«Könnte er das?«unterbrach Jules Harlow ihn.»Könnte er Sie wieder vor Gericht bringen? Und unter welcher Anschuldigung?«
«Drogengelder gewaschen und Drogen verkauft zu haben«, erwiderte Sandy Nutbridge grimmig.»Was ich alles nicht getan habe. Aber wenn er Lügen erzählt, wird man ihm glauben.«
Patrick Green fühlte sich bei der Unterschlagung der siebenundfünfzigtausend Dollar von Mrs. Nutbridge und der zehntausend Dollar von Jules Harlow sicher, weil er sie beide für wehrlose Ausländer hielt, die von einem ersten aufgeregten Gekeife einmal abgesehen nicht viel unternehmen würden. Er würde ihnen einreden, daß er nicht in der Lage sei, weitere Anschuldigungen der amerikanischen Steuerbehörde gegen Sandy Nutbridge wegen Geldwaschens und Drogenverkaufs zu entkräften, solange seine Honorare für den ersten Fall nicht bezahlt waren. Die Steuerbehörde hatte seinen unbewiesenen Anschuldigungen das erste Mal geglaubt und danach gehandelt und würde, darauf vertraute er, schon aus dem gewohnheitsmäßigen Mißtrauen der Steuermenschen heraus wieder das gleiche tun.
Patrick Green, der an seinem schlauen Plan Vergnügen fand, verwandte die Nutbridge-Kaution, um seine eigenen bedrohlichen persönlichen Schulden zu begleichen. Er hatte sich zuviel Geld zu exorbitanten Zinsen von gefährlichen Leuten geliehen und war allzu nahe daran gewesen, mit deren Eintreibungsmethoden Bekanntschaft zu machen. Jetzt brauchte er endlich keine Angst mehr zu haben, in irgendeiner dunklen Nebenstraße zu Brei geschlagen zu werden. Selbst kein Mann, der zu Gewalttätigkeiten neigte, zuckte er schon bei dem Gedanken an Faustschläge zusammen. Er war regelrecht erleichtert, daß er das Geld dieser jämmerlichen Briten hatte stehlen und dadurch die ihm schon sicher bevorstehende Gewalt vermeiden können, und kein Hauch von Reue trübte seine Selbstgefälligkeit.
Patrick Green hatte sich zutreffenderweise ausgerechnet, daß Sandy Nutbridge seiner Mutter Monat für Monat Raten zur Zurückzahlung des Geldes, das sie für ihn geliehen hatte, schicken würde. Green wußte, daß es Sandy Nutbridge weit mehr kosten würde, als er sich leisten konnte, gute Anwälte zu engagieren und den Versuch zu unternehmen, das Geld seiner Mutter vor Gericht zurückzugewinnen. Was Patrick Green aber völlig übersehen hatte, war der Charakter des kleinen, stillen Mannes, dessen zehntausend Dollar er mit der Hilfe seines Kollegen Carl Corunna eingestrichen hatte.
Der schwere, bärtige Carl Corunna hatte ihm nach seinem Treffen mit Jules Harlow diesen als eine kraftlose Maus beschrieben, als unwissendes, leichtes Opfer. Carl Corunna hatte dann weiterhin darauf bestanden, daß er die Hälfte der unterschlagenen zehntausend Dollar verdient habe, für seine Anweisung, Harlow solle den Barscheck auf Patrick Green selbst ausstellen und nicht, wie es sicherer gewesen wäre, direkt auf den US-Distriktjustitiar. Patrick Green wehrte sich zwar erbittert dagegen, bot ihm aber schließlich eintausend Dollar an. Sie einigten sich schließlich auf zweitausend.
Wenn Jules Reginald Harlow sich in Angelegenheiten wie Kautionszahlungen auch nicht recht auskennen mochte, so besaß er doch einen unerschütterlichen Glauben an die Gerechtigkeit. Er machte sich daran, einen Anwalt von ausreichender Geistesschärfe zu suchen, um die Betrüger auszumanövrieren, und über bekannte Geschäftsleute, die etwas von dergleichen verstanden, traf er sich schließlich mit einem jungen, gutaussehenden Energiebündel namens David T. Vynn.»Mr. Harlow«, sagte Vynn,»selbst wenn Sie Ihr Geld zurückerhalten, was, wie ich Ihnen sagen muß, zweifelhaft ist, wird Sie das vielleicht das Doppelte an Anwaltshonoraren kosten.«
«Ihr Honorar, meinen Sie?«
«Ja, mein Honorar. Ich rate Ihnen, den Verlust abzuschreiben und als Lehrgeld zu betrachten. Damit kommen Sie am Ende billiger davon.«
Eine gute Minute lang betrachtete Jules Harlow das kindische Ergebnis seiner Suche nach einem Anwalt. Er hatte von David T. Vynn mehr Substanz erwartet, sowohl was seine körperliche Erscheinung als auch sein Alter anbelangte: kurz, einen Mann wie den großen, bärtigen Carl Corunna. Er dachte aber auch daran, daß Physiker, Mathematiker, Dichter, Künstler, Komponisten und fast alle Erfinder (einschließlich seiner selbst) im Alter zwischen zwanzig und dreißig ihre göttlichen Inspirationen gehabt hatten. Und er hatte sich nach dem Besten erkundigt: Also sollte er darauf vertrauen, daß er ihn in David T. Vynn gefunden hatte.
