt und ein halbes Dutzend Leute erwähnt, die sie getroffen hatte. Über Adam Warner hatte sie kein Wort verloren.
Michael wandte sich an Tony Santo. »Wer ist zur Zeit Geschäftsführer der Portiersgewerkschaft?« »Charlie Corelli.«
Fünf Minuten später telefonierte Michael Moretti mit Charles Corelli. »Ein Freund von mir wohnte vor neun Jahren in den Belmont Towers«, sagte Michael. »Ich würde gern mit dem Mann sprechen, der damals dort Pförtner war.« Michael lauschte einen Moment. »Ich weiß das zu schätzen, mein Freund. Ich schulde Ihnen einen Gefallen.« Er hängte auf. Nick Vito, Santo, Fiore und Colella beobachteten ihn. »Habt ihr Bastarde nichts zu tun? Macht, daß ihr hier rauskommt, zum Teufel!«
Die drei Männer verließen eilig den Raum. Michael saß an seinem Schreibtisch, dachte nach, stellte sich Jennifer und Adam Warner zusammen vor. Warum hatte sie ihn nie erwähnt? Und Joshuas Vater, der in Vietnam gefallen war. Warum hatte Jennifer nie von ihm gesprochen? Michael Moretti begann in seinem Büro auf und ab zu gehen.
Drei Stunden später führte Tony Santo einen schüchternen, schlecht angezogenen Mann von etwa sechzig Jahren in den Raum. Der Mann hatte offensichtlich Angst.
»Das ist Wally Kawolski«, sagte Tony.
Michael stand auf und schüttelte Kawolski die Hand. »Danke, daß Sie vorbeikommen konnten. Ich weiß das zu schätzen.
Setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken? Eine Zigarre?«
»Nein, nein, danke, Mr. Moretti. Es geht mir gut, Sir, danke sehr.«
Fehlte nur noch, daß er sich verbeugte. »Sie brauchen nicht nervös zu sein. Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen, Wally.«
»Gern, Mr. Moretti. Alles, was Sie wissen wollen. Alles, was ich weiß. Alles.« »Arbeiten Sie immer noch in den Belmont Towers?« »Ich? Nein, Sir. Ich habe dort vor, oh, ungefähr fünf Jahren aufgehört. Meine Schwiegermutter hatte einen schweren...«
»Erinnern Sie sich noch an die Mieter?«
»Ja, Sir. Zumindest an die meisten, schätze ich. Sie waren ziemlich...«
»Erinnern Sie sich an eine Jennifer Parker?« Walter Kawolskis Gesicht strahlte. »Oh, natürlich. Sie war eine vornehme Dame. Ich kann mich sogar an die Nummer ihrer Wohnung erinnern. 1929. Wie das Jahr mit dem großen Börsenkrach, wissen Sie? Ich mochte sie.«
»Hatte Miß Parker viele Besucher, Wally?« Walter kratzte sich gemächlich den Kopf. »Nun, das ist schwer zu sagen, Mr. Moretti. Ich sah sie eigentlich nur, wenn sie hereinkam oder hinausging.«
»Haben manchmal Männer die Nacht in ihrer Wohnung verbracht?«
»O nein, Sir.«
Eine Welle der Erleichterung durchflutete Michael. Also war alles viel Lärm um nichts gewesen. Er hatte die ganze Zeit gewußt, daß Jennifer niemals...
»Ihr Freund hätte ja auftauchen und sie erwischen können.« Michael glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Ihr Freund?«
»Ja. Dieser Bursche, mit dem Miß Parker in der Wohnung gelebt hat.«
Die Worte trafen Michael wie ein Vorschlaghammer. Er verlor die Beherrschung. Er packte Walter Kawolski an den Aufschlägen und riß ihn hoch. »Du dämlicher Arschficker! Ich habe dich gefragt, ob... wie hieß er?«
Der kleine Mann wurde von Entsetzen geschüttelt. »Ich weiß nicht, Mr. Moretti. Ich schwöre bei Gott, ich weiß es nicht.«
Michael stieß ihn weg. Er hob die Zeitung auf und hielt sie unter Kawolskis Nase.
