«Ich werde schon zurechtkommen«, sagte ich.
Erik fragte:»Wo wollen Sie denn als nächstes hin?«
«Morgen will ich zu Sven Wangen, dann nach 0vrevoll. Am Montag. hm, das weiß ich noch nicht.«
«Ich hätte nichts dagegen, noch einmal so ein großartiges Frühstück zu mir zu nehmen«, meinte er.
«Nein«, sagte Knut. Sie stritten eine Weile heftig miteinander, bevor Knut unterlag. Er sah mich mit finsterem Gesicht und zusammengepreßten Lippen an. Dann meinte er:»Erik sagt, wenn er eine Arbeit anfängt, dann bringt er sie auch zu Ende.«
Erik grinste und fuhr sich mit der Hand über sein widerspenstiges blondes Haar.»Nur langweilige nicht.«
Knut sagte ärgerlich:»Ich nehme an, du weißt, daß einer dieser Versuche zum Erfolg führen wird? Zwei sind schiefgegangen, aber.«
«Drei«, warf ich ein.»Schon an meinem ersten Tag in Norwegen hat jemand versucht, mich zu ertränken.«
Ich erzählte von der Motorjacht. Knut runzelte die Stirn und meinte:»Das könnte aber auch ein Unfall gewesen sein.«
Ich nickte.»Das dachte ich zunächst auch, aber jetzt glaube ich es nicht mehr. «Ich stand auf, um mir noch etwas heißen, starken, schwarzen Kaffee einzuschenken.»Ich bin durchaus Ihrer Meinung, daß sie zuletzt Erfolg haben werden, aber ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll.«
«Geben Sie auf und fliegen Sie nach England zurück«, sagte
Knut.
«Würden Sie das tun?«
Er antwortete nicht. Und Erik auch nicht. Es gab keine Antwort auf meine Frage.
Knut schickte mich in einem Polizeiwagen zurück ins Grand Hotel, wo ich, da die Bar wieder geschlossen war (Samstag), früh zu Abend aß, meinen Koffer und Bob Shermans Helm beim Hausdiener abholte, mir aus den nicht belegten Zimmern wahllos eins aussuchte und dann den Abend oben allein verbrachte. In einem Sessel sitzend, dachte ich über ein paar schwer zu verdauende Tatsachen nach.
Zum Beispiel: Das Glück und kleine Mädchen waren nicht immer zur Stelle.
Oder: Beim nächsten Mal konnten sie zum Gewehr greifen, denn ein Schuß aus dem Hinterhalt war die sicherste Methode, jemanden zu töten.
Oder: Wenn ich morgen zu den Rennen ging, würde ich den lieben langen Tag Blut und Wasser schwitzen.
In dem Gedanken, daß das alte Gelbauge mit seinem Muttermal vielleicht ein lausig schlechter Schütze war, lag kein großer Trost.
Es tauchten auch noch verschiedene andere Gedanken auf, vor allem der, daß es eine Möglichkeit geben mußte, herauszufinden, wer Bob Sherman umgebracht hatte und warum. Es mußte sie geben, denn wenn nicht, wäre es ja nicht nötig, mich um die Ecke zu bringen. Knut hatte sie nicht entdeckt. Vielleicht hatte er die Lösung vor sich gehabt, sie aber nicht erkannt, was nur zu leicht passieren konnte. Vielleicht war es mir auch so ergangen, nur daß man mir zutraute, daß ich später doch noch zu deuten wußte, was ich gesehen oder gehört hatte.
Gelbauge muß Eriks Auto gefolgt sein, dachte ich. Eriks halsbrecherischer Fahrstil und seine Angewohnheit, bei Rot über die Kreuzung zu fahren, machten es unwahrscheinlich, daß uns etwas anderes als ein Feuerwehrauto bis nach 0vrevoll auf den Fersen hätte bleiben können — aber dann war ich rücksichtsvollerweise ins Grand Hotel zurückgekehrt, um den Sturzhelm abzuladen, und hatte es dadurch einem Beobachter leicht gemacht, unsere Fährte wieder aufzunehmen.
Weder Erik noch ich hatten einen Verfolger gesehen. Aber die Fahrt zu Baltzersen und von dort zu dem Restaurant, wo wir zu Mittag gegessen hatten, war vergleichsweise kurz gewesen und — rückblickend — fast frei von Verstößen gegen die Verkehrsordnung. Jeder, der das Risiko eines Frontalzusammenstoßes nicht scheute, hätte uns im Auge behalten können.
