Als Josh die Aussagen ihrer Mandanten zusammenfasste, begab er sich auf dünnes Eis. »Ich habe mir die Videoaufnahmen der Befragungen angesehen«, sagte er betrübt. »Offen gestanden bin ich überzeugt, dass Ihre Mandanten mit Ausnahme von Mary ROSS bei einem Prozess eine sehr schlechte Figur abgeben werden.«
Die Anwälte ließen das unkommentiert. Hier handelte es sich um eine Besprechung, die zu einem Vergleich führen sollte, nicht um einen Prozess.
Josh hielt sich nicht länger mit den Phelan-Kindern auf. Je weniger über sie gesagt wurde, desto besser. Ihren Anwälten war klar, dass ihre Mandanten vor den Geschworenen gnadenlos bloßgestellt würden.
»Damit kommen wir zu Snead«, sagte er. »Auch die Aufzeichnung seiner Befragung habe ich mir angesehen. Lassen Sie mich sagen, dass es ein schrecklicher Fehler wäre, ihn als Zeugen zu benennen. Meiner Auffassung nach bewegt sich das hart am Rande rechtswidrigen Verhaltens.«
Bright, Gettys, Langhorne und Yancy beugten sich noch tiefer über ihre Notizen. Der Name Snead war für sie inzwischen so etwas wie ein Schimpfwort geworden, und sie versuchten sich gegenseitig die Schuld daran zuzuschieben, dass die Sache so verfahren war. Der bloße Gedanke an den Mann raubte ihnen den Schlaf- da hatten sie eine halbe Million für jemanden ausgegeben, der als Zeuge völlig wertlos war.
»Ich kenne Snead seit fast zwanzig Jahren«, sagte Josh und malte eine volle Viertelstunde lang das Bild eines mäßig tüchtigen Butlers, eines Faktotums, das nicht immer zuverlässig war, eines Dieners, von dem Mr. Phelan oft gesagt hatte, er werde ihn vor die Tür setzen. Sie glaubten ihm jedes Wort.
Damit war das Thema Snead erledigt. Es gelang Josh, ihren Hauptzeugen unmöglich zu machen, ohne auch nur zu erwähnen, dass man ihn mit fünfhunderttausend Dollar bestochen hatte, damit er seine Version der Geschich-
te vortrug.
Damit war auch Nicolette erledigt. Sie hatte ebenso gelogen wie ihr Kumpan.
Weitere Zeugen aufzutreiben war den Anwälten nicht gelungen. Zwar gab es im Unternehmen eine gewisse Anzahl unzufriedener Angestellter, doch war von denen keiner bereit, vor Gericht auszusagen. Ohnehin würde man sie als befangen betrachten. Dann gab es noch zwei Konkurrenten, die Troy aus dem Rennen geworfen hatte, die aber nichts über seinen Geisteszustand hätten Aussagen können.
Mithin müsse man sagen, beschloss Josh seine Ansprache, dass die Anfechtung auf schwachen Füssen stehe. Andererseits sei man bei einer Verhandlung vor einem Geschworenengericht nie vor Überraschungen sicher. Dann kam er auf Rachel Lane zu sprechen. Es klang, als kenne er sie seit vielen Jahren. Er hielt sich nicht mit Einzelheiten auf, gab aber genug allgemeine Informationen preis, um den Eindruck zu erwecken, als sei er gut mit ihr bekannt. Es handele sich um eine reizende Frau, die ein sehr schlichtes Leben in einem unterentwickelten Land führe und nichts von gerichtlichen Auseinandersetzungen halte. Sie gehe Kontroversen grundsätzlich aus dem Weg und habe für keinerlei Art von Zank und Streit etwas übrig. Außerdem habe sie dem alten Troy nähergestanden, als den meisten Menschen bekannt sei.
Hark wollte Josh fragen, ob er ihr je begegnet sei. Hatte er sie je gesehen? Je ihren Namen gehört, bevor das Testament verlesen wurde? Aber es war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort für Mißtöne. Demnächst würde eine Menge Geld auf den Tisch gelegt werden, und Harks Anteil betrug siebzehnein-halb Prozent. Ms. Langhorne hatte sich über die Stadt Corumba kundig gemacht und fragte sich erneut, was eine zweiundvier-zigjährige Amerikanerin an einem solchen Ort verloren hatte. Sie und Get-tys hatten, ohne dass Bright und Yancy davon wussten, in aller Stille ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Sie hatten lange miteinander über die Möglichkeit beraten, gewissen Reportern Hinweise auf Rachel Lanes Aufenthaltsort zukommen zu lassen. Bestimmt würde die Presse sie da unten finden. Man würde sie ausräuchern, und die Welt würde im Laufe der Zeit erfahren, was sie mit dem Erbe vorhatte. Falls sie es wirklich nicht wollte, was ihren geheimsten Hoffnungen und Träumen entsprach, konnten ihre Mandanten verlangen, dass man den gesamten Betrag unter ihnen aufteilte. Die Sache war riskant, und sie waren sich nach wie vor nicht einig, wie sie vorgehen sollten.
