Dreißig Minuten später summte der Hausapparat auf Jennifers Schreibtisch, und Dan Martin sagte aufgeregt: »Nationwide Motors stellt Lenksäulen auf der Insel Oahu her.«
»Wir haben sie! Setz dich mit einer Anwaltskanzlei dort in Verbindung und sorg dafür, daß sie sofort tätig werden.«
»Denkst du an irgendeine bestimmte Firma?«
»Nein. Kümmere dich nur darum, daß sie dem örtlichen Anwalt von Nationwide die Klage rechtzeitig zustellen. Sie sollen uns sofort anrufen, wenn sie alles erledigt haben. Ich warte hier im Büro.«
»Kann ich sonst noch etwas tun?«
»Beten!«
Der Anruf aus Hawaii kam um zehn Uhr am selben Abend. Jennifer riß den Hörer hoch, und eine sanfte Stimme sagte: »Ich möchte gern Miß Jennifer Parker sprechen.«
»Am Apparat.«
»Hier ist Miß Sung von der Kanzlei Gregg und Hoy in Oahu. Wir möchten Ihnen mitteilen, daß wir vor fünfzehn Minuten dem Anwalt der Nationwide Motors Corporation Ihre Klage zugestellt haben, wie Sie gewünscht hatten.« Jennifer atmete langsam aus. »Danke. Ich danke Ihnen von Herzen.«
Cynthia schickte Joey La Guardia herein. Jennifer hatte den Mann noch nie in ihrem Leben gesehen. Er hatte angerufen und sie gebeten, ihn in einem Fall von Körperverletzung zu vertreten. Er war klein, kräftig gebaut und trug einen teuren Anzug, der aussah, als wäre er mit aller Sorgfalt für jemand anderen geschneidert worden. Auf seinem linken Finger steckte ein riesiger Diamantring.
La Guardia lächelte, zeigte gelbe Zähne und sagte: »Ich brauche Hilfe. Jeder kann mal einen Fehler machen, richtig, Miß Parker? Die Bullen haben mich aufgegabelt, weil ich ein paar Jungs die Hucke versohlt habe, aber ich dachte, die Kerle wären hinter mir he r gewesen, verstehen Sie? Die Straße war dunkel, und als ich sie so auf mich zukommen sah - nun, da unten geht's manchmal ein bißchen rauh zu. Ich hab's ihnen gegeben, bevor sie den Spieß umdrehen konnten.« Irgend etwas an seinem Benehmen fand Jennifer abstoßend und falsch. Er bemühte sich zu sehr, gewinnend zu wirken. Er zog eine große Geldrolle heraus.
»Hier. Einen Tausender jetzt gleich und den anderen, wenn wir vor Gericht gehen. Okay?«
»Mein Terminkalender ist voll für die nächsten Monate. Ich werde Ihnen gern einen anderen Anwalt empfehlen.« Seine Stimme wurde eindringlich. »Nein. Ich will keinen anderen. Sie sind die Beste.«
»Bei einem simplen Körperverletzungsfall brauchen Sie nicht den Besten.«
»Hören Sie«, sagte er, »ich leg' noch 'was drauf!« Seine Stimme klang fast verzweifelt. »Zwei Tausender jetzt und...« Jennifer drückte auf den Knopf unter ihrem Tisch, und Cynthia trat ein.
»Mr. La Guardia möchte gehen, Cynthia.« Joey La Guardia starrte Jennifer sekundenlang an, dann schnappte er nach seinem Geld und stieß es in die Tasche zurück. Wortlos verließ er das Büro. Jennifer drückte den Knopf der Sprechanlage.
»Ken, würdest du bitte für eine Minute herkommen?« Ken brauchte weniger als eine halbe Stunde, um einen vollständigen Bericht über Joey La Guardia zusammenzustellen. »Sein Vorstrafenregister ist eine Meile lang«, erzählte er Jennifer. »Seit seinem sechzehnten Lebensjahr war er Stammgast im Knast. Er ist auf Bewährung entlassen worden. Letzte Woche wurde er wegen Körperverletzung und Mißhandlung festgenommen. Er hat zwei alte Männer zusammengeschlagen, die der Organisation Geld schuldeten.« Plötzlich fügte sich das Puzzle zusammen. »Joey La Guardia arbeitet für die Organisation?«
»Er ist einer von Michael Morettis Schlägern.« Kalte Wut stieg in Jennifer auf. »Kannst du mir die Telefonnummer von Michael Moretti besorgen?« Fünf Minuten später sprach sie mit Moretti. »Das ist aber ein unerwartetes Vergnügen, Miß Parker. Ich...«
»Mr. Moretti, ich lasse mich nicht kaufen.« »Worüber sprechen Sie?«
»Hören Sie zu. Hören Sie gut zu. Ich bin nicht käuflich. Weder jetzt noch irgendwann. Ich werde weder Sie noch irgend jemanden, der für Sie arbeitet, vertreten. Alles, was ich von Ihnen will, ist, in Ruhe gelassen zu werden. Haben Sie mich verstanden?«
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Raus damit.«
»Wollen Sie mit mir zu Mittag essen?«
Jennifer hängte auf.
