Der Prozeß war vorbei: der Angeklagte überführt. Nur das Urteil blieb noch zu verkünden.
Der Bildschirm ging von Schwärze zu Schnee über, und niemand rührte sich.
Ich löste mich von der Tür, ging hinüber und schaltete den Apparat aus.
»Gut«, sagte ich, »jetzt hören Sie zu.«
Die Augen von ihnen allen waren mit ungeteilter Konzentration auf mich gerichtet, die von Maynard vor Demütigung getrübt, sein ganzer Körper schlaff und tief im Sessel.
»Sie«, sagte ich zu Lord Vaughnley, »und Sie«, sagte ich zu Nestor Pollgate. »Sie oder Ihre Zeitungen werden jeder an Bobby die Summe von fünfzigtausend Pfund als Entschädigung zahlen. Sie werden hier und jetzt, in diesem Raum, vor Zeugen Ihr schriftliches Versprechen geben, das Geld innerhalb drei Tagen zu bezahlen, und dieses Versprechen wird rechtskräftig und bindend sein.«
Lord Vaughnley und Nestor Pollgate blickten nur starr.
»Und als Gegenleistung«, sagte ich, »bekommen Sie die Lauschanlage und die sonstigen Beweise für Jay Erskines kriminelle Umtriebe. Sie bekommen mein völliges Stillschweigen, was Ihre verschiedenen Angriffe auf mich und mein Eigentum betrifft. Sie bekommen den Bankwechsel über dreitausend Pfund zurück, der jetzt im Safe meines Bankers deponiert ist. Und Sie bekommen das Band, das Sie gerade gesehen haben.«
Maynard entfuhr ein gequältes »Nein« als Protest, und niemand achtete darauf.
»Sie«, sagte ich zu Maynard, »werden Ihr schriftliches Versprechen geben, Bobby innerhalb von drei Tagen die Summe von zweihundertfünfzigtausend Pfund zu bezahlen, womit die Überziehungen und die Darlehen und Hypotheken auf dieses Haus und die Stallungen getilgt werden können, die Sie und Ihr Vater sich von Bobby haben bezahlen lassen und die ihm rechtmäßig als Erbe zustehen.«
Maynard öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.
»Sie werden außerdem«, sagte ich, »Major Perryside und seiner Frau den einen Anteil geben, den Sie noch an Metavane haben.«
Er begann schwach den Kopf zu schütteln.
»Und als Gegenleistung«, sagte ich, »bekommen Sie von mir die Zusicherung, daß nicht plötzlich zahlreiche Kopien von diesem Band an lauter empfindlichen Stellen gleichzeitig auftauchen, wie etwa beim Vorstandsvorsitzenden des Jockey-Clubs oder bei den Schirmherren der Beamtenhilfsorganisation, deren neuer Vorsitzender Sie sind, oder an einem Dutzend Stellen in der Londoner Geschäftswelt.« Ich hielt inne. »Wenn Bobby das Geld sicher auf der Bank hat, sind Sie auch vor mir sicher. Aber diese Sicherheit wird stets davon abhängen, daß Sie weder Bobby und Holly noch mir künftig Schaden zufügen. Die Bänder werden immer existieren.«
Maynard fand seine Stimme wieder, rauh und erschüttert.
»Das ist Nötigung«, sagte er heiser. »Es ist Erpressung.«
»Es ist Gerechtigkeit«, sagte ich.
Schweigen trat ein. Maynard sank klein und häßlich im Sessel zusammen, und weder Pollgate noch Lord Vaughn-ley sagte irgend etwas.
»Bobby«, sagte ich, »nimm das Band aus dem Recorder, bring es außerhalb des Zimmers irgendwo in Sicherheit und hol Schreibpapier für die Schuldscheine.«
Bobby erhob sich langsam, wie benommen.
»Sie sagten doch, wir könnten das Band haben«, wandte Pollgate ein.
»Können Sie auch, sobald Bobby bezahlt ist. Wenn das Geld bis Freitag sicher auf der Bank liegt, dann bekommen Sie’s zusammen mit Erskines Rettung vor der Haftstrafe.«
Bobby brachte das Band weg, und ich betrachtete die ausdruckslosen Gesichter von Pollgate und Lord Vaughn-ley und fand, daß sie viel zu ruhig waren. Maynard, der mich finster von seinem Sessel aus anstarrte, war dagegen einfach, seine Reaktion die erwartete. Erskine sah so kalt aus wie gewohnt, nur fehlte das Grinsen, und das war ein Fortschritt.
Bobby kam mit einigen großen Bogen von dem Kopfpapier wieder, das er für Rechnungen an die Besitzer verwendete. Er gab Nestor Pollgate und Lord Vaughnley je ein Blatt, und steifbeinig, indem er den Arm so weit wie möglich ausstreckte, gab er mit abgewandtem Kopf das dritte seinem Vater, dem er nicht ins Gesicht sehen mochte.