Kawolski blickte auf das Foto von Adam Warner und sagte aufgeregt: »Das ist er. Das ist ihr Freund.« Und Michael fühlte seine Welt auseinanderbrechen. Jennifer hatte ihn die ganze Zeit belogen; sie hatte ihn mit Adam Warner betrogen! Hinter seinem Rücken waren die beiden herumgeschlichen, hatten sich gegen ihn verschworen und einen Idioten aus ihm gemacht. Sie hatte ihm Hörner aufgesetzt.
Wie reißende Ströme stiegen Gedanken an Rache in Michael Moretti auf, und er wußte, daß er sie beide töten würde.
Jennifer flog über London nach Singapur. In Bahrain hatte sie einen zweistündigen Aufenthalt. Der fast neue Flughafen des Ölemirats war bereits ein Slum geworden. Männer, Frauen und Kinder in den Kleidern der Eingeborenen schliefen auf Fluren und Bänken. Vor dem Spirituosenstand des Flugplatzes war ein Schild mit der Warnung angebracht, daß jeder, der in der Öffentlichkeit trank, ins Gefängnis gesteckt würde. Die Atmosphäre wirkte feindselig, und Jennifer war erleichtert, als ihr Flug aufgerufen wurde.
Die Boeing 747 landete um vier Uhr vierzig auf dem ChangiFlughafen von Singapur. Der Flugplatz war brandneu, vierzehn Meilen vom Zentrum der Stadt entfernt. Er hatte den alten International Airport ersetzt, und als das Flugzeug die Landebahn entlangrollte, konnte Jennifer sehen, daß noch immer gebaut wurde.
Das Zollgebäude war riesig, luftig und modern. Zur Bequemlichkeit der Passagiere gab es Reihen von Gepäckwagen. Die Zollbeamten waren tüchtig und höflich. Jennifer war bereits nach fünfzehn Minuten abgefertigt und auf dem Weg zum Taxistand.
Hinter dem Ausgang näherte sich ihr ein kräftiger Chinese mittleren Alters. »Miß Jennifer Parker?«
»Ja.«
»Ich bin Chu Ling.« Morettis Kontaktmann in Singapur. »Ich bin mit dem Wagen da.«
Chu Ling ließ Jennifers Gepäck in den Kofferraum seiner Limousine laden, und einige Minuten später waren sie bereits auf dem Weg in die City.
»Hatten Sie einen angenehmen Flug?« fragte Chu Ling. »Ja, danke.« Aber Jennifers Gedanken waren bei Stefan Bjork. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, nickte Chu Ling zu einem Gebäude vor ihnen. »Das ist das Changi-Gefängnis. Bjork befindet sich dort.«
Jennifer betrachtete es aufmerksam. Das Gefängnis war ein mächtiges Gebäude jenseits der Straße, umgeben von einem grünen Zaun und elektrisch geladenem Stacheldraht. An jeder Ecke erhob sich ein mit bewaffneten Posten bestückter Wachturm, und der Eingang wurde von einem weiteren Stacheldrahtverhau und noch mehr Wachen am Tor blockiert. »Während des Krieges wurden hier alle Briten, die sich im Land aufhielten, interniert«, erklärte Chu Ling. »Wann kann ich Bjork sehen?«
Chu Ling antwortete vorsichtig: »Die Lage ist äußerst delikat, Mrs. Parker. Die Regierung ahndet den Gebrauch von Drogen mit außerordentlicher Härte. Sogar Leute, die zum erstenmal straffällig werden, können auf eine gnadenlose Behandlung rechnen. Wenn jemand aber mit Drogen handelt...« Chu Ling zuckte ausdruckslos mit den Schultern. »Singapur wird von einigen wenigen, sehr mächtigen Familien beherrscht. Der Familie Shaw, C. K. Tang, Tan Chin Tuan und dem Premierminister. Diese Sippen kontrollieren Wirtschaft und Finanzen von Singapur. Sie wollen hier keine Drogen.«
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