Cynthias Stimme drang aus dem Lautsprecher der Sprechanlage. »Ein Mr. Patrick Maguire möchte Sie sprechen, Miß Parker. Er hat keinen Termin, aber er sagte...« Jennifer lächelte vor sich hin. »Lassen Sie ihn warten.« Sie erinnerte sich an ihr Telefongespräch. Es geht nicht darum, wie man spielt - es geht darum, zu gewinnen oder nicht, richtig? Sie sind nicht schlecht, Schätzchen, aber ich bin schon etwas länger im Geschäft als Sie. Sagen Sie Ihrer Mandantin, ich wünsche Ihr mehr Glück beim nächstenmal.
Jennifer ließ Patrick Maguire eine Dreiviertelstunde warten, ehe sie Cynthia klingelte. »Schicken Sie Mr. Maguire herein, bitte.« Patrick Maguires herzliche Art war verschwunden. Er war ausgetrickst worden und scheute sich nicht, das zuzugeben. Er ging auf Jennifers Tisch zu und blaffte: »Sie machen mir eine Menge Ärger, Freundchen.«
»Tue ich das, Freundchen?«
Er setzte sich hin, ohne daß sie ihn dazu aufgefordert hätte. »Hören wir mit der Spiegelfechterei auf. Ich habe einen Anruf vom Generalanwalt der Nationwide Motors bekommen. Sie sind bereit, die Sache beizulegen.« Er griff in seine Tasche, holte einen Umschlag hervor und reichte ihn Jennifer. Sie öffnete ihn. Der Umschlag enthielt einen Scheck, ausgestellt auf Connie Garrett. Er lautete auf einhunderttausend Dollar. Jennifer schob den Scheck wieder in den Umschlag und gab ihn Patrick Maguire zurück.
»Das ist nicht genug. Wir klagen auf fünf Millionen Dollar.« Maguire grinste. »Nein, das tun Sie nicht. Weil sich Ihre Mandantin nämlich nicht in den Gerichtssaal traut. Ich habe sie gerade besucht. Sie haben keine Aussicht, sie zu einem Auftritt vor Gericht zu bewegen. Und ohne sie haben Sie keine Chance.«
Jennifer sagte verärgert: »Sie hatten kein Recht, mit Connie Garrett zu sprechen, ohne daß ich dabei war.«
»Ich habe uns allen damit nur einen Gefallen getan. Nehmen Sie das Geld und rennen Sie, Freundchen.«
Jennifer stand auf. »Machen Sie, daß Sie rauskommen. Bei Ihrem Anblick dreht sich mir der Magen um.« Patrick Maguire erhob sich. »Ich wußte gar nicht, daß irgend etwas Ihren Magen dazu bringen kann, sich umzudrehen.« Und er verließ den Raum mitsamt dem Scheck. Während sie ihm nachsah, fragte Jennifer sich, ob sie nicht vielleicht einen schrecklichen Fehler begangen hatte. Sie dachte daran, was hunderttausend Dollar für Connie Garrett bedeuten konnten. Aber es war nicht genug. Nicht für das, was das Mädchen jeden Tag durchmachen mußte - für den Rest ihres Lebens.
Jennifer wußte, daß Patrick Maguire in einer Sache recht gehabt hatte. Ohne Connie Garrett im Gerichtssaal bestand keine Chance, daß die Geschworenen ihr fünf Millionen Dollar zusprechen würden. Worte würden sie niemals von der Hölle überzeugen, in der Connie Garrett lebte. Jennifer brauchte die Wirkung von Connies Gegenwart im Verhandlungssaal, wo die Geschworenen sie Tag für Tag ansehen mußten. Aber Connie würde sich nicht mit Geld und guten Worten dazu bringen lassen, vor Gericht zu erscheinen. Sie mußte eine andere Lösung finden.
Adam rief an.
»Es tut mir leid, daß ich mich nicht früher gemeldet habe«, entschuldigte er sich. »Ich hatte eine Besprechung nach der anderen wegen des Wahlkampfs und...«
»Schon gut, Liebling. Ich verstehe es.« Ich muß es verstehen, dachte sie. »Du fehlst mir so sehr.«
»Du fehlst mir auch, Adam.« Du wirst nie wissen, wie sehr du mir fehlst.
»Ich möchte dich sehen.« Jennifer wollte fragen, wann?, aber sie wartete. Adam fuhr fort. »Ich muß nach Albany heute nachmittag. Ich rufe dich an, wenn ich zurück bin.«
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