Ich musterte die drei, wie sie dort steinern mit den leeren Blättern saßen, und mehrere zusammenhanglose Wörter und Wendungen stellten sich in meinem Kopf ein.
»Warten Sie«, sagte ich. »Schreiben Sie noch nicht.«
Die Worte waren »ungültig« und »durch Drohung erlangt« und »ungültig, da mit vorgehaltener Waffe erzwungen«.
Ich fragte mich, ob der Gedanke mir von selbst gekommen oder irgendwo anders in diesem Raum entstanden war, und ich betrachtete aufmerksam die Gesichter, eines nach dem anderen, suchte in ihren Augen.
Nicht Maynard. Nicht Erskine. Nicht Lord Vaughnley.
Nestor Pollgates Augenlider zuckten.
»Bobby«, sagte ich, »heb den schwarzen Kasten da vom Boden auf und wirf ihn aus dem Fenster, in den Garten.«
Er sah verwirrt drein, tat aber, was ich verlangte, so daß die Novemberluft mit einem kräftigen Stoß durch die Vorhänge in das Zimmer fuhr.
»Jetzt die Pistole«, sagte ich und gab sie ihm.
Er nahm sie vorsichtig, warf sie hinaus und schloß das Fenster wieder.
»Gut«, sagte ich und schob meine Hände bewußt in die Hosentaschen, »Sie alle haben die Vorschläge gehört. Wenn Sie damit einverstanden sind, schreiben Sie bitte die Scheine.«
Eine ganze Weile rührte sich niemand. Dann streckte Lord Vaughnley seinen Arm nach dem Couchtisch vor ihm und ergriff eine Illustrierte, um eine Unterlage zu haben. Mit leicht gespitztem Mund, aber unverändert ruhig zog er einen Kuli aus der Innentasche seines Jacketts, knipste ihn an, schrieb einen kurzen Satz, unterzeichnete mit seinem Namen und fügte das Datum hinzu.
Er hielt das Schreiben Bobby hin, der zögernd vortrat und es an sich nahm.
»Lies vor«, sagte ich.
Bobbys Stimme sagte zitternd: »Ich verpflichte mich, Robertson Allardeck innerhalb der nächsten drei Tage fünfzigtausend Pfund zu zahlen.« Er blickte zu mir hoch. »Es ist unterschrieben mit William Vaughnley, und das Datum ist von heute.«
Ich sah Lord Vaughnley an.
»Danke«, sagte ich ausdruckslos.
Er gab die Illustriertenunterlage Nestor Pollgate und bot ihm seinen Kugelschreiber an. Nestor Pollgate nahm beides mit völlig unbewegtem Gesicht und schrieb ebenfalls.
Bobby ließ sich das Papier von ihm geben, warf mir einen Blick zu und las laut: »Ich verpflichte mich, Robertson Allardeck innerhalb der nächsten drei Tage fünfzigtausend Pfund zu zahlen. Unterschrieben Nestor Pollgate. Datiert von heute.«
»Danke«, sagte ich zu Pollgate.
Bobby blickte etwas benommen auf die beiden Dokumente, die er in der Hand hielt. Damit war er von den Schulden für die unverkauften Jährlinge befreit, dachte ich. Alles, was er jetzt für sie bekommen würde, wäre ein Gewinn.
Lord Vaughnley und Jay Erskine reichten wie in einem Ritual die Illustrierte und den Kuli an Maynard weiter.
Der schrieb wütend, stieß den Kugelschreiber hart auf das Papier. Ich nahm ihm die fertige Seite selber ab und las vor: »Ich verpflichte mich, meinem Sohn Robertson innerhalb von drei Tagen zweihundertfünfzigtausend Pfund zu zahlen. Maynard Allardeck. Heutiges Datum.«
Ich schaute ihn an. »Danke«, sagte ich.
»Danken Sie mir nicht. Ihr Dank ist eine Beleidigung.«
Ich war in der Tat darauf bedacht, keinen Triumph zu zeigen, obwohl ich ihn in diesem Fall empfand; und reuig mußte ich mir eingestehen, daß in dem Triumph eindeutig etwas von der alten Fehde mitschwang. Ein Fielding hatte einen Allardeck besiegt, und meine Vorväter dürften sich diebisch gefreut haben.
Ich gab Bobby den Schein von Maynard. Damit war er von allen seinen Schulden befreit und auf eine sichere Grundlage gestellt, um seinen Lebensunterhalt als Trainer zu verdienen, und er hielt das Papier ungläubig in der Hand, als erwartete er, daß es sich vor seinen Augen in Luft auflöste.
Читать дальше