«Für Ihre Rennveranstaltung hier am nächsten Montag«, meinte ich,»würde ich Polizei anfordern.«
Wo steht Ihr Wagen?«fragte Dart.»Ich fahre hinten raus. Von den Hetzbrüdern habe ich genug. Wo stehen Sie?«
«Ich bin hinten reingekommen«, sagte ich.»Setzen Sie mich da irgendwo ab.«
Er zog die Brauen hoch, sagte aber nur:»In Ordnung «und bog, als wir an der Tribüne vorbei waren, auf den unauffälligen Privatweg zum Haus des Verwalters.
«Wo kommt denn der riesige Bus her?«fragte er rhetorisch, als er ihn erblickte.
«Das ist meiner«, sagte ich, aber die Worte gingen in einem heftigen, entsetzten Ausruf Darts unter, der hinter dem Bus die unbewegte schwarze Silhouette des chauffeurgesteuerten Daimlers seiner Großtante gesichtet hatte.
«Tante Marjorie! Was zum Teufel tut sie hier?«
Er parkte seine Rostlaube neben dem blitzenden Prachtstück und entschloß sich wenig begeistert, der Sache nachzugehen. Der Anblick, der sich uns bot, als wir an dem modernen, gepflegten Verwalterhaus um die Ecke bogen, ließ mich in hilfloses Gelächter ausbrechen, auch wenn sonst niemand lachte.
Das zweiflügelige Garagentor stand offen. Die Garage war ausgefegt und leer. Ihr einstiger Inhalt lag in unordentlichen Haufen auf der Zufahrt — Gartengeräte, Pappkartons, ein Vorrat an Dachziegeln und etliche Rollen Nylonnetz zum Abdecken von Erdbeerbeeten. Als Schrott beiseitegestellt waren ein ausgeschlachteter Kühlschrank, ein vergammelter Kinderwagen, eine verbeulte Metalltruhe, ein von Mäusen zerfressenes Sofa und ein Wust von rostigem Draht.
Davor standen fünf unterschiedlich junge Helfer ziemlich desperat in mehr oder weniger soldatischer Haltung, während eine liebenswürdige, aber von höherer Gewalt bedrohte Mrs. Roger Gardner sie vergebens in Schutz zu nehmen suchte.
Marjories schneidende Stimme sagte soeben:»Es ist ja gut und schön, wenn ihr das ganze Zeug da rausholt, Jun-gens, aber so liegenlassen könnt ihr es nicht. Schafft sofort alles wieder rein.«
Die arme Mrs. Gardner sagte händeringend:»Aber Mrs. Binsham, ich wollte doch nur, daß sie die Garage ausräumen…«
«Dieses Durcheinander ist eine Zumutung. Tut, was ich sage, Jungens. Alles wieder zurück.«
Christopher, der sich verzweifelt umblickte und mich mit Dart kommen sah, klammerte sich an uns, als seien wir die rettenden Engel in einem Gruselschocker.
«Papa!«stieß er hervor.»Wir haben die Garage leergeräumt.«
«Ja, prima.«
Marjorie fuhr auf einem Absatz herum und lenkte ihren Unwillen auf Dart und mich, doch die Eröffnung, daß ich der Vater des Arbeitstrupps war, verschlug ihr erst einmal die Sprache.
«Mr. Morris«, sagte Roger Gardners Frau hastig,»Ihre Kinder waren großartig. Bitte glauben Sie mir.«
Ein mutiges Wort, wenn man bedachte, wie sehr ihr
Mann den Launen der Familie Stratton ausgeliefert war! Ich dankte ihr herzlich, daß sie so nett gewesen war, die Kinder zu beschäftigen, während ich an der Hauptversammlung teilgenommen hatte.
Marjorie Binsham sah mich durchdringend an, wandte sich aber an Dart, und ihr Mißvergnügen schwang in der Luft.
«Was tust du hier mit Mr. Morris?«
Dart sagte feige:»Er wollte Stratton Hays sehen.«
«Was du nicht sagst. Stratton Hays geht ihn nichts an. Aber diese Rennbahn, hätte ich gedacht, geht dich etwas an. Dich und deinen Vater. Und wie kümmert ihr euch darum? Ich muß hier rundfahren und nach dem Rechten sehen. Colonel Gardner und ich, nicht du und dein Vater, haben eine eingehende Besichtigung der Bahn vorgenommen.«
Ich konnte ebensogut wie sie sehen, daß Dart überhaupt noch nicht darauf gekommen war, er könne in irgendeiner Form für den Zustand der Bahn verantwortlich sein. Sie war bisher nicht in sein Aufgabengebiet gefallen. Er öffnete den Mund und schloß ihn wieder, verwahrte oder verteidigte sich aber nicht.
