»Gut.« Sie konnte nichts anderes sagen. Sie konnte nichts tun. Um vier Uhr morgens erwachte Jennifer aus einem Alptraum und wußte, wie sie die fünf Millionen Dollar für Connie Garrett gewinnen würde.
»Wir haben eine Reihe von Abendessen überall im Staat geplant, die uns einige Spenden einbringen werden. Wir gehen nur in die größeren Städte. Die kleinen Nester erreichen wir über die nationalen Fernsehshows. Wir erwarten ungefähr - Adam, hörst du zu?«
Adam wandte sich Stewart Needham und den anderen drei Männern im Konferenzraum zu - die besten Medienexperten, hatte Needham ihm versichert - und sagte: »Ja, natürlich, Stewart.«
In Wirklichkeit hatte er an etwas ganz anderes gedacht. Jennifer. Er wollte sie hier an seiner Seite haben, sie sollte an der Erregung der Kandidatur teilhaben, an diesem Moment, an seinem Leben.
Verschiedene Male hatte Adam versucht, seine Situation mit Stewart Needham zu besprechen, aber immer war es seinem Partner gelungen, das Thema zu wechseln. Adam saß da und dachte über Jennifer und Mary Beth nach. Er wußte, daß es unfair war, sie zu vergleichen, aber es ließ sich unmöglich vermeiden.
Jennifer ist eine ständige Anregung. Sie interessiert sich für alles und bereichert mein Leben. Mary Beth lebt in ihrer eigenen kleinen Welt...
Jennifer und ich haben tausend Dinge gemeinsam. Mary Beth und ich haben nichts gemeinsam außer unserer Ehe... Ich liebe Jennifers Sinn für Humor. Sie kann über sich selber lachen. Mary Beth nimmt alles ernst...
Bei Jennifer fühle ich mich jung. Mary Beth wirkt älter, als sie ist... Jennifer steht auf eigenen Füßen. Mary Beth läßt mich alle ihre Entscheidungen treffen...
Fünf große Unterschiede zwischen der Frau, die ich liebe, und der, mit der ich verheiratet bin. Fünf Gründe, warum ich Mary Beth niemals verlassen kann.
An einem Mittwochmorgen im frühen September begann der Prozeß Connie Garrett gegen Nationwide Motors Corporation. Normalerweise wäre er den Zeitungen nur eine halbe Spalte, maximal zwei, wert gewesen, aber weil Jennifer Parker die Klägerin vertrat, waren die Medien ohne Ausnahme vollzählig versammelt.
Patrick Maguire saß am Tisch der Verteidigung, umgeben von einer Schar Assistenten in konservativen grauen Anzügen. Zuerst wurden die Geschworenen ausgewählt. Maguire war nachlässig bis zur Gleichgültigkeit, denn er wußte, daß Connie Garrett nicht im Gericht erscheinen würde. Der Anblick einer schönen, jungen, vierfach amputierten Frau wäre ein machtvoller emotionaler Hebel gewesen, mit dem man eine beträchtliche Geldsumme aus der Jury hätte herauspressen können - aber die Frau würde nicht da sein, also auch kein Hebel.
Dieses Mal, dachte Maguire, hat Jennifer sich selber hereingelegt. Die Geschworenen waren ernannt, und der Prozeß nahm seinen Verlauf. Patrick Maguire hielt sein Eröffnungsplädoyer, und Jennifer mußte zugeben, daß er sehr gut war. Er hielt sich lange bei der hoffnungslosen Lage der armen, jungen Connie Garrett auf, sagte all die Dinge, die Jennifer hatte sagen wollen, und stahl ihr damit den ganzen emotionalen Zündstoff. Er sprach von dem Unfall und strapazierte die Tatsache, daß Connie ausgerutscht war und den Fahrer keine Schuld traf, über Gebühr.
»Die Klägerin fordert von Ihnen, meine Damen und Herren, ihr fünf Millionen Dollar zuzusprechen.« Maguire schüttelte ungläubig den Kopf. »Fünf Millionen Dollar.' Haben Sie je soviel Geld gesehen? Ich nicht. Meine Kanzlei berät einige sehr wohlhabende Mandanten, aber ich muß Ihnen sagen, daß ich in all den Jahren, die ich jetzt schon als Anwalt tätig bin, nicht einmal eine Million Dollar gesehen habe - oder auch nur eine halbe.« Er konnte an den Gesichtern der Geschworenen erkennen, daß es ihnen genauso ging. »Die Verteidigung wird Zeugen präsentieren, die Ihnen erzählen werden, wie der Unfall passiert ist. Es war ein Unfall. Bevor dieser Prozeß abgeschlossen ist, werden wir Ihnen beweisen, daß Nationwide Motors keine Schuld in dieser Sache trifft. Sie werden bemerkt haben, daß die Person, die die Klage eingereicht hat - Connie Garrett -, heute nicht hier ist. Ihre Anwältin hat Richter Silverman darüber informiert, daß sie überhaupt nicht auftreten wird. Connie Garrett ist heute nicht hier, wohin sie gehört, aber ich kann Ihnen sagen, wo sie ist. In diesem Augenblick, in dem ich zu Ihnen spreche, sitzt Connie Garrett zu Hause und zählt das Geld, von dem sie glaubt, daß Sie es ihr schenken werden. Sie wartet darauf, daß ihr Telefon klingelt und ihre Anwältin ihr mitteilt, wie viele Millionen Dollar sie Ihnen abgeknöpft hat. Sie und ich wissen, daß es bei jedem Unfall, in den eine große Firma - egal, wie indirekt - verwickelt ist, Menschen gibt, die sich sofort sagen: ›Warum nicht, diese Firma ist reich, sie kann es sich leisten. Holen wir soviel wie möglich heraus.‹« Maguire legte eine Pause ein.
