»Nun, meine Herren«, sagte ich vergnügt, »Wechsel bis Freitag, und Sie werden die Scheine ordnungsgemäß quittiert zurückerhalten.«
Maynard stand auf. Sein graumeliertes Haar war noch glatt, sein Gesicht grimmig ruhig, sein teurer Anzug saß unzerknittert; die äußere Schale intakt, der Mann darin in Fetzen.
Er sah niemand an, wich allen Blicken aus. Er trat zur Tür, öffnete sie, ging hinaus, ohne zurückzuschauen. Stille dehnte sich nach seinem Abgang wie das Schweigen am Ende des Videobandes; die Ungeheuerlichkeit Maynards verschlug einem die Sprache.
Nestor Pollgate erhob sich, groß, stirnrunzelnd, mit ungebrochener Kraft. Er sah mich ernst an, gab mir ein einziges kurzes Nicken und sagte zu Holly: »Wie komme ich hinaus?«
»Ich zeige es Ihnen«, erwiderte Holly leise und ging ihm voran auf den Flur.
Erskine folgte mit verkniffenem Gesicht, wobei der gesträubte rötliche Schnurrbart gleichsam seinen bleibenden, unbeugsamen Haß auf die anzeigte, denen er geschadet hatte.
Bobby ging hinter ihm her, trug behutsam die drei Scheine, als wären sie zerbrechlich, und als letzter erhob sich Lord Vaughnley zum Gehen. Er schüttelte den Kopf, zuckte mit den Schultern und breitete die Hände in einer Art Verlegenheit.
»Was kann ich sagen?« meinte er. »Was soll ich sagen, wenn ich Ihnen auf der Rennbahn begegne?«
»Guten Morgen, Kit«, sagte ich.
Die grauen Augen lächelten fast, ehe die Befangenheit zurückkehrte. »Ja, aber«, sagte er, »nach dem, was wir mit Ihnen im Guineas gemacht haben ...«
Ich zuckte die Achseln. »Kriegerschicksal«, sagte ich. »Ich nehme es nicht übel, falls Sie das meinen. Ich hatte der Flag den Krieg erklärt. Suchst du den Kampf, klag nicht über die Wunden.«
Er sagte neugierig: »Ist das auch Ihre Einstellung zum Rennreiten? Sehen Sie so das Leben?«
»Ich hatte zwar nicht daran gedacht, aber vielleicht ja.«
»Es tut mir trotzdem leid«, sagte er. »Ich hatte keine Ahnung, wie das ist. Jay Erskine hatte das Betäubungsgerät . er meinte, zwei kurze Schocks, und Sie wären kirre. Ich glaube, Nestor war sich selbst nicht darüber klar, wie schlimm das sein würde.«
»Ja«, sagte ich trocken, »aber einverstanden war er.«
»Das lag daran«, erklärte Lord Vaughnley mit einigem Eifer, Verständnis heischend, vielleicht Absolution erhoffend, »daß Sie seine ganzen Drohungen mißachtet haben.«
»In bezug aufs Gefängnis?« sagte ich.
Er nickte. »Sam Leggatt hat ihn gewarnt, Sie seien zu intelligent . er sagte, ein Versuch, Ihnen was anzuhängen, könne nach hinten losgehen, Sie würden die Flag und Nestor selbst in allergrößte Schwierigkeiten bringen ... David Morse, ihr Anwalt, war der gleichen Meinung, und so ließ er den Plan fallen. Das habe ich von Sam Leggatt. Aber Sie müssen Nestor verstehen. Er stößt nicht gern auf Widerstand. Er sagte, er lasse sich nicht von irgendeinem ... ehm ... Jockey unterkriegen.«
Kraftwörter gestrichen, dachte ich belustigt.
»Sie waren nicht zu packen«, sagte er. »Nestor wurde ungeduldig.«
»Und er ließ mein Telefon abhören?«
»Ehm, ja.«
»Mm«, sagte ich. »Ist es Maynard Allardeck, der versucht, den Towncrier zu übernehmen?«
Er blinzelte, sagte: »Ehm -« und fing sich wieder. »Sie haben sich’s gedacht?«
»Es schien wahrscheinlich. Maynard hat die Hälfte von Hughs Anteilen durch einen Trick an sich gebracht. Ich dachte, es könnte immerhin sein, daß er auf das Ganze aus ist.«
Lord Vaughnley nickte. »Eine Gesellschaft ... Allardeck steht hinter ihr. Als Hugh alles erzählt hatte, nahm ich mir Leute, um Allardecks Verbindungen zu untersuchen. Sie sollten einfach Dreck ans Licht fördern. Bis dahin hatte ich keine Ahnung, daß ihm dieses Unternehmen gehört ... sein Name war nicht aufgetaucht. Ich wußte lediglich, daß es die gleiche Gesellschaft war, die vor einem Jahr beinahe die Flag erworben hätte. Sehr aggressiv. Es hat Nestor ein Vermögen gekostet, sie zu überbieten; weit mehr, als er sonst hätte bezahlen müssen.«
Mein lieber Schwan, dachte ich.
