Tante Casilia, sagte Danielle, freue sich auf die morgige Lunchparty und hoffe mich dort zu sehen.
»Kommst du auch?« fragte ich.
»Nee, Tante Casilia hätte mir eine Einladung besorgt, aber eine Collegefreundin ist auf der Durchreise in London. Wir essen zusammen. Eine alte Verabredung, kann ich nicht abblasen.«
»Schade.«
»Gehst du hin? Soll ich es ihr sagen?«
Ich nickte. »Morgen früh trainiere ich ein paar von ihren Pferden, und danach fahre ich vorbei.«
Joe kam schließlich wieder zum Vorschein, reckte sein Kreuz und ließ seine Finger knacken.
»Dann mal los«, sagte er. »Seht es euch an.«
Wir gingen alle, auch der Stationsleiter, und setzten uns auf Stühle, die wir aus den benachbarten Räumen holten. Joe warf sein Gerät an, und sofort lief die ungekürzte Fassung des Fernsehinterviews mit Maynard und seinem Folterer, ergänzt durch die Liste der Firmen, die Maynard erworben hatte. Anschließend kehrte das Band zu den Bemerkungen des Interviewers über die Geschichte Metavanes zurück, und dann kam meine Stimme, die zu einer Bildfolge von galoppierenden Pferden auf Newmarket
Heath erklärte, wer Major und Mrs. Perryside waren und wo sie jetzt lebten.
Die Perrysides erschienen in voller Länge, tapfer und ergreifend, und am Ende kam erneut der Fernseh-Inter-viewer ins Bild, der die Liste der Übernahmen wiederholte. Diesmal brach sie mit der Erwähnung von Purfleet Electronics ab, und während dann die Schlammzone der Themsemündung zu sehen war, führte meine Stimme George Tarker ein. Auch dieses Interview wurde ganz gezeigt, und als er weinend erzählte, daß sein Sohn sich unter Strom gesetzt hatte, füllten sich Danielles Augen mit Tränen.
Joe ließ das Bild von George Tarkers gramzerfurchtem Gesicht so lange laufen, wie ich es aufgezeichnet hatte, und dann kam wieder meine Stimme, die jetzt über einer auf Hochtouren laufenden Rotationspresse erklärte, daß als nächstes der Sohn von Lord Vaughnley erscheine, dem Inhaber des Daily und Sunday Towncrier.
Das Band von Hugh, ungekürzt, endete mit seiner inständigen Bitte, wieder nach Hause zu dürfen. Danach kam eine lange Aufnahme aus der bearbeiteten Fernsehfassung von Handel heute auf den Schirm, die Maynard lächelnd und mit edler Miene zeigte. Die dazugehörige Tonspur war gelöscht, so daß man ihn stumm sah. Dann wurde der Bildschirm für etwa zehn Sekunden massiv schwarz, bevor sich Schnee und Hintergrundrauschen einstellten.
Obwohl ich drei der Hauptsequenzen selbst aufgezeichnet hatte, war der Gesamteindruck überwältigend. Als Ganzes war es ein Schlag ins Gehirn, emotional, ein vernichtendes Urteil gegen die Niedertracht.
Der Stationsleiter sagte: »Himmel«, und Danielle schneuzte sich die Nase.
»Es läuft eine Stunde, dreizehn Minuten«, sagte mir Joe, »falls es Sie interessiert.«
»Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.«
»Ich hoffe, daß das Schwein büßen muß«, sagte er.
Am Morgen fuhr ich zu Wykehams Stall südlich von London und verbrachte dort auf den Downs zwei lohnende Stunden damit, seine absoluten Anfänger im Springen zu unterweisen und das Gedächtnis von anderen aufzufrischen. Wir ließen auch das Pferd, das in Ascot gestürzt war, kurz springen, um ihm zu helfen, sein Selbstvertrauen nach der Schlappe wiederzuerlangen, und sprachen die Starter der laufenden Woche durch.
»Danke, daß Sie gekommen sind«, sagte er. »Nett von Ihnen.«
»Ein Vergnügen.«
»Wiedersehen, P ... ehm ... Kit.«
»Wiedersehen, Wykeham«, sagte ich.
Ich fuhr zurück nach London, duschte und zog einen grauen Anzug mit weißem Hemd und ruhiger Krawatte an, um den Sponsoren ein gepflegtes Äußeres zu präsentieren.
Ich steckte eine der sechs Kopien, die Joe von der Allar-deck-Produktion angefertigt hatte, in einen großen Umschlag und packte eine zweite in die weite Innentasche meines blauen Anoraks. Die anderen vier brachte ich nach unten und ließ sie in den Hotelsafe sperren; dann fuhr ich mit dem Umschlag und dem Anorak per Taxi zu Eric Ol-derjohns Reihenhaus hinter dem Sloane Square.