Ein erschöpft wirkender Colonel kam mit einem Jeep angebraust, sprang heraus und versicherte Marjorie Bins-ham, er habe ihre Anweisung, den Zuschauerabstand zu den Hindernissen zu vergrößern, damit es keine Verletzten mehr gab, bereits in die Tat umgesetzt.
«Das ist nicht meine Aufgabe«, hielt sie Dart vor.»Ein paar Pfosten, ein Seil, ein Schild >Bitte zurücktretenc, mehr braucht es nicht. Warum denkst du nicht daran? Die Rennbahn hat eine viel zu schlechte Presse. Noch ein Debakel wie vorigen Sonnabend können wir uns nicht leisten.«
Niemand wies darauf hin, daß die Pferde und nicht die Zuschauer das Unglück verursacht hatten.
«Außerdem«, fuhr Marjorie fort,»mußt du mit deinem Vater die Leute da am Haupteingang vertreiben. Die lok-ken sonst Chaoten aus der ganzen Gegend an, und die Rennbahnbesucher bleiben wegen der Belästigung zu Hause. Das macht der Bahn genauso schnell den Garaus wie die hirnverbrannten Pläne von Keith und deinem Vater. Und erst Rebecca! Falls es dich interessiert, bei der Gruppe am Tor ist eine Frau, die sehr viel Ähnlichkeit mit ihr hat. Bis jetzt ist es nur eine Gruppe. Sieh zu, daß kein Mob daraus wird.«
«Ja, Tante Marjorie«, sagte Dart. Es war ein bißchen viel verlangt. Da wäre wohl jeder überfordert gewesen.
«Demonstranten wollen keinen Erfolg haben«, hob Marjorie hervor.»Sie wollen demonstrieren. Sag ihnen mal, sie sollen für bessere Bedingungen in der Pferdepflege demonstrieren. Die Pferde werden genug gehätschelt. Die Pfleger nicht.«
Niemand merkte an, daß verletzte Pfleger gewöhnlich am Leben blieben.
«Nun zu Ihnen, Mr. Morris«, sie fixierte mich mit einem scharfen Blick,»ich möchte mit Ihnen reden. «Sie wies auf ihren Wagen.»Da drin.«
«In Ordnung.«
«Und ihr räumt jetzt sofort dieses Durcheinander auf, Kinder. Colonel, ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben. Das ist ja ein Müllplatz hier.«
Sie rauschte zu ihrem Wagen hinüber, ohne sich zu überzeugen, ob ich mitkam, aber ich folgte ihr.
«Mark«, sagte sie zu ihrem Chauffeur, der hinter dem Steuer saß,»bitte machen Sie einen Spaziergang.«
Er tippte an seine Uniformmütze und gehorchte ihr, als sei er die Order gewohnt, und seine Chefin wartete an der hinteren Wagentür, bis ich sie ihr öffnete.
«Gut«, sagte sie und nahm auf der geräumigen Rückbank Platz.»Bitte setzen Sie sich zu mir.«
Ich setzte mich wie angewiesen und zog die Tür zu.
«In Stratton Hays«, kam sie gleich zur Sache,»hat Ihre Mutter mit Keith gewohnt.«
«Ja«, bestätigte ich erstaunt.
«Wollte sie, daß Sie es sich ansehen?«
«Dart hat es mir freundlicherweise angeboten. Ich war so frei.«
Sie musterte mich schweigend.
«Nach ihrem Weggang habe ich Madeline nie wiedergesehen«, sagte sie schließlich.»Ich war mit ihrem Schritt nicht einverstanden. Hat sie Ihnen das erzählt?«
«Ja, schon, aber nach all den Jahren war sie Ihnen nicht mehr böse. Sie sagte, Sie hätten Ihren Bruder gedrängt, mit der übrigen Familie gegen sie Front zu machen, aber sie war Ihrem Bruder zugetan.«
«Es hat lange gedauert«, sagte sie,»bis ich herausfand, was für ein Mensch Keith ist. Wußten Sie, daß seine zweite Frau sich umgebracht hat? Als ich meinem Bruder sagte, Keith hätte Pech bei der Wahl seiner Frauen, meinte er, das sei kein Pech, es liege an Keith selber. Er sagte, Ihre Mutter habe die kleine Hannah wegen der Umstände ihrer Empfängnis nicht lieben und nicht pflegen können. Sie hatte meinem Bruder gesagt, ihr werde übel, wenn sie das Kind nur anfasse.«
«Das hat sie mir nicht erzählt.«
Marjorie sagte:»Ich möchte Sie hiermit um Entschuldigung dafür bitten, wie ich Ihre Mutter behandelt habe.«
Ich überlegte nur kurz, was wohl im Sinne meiner Mutter gewesen wäre.»Einverstanden«, sagte ich.
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