»Als Sie dann herausfanden, daß letztlich Maynard der Feind war«, sagte ich, »und zudem wußten, daß man ihn vor kurzem für die Adelsverleihung vorgeschlagen hatte, dachten Sie sich, Sie könnten wenigstens da einen Riegel vorschieben, und baten so nebenbei Pollgate, das in der Flag zu machen?«
»Nicht ganz so nebenbei. Nestor sagte, er übernehme das mit Vergnügen, wenn es Allardeck sei, der ihn soviel gekostet habe.«
»Haben Sie sich gar nicht überlegt, in was für eine höllische Situation Sie Bobby damit bringen?« »Erskine stellte fest, daß an Allardecks Telefonnetz nicht heranzukommen war ... sie entschieden sich für seinen Sohn.«
»Skrupellos«, sagte ich.
»Ehm . ja.«
»Und überaus gemein, die ganzen Zeitungsexemplare an Bobbys Lieferanten zu verteilen.«
Er sagte, ohne sich groß zu entschuldigen: »Nestor fand, so würde die Geschichte mehr Staub aufwirbeln. Und das hat sie.«
Wir gingen langsam vom Wohnzimmer auf den Flur. Er hatte mir eine Frage beantwortet, die ich nicht gestellt hatte: Wo die Allianz begann. In der gemeinsamen Feindschaft gegenüber Maynard, der sie beide viel gekostet hatte.
»Werden Sie das Band benutzen«, fragte ich, »um Maynard jetzt lahmzulegen?«
Er warf mir einen Blick zu. »Das wäre Erpressung«, sagte er milde.
»Unbedingt.«
»Fünfzigtausend Pfund«, sagte er. »Für dieses Band ist das wenig.«
Wir gingen in die Küche und blieben nochmals stehen.
»Der Towncrier ist schon die dritte Zeitung«, sagte er, »die mit Allardecks Gesellschaft Ärger bekommen hat. Ein Blatt nach dem anderen. Er wird nicht aufgeben, bis er eins hat.«
»Er ist besessen«, sagte ich. »Und außerdem hat er sein Leben lang Macht über andere haben wollen ... sie sollten vor ihm kriechen. Er wollte Lord sein.«
Lord Vaughnley öffnete den Mund. Ich erzählte ihm von meinem Großvater und von Maynard mit neun. »Er hat sich nicht geändert«, sagte ich. »Er will das alles immer noch. Erst den Sir, dann den Lord. Und seien Sie unbesorgt, er bekommt sie nicht. Ich habe eine Kopie von dem Band dahin geschickt, wo der Brief Ihrer Stiftung hingegangen ist.«
Er war sprachlos. Schwach sagte er: »Woher wußten Sie von diesem Brief?«
»Ich habe ihn gesehen«, sagte ich. »Man hat ihn mir gezeigt. Ich wollte in Erfahrung bringen, wer wußte, daß Maynard Aussicht auf die Adelung hatte, und da war der Brief, und auf dem Brief war Ihr Name.«
Er schüttelte den Kopf - anscheinend über das Leben allgemein.
Wir gingen weiter durch die Küche und hinaus an die kalte Luft. Alle Lichter im Hof brannten, und einige Boxentüren standen offen, da die Pfleger wie gewohnt die Stallkontrolle vornahmen.
»Warum haben Sie zu verhindern versucht, daß ich mit Hugh spreche?« fragte ich.
»Ich war im Irrtum, das ist mir jetzt klar. Aber damals ... Sie bedrängten doch Nestor wegen einer hohen Entschädigung. Er wollte einfach, daß wir uns die Lauschanlage abholten und Sie zum Schweigen bringen.« Er streckte die Hände aus. »Sehen Sie, niemand kam auf den Gedanken, daß Sie all das tun würden, was Sie getan haben. Ich meine, da es uns nur darum ging, Allardeck in der Öffentlichkeit herabzusetzen, konnten wir das nicht voraussehen ... keiner hat auch nur an Sie gedacht, geschweige denn Sie als Faktor einbezogen. Kein Mensch ahnte, daß Sie für Ihren Schwager kämpfen würden oder daß Sie so sind ... wie Sie sind.«
Wir gingen über den Hof zu dem Auto, in dem Pollgate und Erskine warteten, schemenhafte Gestalten hinter Glas.
»Wenn ich Sie wäre«, sagte ich, »würde ich feststellen, ob Maynard die Buchmacherfirma gehört, bei der Hugh gewettet hat. Wenn ja, können Sie ihm ein Verfahren wegen Betrugs androhen und Hughs Anteile, glaube ich, zurückbekommen.«
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