Gelbauge war der Mann gewesen, der Emma attackiert hatte — und es erschien mir wahrscheinlich, daß der Kerl, der ihren Großvater getreten hatte, der gleiche gewesen war, der versucht hatte, mich zu erdolchen. Beide waren, so vermutete ich, nicht die Initiatoren, sondern Söldner, die dafür bezahlt wurden, daß sie eine Gewalttat ausführten. Sie wirkten nicht wie Hauptakteure.
Nach meiner Überzeugung gab es da noch mindestens zwei weitere Leute, von denen ich einen kannte und einen — oder mehrere — nicht. Um diesen Unbekannten hervorzulocken, mußte ich den Bekannten austricksen. Der große Haken beim Fallenstellen war nur der, daß augenblicklich außer mir selber kein anderer Köder zur Verfügung stand, und dieser Käse konnte schnell erleben, daß er aufgefressen wurde, wenn er nicht äußerst vorsichtig war.
Es lag auf der Hand, daß man, wollte man die großen Jungs dazu bringen, in Erscheinung zu treten, zunächst Gelbauge und Braunauge weglocken und zugleich woanders eine Situation schaffen mußte, die zu sofortigem Handeln verführte. Wie das gehen sollte, war eine ganz andere Frage. Ich starrte eine
Ewigkeit auf den Teppich, aber es wollte mir keine narrensichere Lösung einfallen.
Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe dahinterzukommen, was Bob Sherman nach Norwegen mitgebracht hatte! Daß es sich nur um schlichte Pornographie gehandelt hatte, war unwahrscheinlich, denn Bob hatte ja Paddy O’Flaherty gegenüber geäußert, er sei gelinkt worden. Wenn er das Päckchen geöffnet und festgestellt hatte, daß es keine gewöhnliche Pornographie enthielt, dann lag dieser Schluß nahe.
Nehmen wir einmal an, er hatte das Päckchen geöffnet und festgestellt, daß er für das, was er da mitnehmen sollte, nicht gut genug bezahlt wurde.
Und nehmen wir weiter an, daß er etwas aus dem Päckchen rausgenommen hatte, um seine Auftraggeber damit zu einer Erhöhung ihres Einsatzes zu bewegen.
Aber dazu hätte er das Entnommene ja gar nicht benutzen können, denn in diesem Fall hätte der Feind gewußt, daß er etwas an sich genommen hatte, und hätte ihn nicht umgebracht, bevor nicht das Fehlende wieder in seinem Besitz war.
Nehmen wir also mal an, schon das Öffnen des Päckchens und die Kenntnis seines Inhalts wären einem Todesurteil gleichgekommen.
Schließen wir daraus, der Feind brachte Bob Sherman um, weil dieser den Inhalt des Päckchens kannte, und entdeckte erst später, daß Bob einen Teil davon an sich genommen hatte.
Es lief alles immer wieder auf diese Version hinaus.
Also. was zum Teufel war in dem Päckchen gewesen?
Versuch’s mal mit einer anderen Anordnung.
Wann hatte er das Päckchen geöffnet?
Wahrscheinlich nicht bei sich zu Hause. Emma hatte gesehen, wie er es in seine Reisetasche gesteckt hatte, um die Gefahr auszuschließen, daß er es liegenließ. Gelbauge und Freund hatten dann später auf der Suche nach Dingen aus diesem Päckchen das Shermansche Haus auseinandergenommen, aber nichts gefunden. Also durfte man wohl annehmen, daß der Umschlag noch ungeöffnet gewesen war, als Bob seine Reise angetreten hatte.
Er hatte bei den Rennen in Kempton den ganzen Tag zur Verfügung gehabt. Zeit genug, wenn es ihn gedrängt hätte, das Päckchen zu öffnen — aber wenn es ihm so sehr in den Fingern gejuckt hätte, dann hätte er es ja auch schon in der Nacht davor tun können.
In Heathrow hatte er zwischen der Ankunft aus Kempton und dem Abflug nicht viel Zeit gehabt. Kaum der Augenblick für eine spontane kleine Schnüffelei.
Bei Gunnar Holth war er eine Stunde später erschienen als erwartet. Er hätte seine tödliche Neugier also auch während des Fluges oder in der Stunde nach der Landung befriedigt haben können.
Höchstwahrscheinlich auf dem Flug, dachte ich.
Ein paar Drinks hinter der Binde, etwa eine Stunde, die er sich vertreiben mußte, und ein Paket mit Pornobildern verführerisch griffbereit.
Er öffnet das Päckchen und sieht — was?
Nehmen wir an, ihm war vielleicht so eine halbe Stunde vor der Landung der Gedanke gekommen, eine höhere Frachtgebühr zu fordern, und daraufhin hatte er etwas aus dem Umschlag genommen und versteckt — wo hatte er es dann versteckt?
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