Erst als letzterer ihn im Nebenzimmer aufklärte, begriff er die Äußerung des Freiherrn.
»Thut mir leid für Sie,« sagte er und reichte Alfred die derbe Rechte, »das war nicht recht von dem da drin, Sie so lange zu täuschen! Na, überlebt er den Anfall, so will ich's ihm schon sagen, unverblümt, darauf können Sie sich verlassen. Aber freuen thut's mich doch, das Mädchen, Freiherrn Friedrichs Tochter wiederzusehen! Da war Leben drin, sage ich Ihnen, alle Wetter! Das schäumte und brauste wie in einer Sektflasche, aber die rechten Zügel fehlten, daran lag's, und der Übermut wußte nicht, wohin zuerst. Hatte sie lieb, sehr lieb, die kleine rothaarige Wetterhexe!«
Alfred Falkner nickte – er sah sie jetzt wieder deutlich vor sich im Mondschein am Brunnen, den Rosenkranz flechtend und das süße Lied von der Jugendzeit singend; denn es giebt Momente der Erinnerung aus früheren Jahren, die nie verblassen. Sie prägen sich dem Gedächtnis so fest ein, daß ihre Farben frisch bleiben, bis unser Leben selbst dahingeht – ein Augenblick im Stundenglas der Ewigkeit.
Schwächer und schwächer wurden die Kräfte des Schloßherrn vom Falkenhof mit dem scheidenden Tage; unaufhörlich fragte er nach dem Justizrat Müller, seinem Sachwalter, den er nach dem Falkenhof beordert hatte, und schon fürchteten sein Neffe und Engels, der Ersehnte könnte zu spät kommen, als er endlich nach Sonnenuntergang eintraf.
Doktor Ruß, der sich mit seiner Frau dem Krankenzimmer bisher ferngehalten hatte, trat dem kleinen, lebhaften Herrn schon im Vestibül entgegen und unterrichtete ihn von dem Zustande seines Klienten. Seine Frage, ob er in etwas sich nützlich erweisen könne, verneinte der Justizrat für den Augenblick, trotzdem aber geleitete Ruß ihn zu den Zimmern des Freiherrn und trat mit ihm bei dem Kranken ein.
»Was will Der hier?« raunte Engels vor sich hin, denn er und Doktor Ruß waren einander gar nicht grün, trotz der unversiegbaren Quelle von Liebenswürdigkeiten, welche letzterer auf den Verwalter herabströmen ließ.
»Nun, Justizrat, was bringen Sie mir für Nachrichten?« fragte der Freiherr eifrig, und sein halberloschenes Auge begann noch einmal aufzuflammen.
Der kleine Jurist entfaltete Papiere, die er in einer Mappe mitgebracht.
»Soll ich in Gegenwart dieser Herren sprechen?« fragte er.
Der Kranke sah Engels, Alfred Falkner und Doktor Ruß der Reihe nach an.
»Warum nicht, lieber Müller? Nur beeilen Sie sich!«
Der Justizrat putzte sein Pincenez, klemmte es auf seine Nase und räusperte sich.
»Nun denn,« begann er, »so erlaube ich mir, Ihnen vor allem mitzuteilen, daß der Freiherr Friedrich von Falkner, Ihr ältester Bruder, lieber Baron, vor drei Jahren schon in Rio de Janeiro an einer akuten Krankheit verstorben ist. Hier sind die betreffenden Papiere darüber!«
»Tot also!« sagte der Kranke leise. »Tot, gestorben vielleicht im Zorn gegen mich. Weiter!«
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