»Connie Garrett ist nicht in diesem Saal, weil sie Ihnen nicht in die Augen sehen kann. Sie weiß, daß das, was sie vorhat, unmoralisch ist. Nun, wir werden sie mit leeren Händen fortschicken - als Lektion für andere Leute, die versucht sein könnten, dasselbe zu versuchen. Ein Mensch muß bereit sein, die Verantwortung für sein Schicksal zu übernehmen. Wenn man auf der Straße auf Eis ausrutscht, kann man nicht ›die Bonzen‹ dafür verantwortlich machen. Und man sollte nicht versuchen, fünf Millionen Dollar von ihnen zu erschwindeln. Ich danke Ihnen.«
Er verbeugte sich vor Jennifer und ließ sich dann wieder am Tisch der Verteidigung nieder. Jennifer stand auf und näherte sich der Jury. Sie studierte die Gesichter der Geschworenen und versuchte, den Eindruck, den Patrick Maguire hinterlassen hatte, abzuschätzen. »Mein geschätzter Kollege hat Ihnen gesagt, daß Connie Garrett während der Verhandlung nicht bei uns im Gerichtssaal sein wird. Das trifft zu.« Jennifer deutete auf einen leeren Stuhl am Klägertisch. »Dort würde Connie Garrett sitzen, wenn sie hier wäre. Nicht in diesem Stuhl, sondern in einem speziell angefertigten Rollstuhl. Der Stuhl, in dem sie lebt. Connie Garrett wird nicht im Gerichtssaal auftauchen, aber bevor der Prozeß zu Ende ist, werden Sie Gelegenheit erhalten, sie kennenzulernen, so wie ich sie kennengelernt habe.«
Ein verwirrter Ausdruck trat auf Patrick Maguires Gesicht. Er beugte sich zu einem seiner Assistenten herab und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Jennifer fuhr fort: »Ich habe Mr. Maguire so beredt argumentieren gehört, und ich möchte Ihnen mitteilen, daß ich gerührt war. Mein Herz blutete angesichts dieser MultiMilliarden-Dollar-Gesellschaft, die so gnadenlos von einer vierundzwanzigjährigen Frau ohne Arme und Beine attackiert wird. Dieser Frau, die in eben diesem Augenblick zu Hause sitzt und gierig auf den Anruf wartet, der ihr mitteilt, daß sie reich ist.« Jennifers Stimme wurde leiser. »Was wird sie mit diesem Reichtum anfangen? Ausgehen und Diamanten für die Hände kaufen, die sie nicht hat? Tanzschuhe für die Füße, die sie nicht hat? Wunderschöne Kleider kaufen, die sie niemals tragen kann? Einen Rolls-Royce, der sie auf Parties bringt, zu denen sie nicht eingeladen wird? Stellen Sie sich nur vor, wieviel Spaß sie mit diesem Geld haben wird!« Jennifer sprach sehr leise und aufrichtig, während ihre Augen über die Gesichter der Geschworenen glitten. »Mr. Maguire hat niemals fünf Millionen Dollar auf einem Haufen gesehen. Ich auch nicht. Aber eins kann ich Ihnen sagen: Wenn ich einem von Ihnen hier und jetzt fünf Millionen Dollar in bar anbieten würde, und als Gegenleistung wollte ich dafür nicht mehr verlangen, als Ihnen beide Arme und beide Beine abschneiden zu dürfen - ich glaube nicht, daß fünf Millionen Dollar dann noch wie so viel Geld erscheinen würden... Das Gesetz in diesem Fall ist klar und eindeutig«, erklärte Jennifer. »In einem früheren Prozeß, den die Klägerin verloren hat, verschwiegen die Angeklagten vor Kläger und Gericht einen Defekt im Bremssystem ihrer Lastwagen, obwohl sie darüber informiert waren. Damit handelten sie rechtswidrig. Das ist die Grundlage für diesen neuen Prozeß. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie der Regierung gehen die meisten Lastwagenunfälle auf Räder und Reifen, Bremsen und defekte Steuersysteme zurück. Betrachten Sie sich diese Zahlen für einen Augenblick...«
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