Poirot beugte sich ein zweites Mal über ihre Hand.
Als er nach Hause kam, saß im Sessel linker Hand vom Kamin ein Besucher.
«Guten Tag, Poirot», sagte Mr. Entwhistle. «Ich komme gerade vom Gericht. Das Urteil lautete natürlich auf schuldig. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn sie nach Broad-moor kommt. Seit sie im Gefängnis sitzt, ist sie zweifellos übergeschnappt. Ist ganz vergnügt, wissen Sie, und sehr huldvoll. Den Großteil der Zeit verbringt sie damit, detaillierte Pläne für eine ganze Kette von Teesalons zu schmieden. Ihre neueste Eröffnung heißt Lilac Bush und liegt in Cromer.»
«Man fragt sich, ob sie vielleicht schon immer ein wenig verrückt war. Aber ich, ich glaube es nicht.»
«Guter Gott, nein! So klarsichtig wie Sie und ich, als sie den Mord geplant hat. Absolut kaltblütig hat sie ihn begangen. Hinter der betulichen Fassade steckt ein kluger Kopf.»
Poirot schauderte ein wenig.
«Ich denke gerade», sinnierte er, «an die Worte, die Susan Banks sagte - dass sie sich nie gedacht hätte, ein Mörder könnte damenhaft sein.»
«Warum nicht?», meinte Mr. Entwhistle. «Mörder haben viele Gesichter.»
Sie schwiegen einträchtig - und Poirot dachte an die Mörder, die er gekannt hatte ...
Im August 1952 vollendete Agatha Christie einen neuen Roman, der im Mai 1953 bei Collins in London unter dem Titel After the Funeral erschien. Der Scherz Verlag veröffentlichte die deutsche Ausgabe 1955 als «Der Wachsblumenstrauß». Bei dem Roman handelt es sich wieder um eine «typische Christie» mit seinen klar gezeichneten Charakteren, dem Charme des englischen Landlebens und einem großen Landsitz, Enderby Hall - und einer verblüffenden Lösung.
Das Buch trägt die Widmung «Für James - im Gedenken an glückliche Tage in Abney». Mit James ist James Watts jr., ihr Neffe gemeint, dem sie eng verbunden war. «Abney» ist Ab-ney Hall, das Heim der Familie Watts in Cheadle, Cheshire. In ihrer Autobiographie erinnert sich Agatha Christie geradezu schwärmerisch an Abney Hall, das in ihrem Leben immer wieder eine wichtige Rolle spielte, verbrachte sie doch nach 1901, dem Todesjahr ihres Vaters, die Weihnachtsfeste dort mit ihrer Mutter und der Familie Watts. Sie kehrte immer wieder gerne nach Abney Hall zurück. So auch im Dezember 1926, um dort nach ihrem mysteriösen Verschwinden wieder Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden.
In ihrem Roman «Der Wachsblumenstrauß» nun stellt uns Agatha Christie Abney Hall erneut vor, diesmal «wieder belebt» als Enderby Hall.
Der Roman wurde 1963 für die Leinwand einer geradezu verfälschenden Bearbeitung unterzogen, obwohl am Ende ein schön anzusehender Film mit Margaret Rutherford dabei herauskam. Der Leser wird das womöglich für einen Druckfehler halten, aber es ist schon so: Margaret Rutherford als Jane Mar-ple - obwohl wir einen Hercule-Poirot-Roman vor uns haben.
Tatsächlich wurden ganze Handlungsstränge abgeändert — und, wohl einmalig, die Rolle des Hercule Poirot wurde umgeschrieben in eine für Miss Marple.