»Was hat Rachel Lane mit dem ganzen Geld vor?« fragte Yancy.
»Das ist noch nicht entschieden«, sagte Josh, als unterhielte er sich jeden Tag mit Rachel über das Thema. »Wahrscheinlich wird sie das meiste an wohltätige Einrichtungen geben und lediglich einen Bruchteil für sich behalten. Ich denke, das ist auch der Grund, warum Troy sie zur Universalerbin eingesetzt hat. Er war fest überzeugt, dass das Geld keine drei Monate vorhalten würde, wenn Ihre Mandanten es bekämen. Indem er es Rachel hinterließ, konnte er sicher sein, dass es für Menschen verwendet wird, die es brauchen.«
Nach diesen Worten trat eine lange Pause ein. Träume zerplatzten wie Seifenblasen. Es gab also jene Rachel Lane doch, und sie dachte offenbar nicht daran, das Erbe auszuschlagen.
»Warum ist sie nicht selbst hier aufgetaucht?« fragte Hark schließlich.
»Nun, man muss die Frau kennen, um diese Frage zu beantworten. Geld bedeutet ihr nichts. Sie hatte nicht damit gerechnet, im Testament ihres Vaters bedacht zu werden, und merkt nun mit einem Mal, dass sie Milliarden geerbt hat. Sie steht nach wie vor unter Schock.«
Eine weitere lange Pause trat ein, in der die Phelan-Anwälte auf ihren Blocks herumkritzelten. »Falls nötig, sind wir bereit, bis zum Obersten Gericht zu gehen«, sagte Langhorne schließlich. »Ist der Frau klar, dass das Jahre dauern kann?«
»Absolut«, gab Josh zur Antwort. »Genau das ist einer der Gründe, warum sie mich gebeten hat, Vergleichsmö g-lichkeiten zu sondieren.«
Na also. Es ging also doch weiter.
»Wo fangen wir an?« fragte Wally Bright.
Das war eine schwierige Frage. Einerseits stand da sozusagen ein Topf voll Gold, der rund elf Milliarden wert war. Erbschaftssteuern dürften mehr als die Hälfte ausmachen, womit immer noch rund fünf Milliarden zum Herumspielen blieben. Auf der anderen Seite standen die Phelan-Kinder, die bis auf Ramble praktisch pleite waren. Wer würde als erster eine Zahl nennen? Wie hoch würde sie sein? Zehn Millionen pro Kopf? Oder hundert?
Josh hatte sich alles zurechtgelegt. »Wir sollten mit dem Testament anfangen«, sagte er. »Einmal vorausgesetzt, dass es als gültig anerkannt wird, legt es in unmissverständlichen Worten fest, dass kein Nachkomme, der es anficht, mit irgendeiner Zahlung rechnen darf. Dieser Passus bezieht sich auf Ihre Mandanten, und deshalb fangen Sie bei null an. Als nächstes sieht das Testament für jeden Ihrer Mandanten einen Betrag in Höhe ihrer Schulden zum Zeitpunkt von Troy Phelans Tod vor.« Josh hob ein weiteres Blatt und warf einen kurzen Blick darauf. »Soweit uns bekannt ist, hat Ramble Phelan bislang keine Schulden. Geena Phelan Strong hatte am Stichtag, dem neunten Dezember, vier-hundertzwanzigtausend Dollar Schulden, Libbigail und Spike rund achtzigtausend, Mary ROSS und der Orthopäde, mit dem sie verheiratet ist, neunhunderttausend. Troy Junior hatte sich zwar in diversen Konkursverfahren des größten Teils seiner Schulden entledigt, stand aber immer noch mit hundertdreißigtausend Dollar zu Buche. Den Vogel schießt Rex ab, denn wie wir alle wissen, standen er und seine reizende Gattin Amber am neunten Dezember mit insgesamt sieben Millionen sechshunderttausend Dollar in der Kreide. Haben Sie gegen diese Darstellung irgendwelche Einwände zu erheben?«
Das war nicht der Fall. Die Zahlen stimmten. Den Anwälten ging es ausschließlich um die nächste Zahl.
»Nate O'Riley hat sich mit seiner Mandantin in Verbindung gesetzt. Weil ihr daran liegt, die Sache aus der Welt zu schaffen, bietet sie jedem der Nachkommen zehn Millionen Dollar.«
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