Währenddessen ging David T. Vynn (neunundzwanzig) in dieser langen Minute durch den Kopf, was man ihm von Jules Harlow (einundfünfzig) gesagt hatte: daß eine Gemse auf einem Berghang nicht so schnell oder so weit springen konnte, wie es der Intellekt dieses unscheinbaren Mannes vermochte. Er hatte diesen — für ihn — unbedeu-tenden Fall nur aus Interesse an dem Computergenie angenommen.
«Mr. Vynn«, sagte der graue Mann,»es ist keine Frage des Geldes.«
«Sondern des Stolzes?«Die Frage war fast eine Beleidigung, aber der Anwalt wollte sich über die Kraft und den Ursprung der Motivation seines Klienten Klarheit verschaffen.
Jules Harlow lächelte.»Vielleicht eine Frage des Stolzes. Aber bestimmt eine Frage des Prinzips. «Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu:»Ich kenne mich mit den Winkelzügen des amerikanischen Rechts nicht aus. Ich brauche jemanden, der sich meisterhaft darauf versteht. Ich will, daß Patrick Green den Tag verflucht, an dem er auf die Idee kam, mir etwas zu stehlen, und ich werde Sie gewähren lassen, bis Sie selbst aufgeben.«
Patrick Green hatte den falschen Mann bestohlen, dachte David T. Vynn trocken, aber nicht ohne eine gewisse Befriedigung.
Der Klient und der Anwalt trafen sich eine Woche später wieder.
David T. Vynn berichtete:»Um der Verschiebung großer im Drogengeschäft verdienter Geldbeträge zu begegnen, gibt es in Amerika ein Gesetz, das die Banken und andere Finanzinstitutionen verpflichtet, den IRS, die Steuerbehörde, zu informieren, falls Beträge von über zehntausend Dollar in bar an einem Tag auf ein Privatkonto entweder eingezahlt oder davon abgehoben werden.«
«Ja«, nickte Jules Harlow,»ich weiß.«
«Sandy Nutbridge ist verhaftet worden, weil er vor fast drei Jahren innerhalb von zwei Tagen drei große Summen in bar auf sein Konto eingezahlt hat. Die Zahlungen beliefen sich zusammen auf zweiundzwanzigtausend Dollar. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt nicht aus Mangel an Beweisen, sondern aufgrund der eidesstattlichen Erklärungen Ray Wichelseas und anderer, daß mehrere ordnungsgemäße Kommissionen aus Pferdeverkäufen ihm zufällig in diesem Zeitraum in bar ausgezahlt worden seien. Er hat diese Barbeträge auch als Einkommen deklariert und ordnungsgemäß versteuert. Daraufhin wurde das Verfahren eingestellt.«
«Ende der Geschichte.«
«Nicht ganz. «David Vynn lächelte verhalten.»Der IRS hat Sandy Nutbridge in erster Linie aufgrund von Informationen verhaften lassen, die ein sogenannter Freund, dem er unklugerweise vertraut hatte, zu seinem Schaden hatte durchsickern lassen. Ein befreundeter Anwalt, dem kein Weg, Profit zu machen, verborgen blieb.«
Jules Harlow sagte:»Großer Gott.«
«Genau. «Sein Anwalt nickte.»Patrick Green hat zuerst dafür gesorgt, daß Sandy Nutbridge ins Gefängnis kam, dann dafür, daß er gegen Kaution frei kam, und nun ist er dabei, so erfahre ich, die Dinge weiter aufzurühren, um Nutbridge mit dem Vorwurf, Kokain verkauft zu haben, wieder hinter Gitter zu bringen. Das heißt, falls dieser nicht bereit ist, Green noch einmal fast dreißigtausend Dollar Honorar zu zahlen. Ich muß sagen, daß in Greens blutegelhaften Machenschaften Ihre Zehntausend nur Hühnerfutter sind.«
Ausdruckslos fragte Jules Harlow:»Was können wir unternehmen?«
«Es gibt zwei Wege, die wir beschreiten können. «David T. Vynn war heiteren Sinns: Er liebte einen guten Kampf.
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