Das Taxi wartete, während ich an der grünen Tür klingelte, und es überraschte mich nicht sonderlich, daß niemand daheim war. Ich schrieb auf den Umschlag: »Mr. Olderjohn, bitte geben Sie dies einer gewissen Per-son, nur für deren Gebrauch. Grüße, Kit Fielding«, und schob ihn durch den Briefschlitz.
»Gut«, sagte ich dem Taxifahrer. »Zum Guineas Restaurant, Curzon Street.«
Das Guineas, wo ich schon mehrmals gewesen war, war im Prinzip eine Ansammlung von privaten Speisesälen unterschiedlicher Größe, hauptsächlich benutzt für geschlossene Gesellschaften wie die, zu der ich wollte. Luxuriös und diskret, beeindruckte es durch dunkelgrüne Velourstapete, vergoldete Putten und Kellner mit Handschuhen. Jedesmal wenn ich dort war, hatte man Lammnuß serviert.
Ich ließ meinen Anorak unten in der Garderobe und steckte die Marke ein, stieg die breite Treppe hinauf zum ersten Stock, wandte mich rechts, ging einen Korridor entlang und kam, wie man mir gesagt hatte, zu der Sponso-renparty im One Thousand Room.
Die Sponsoren begrüßten mich überschwenglich. »Kommen Sie, kommen Sie. Trinken Sie Champagner.« Sie gaben mir ein Glas.
Die Prinzessin war dort, in einem cremefarbenen Seidenkostüm mit Gold und Zitrinen, das dunkle Haar hochgesteckt, lächelnd.
»Es freut mich ja so, daß Sie gekommen sind«, sagte sie und drückte mir die Hand.
»Ich mochte mir das nicht entgehen lassen.«
»Was machen die Pferde? Wie geht’s Icefall? Wie geht’s meiner armen Allegheny? Haben Sie gewußt, daß Lord Vaughnley hier ist?«
»Tatsächlich?«
Ich schaute mich um. Etwa dreißig Leute waren anwesend, mehr, als ich erwartet hatte. Vom anderen Ende des Saales her sah mich Lady Vaughnley und winkte.
»Der Towncrier hat sich mit den Icefall-Leuten zusammengetan«, sagte die Prinzessin. »Jetzt ist es eine Doppelparty.«
Die Icefall-Sponsoren kamen, um sie zu begrüßen. »Kommen Sie doch mit ... darf ich vorstellen .«
Lord Vaughnley nahte und sah freundlicher als freundlich drein.
»Meine Herrschaften«, sagte einer der Sponsoren laut, »wir gehen jetzt alle in einen anderen Raum, denn es gibt Filme von unseren zwei Rennen zu sehen, die beide unser hochverehrter Gast, Prinzessin Casilia, gewonnen hat.«
Es gab leichten Applaus, und alles bewegte sich zur Tür hin. Lord Vaughnley stand direkt neben mir. Die Prinzessin blickte sich um.
»Kommen Sie, Kit?«
»Gleich«, sagte Lord Vaughnley. »Möchte ihn nur etwas fragen.«
Die Prinzessin lächelte, nickte und ging weiter. Lord Vaughnley bugsierte alle hinaus, und als der Saal leer war, schloß er die Tür und stellte sich mit dem Rücken davor.
»Ich wollte mich mit Ihnen in Verbindung setzen«, sagte ich, aber ich glaube nicht, daß er es hörte. Er blickte zu einer zweiten Tür, in einer Seitenwand.
Die Tür ging auf, und zwei Leute kamen herein.
Nestor Pollgate.
Jay Erskine.
Pollgate sah befriedigt aus, und Jay Erskine grinste.
Sauber gemacht«, sagte Pollgate zu Lord Vaughnley.
»Es hat gut geklappt«, erwiderte er, wobei sein großer Kopf nickte. Er stand immer noch breit vor der Tür, und Jay Erskine stand mit verschränkten Armen vor den anderen.
Da waren Stühle und Tische rings an den grünen Wänden, auf den weißen Tafeltüchern Schüsseln mit Nüssen und Aschenbecher voller Zigarettenkippen. Überall Sektgläser, manche noch mit perlendem Inhalt. Es würden Kellner kommen, dachte ich, um den Abfall wegzuräumen.
»Wir sind ungestört«, erklärte Pollgate Lord Vaughnley. »Die Kein-Zutritt-Schilder hängen an beiden Türen, und Mario sagt, wir haben den Raum für eine Stunde.«
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