Und denn hab ich aber auch gedacht, wenn du da mal nu keinen Fehler nich gemacht hast, Anna, mit das Kind, wie das nu erst werden sollt, wenn dein Theo nach Haus kommt, wenn er kommt, wusste ja keiner, wo er abgeblieben war. Und denn kam er. Sommertag sechsundvierzig stand er vor deine Tür. Ach, der war ja bloß noch Haut und Knochen, da konntst du dir nu, wie wir immer so gesagt haben, ja n Splitter dran einreißen. Und da kam er vonne Russen, da hatten sie ihn gehen lassen, da hattst du noch Glück, Anna, dass das so fix ging, und das war vielleicht auch, weil er ja n bisschen n Roter war, nich, oder so getan hat, als wenn er einer wär. Und denn hat er dich ja wirklich auch gleich geheiratet, da war der Sommer noch nich vorbei, wie du da Frau März wurdst, bloß dass dich nie einer so angeredet hat. Und das mit Peter hat ihm anscheinend gar nix ausgemacht, vielleicht hat er erst n bisschen geguckt, aber wenn ihm das nich geschmeckt hätt, denn hätt er dich doch nich geheiratet, weil, da war er ja genauso wie du, wenn ihm was nich passte, denn hat er das nich gemacht. Und vielleicht haben sie deswegen immer alle gesagt, dass das n Sturkopp is, dein Mann,»son richtigen Stiesel«, hat Heini gesagt.»Dei döcht nix«, da waren sie sich gleich einig.
Aber mitgeholfen hat er ja, da konnt nu keiner was sagen, bloß wie, das hat wohl den meisten nich gepasst. Er war ja auch son halber Studierter, und das wollt er nu gerne weitermachen, was er da vorm Krieg gelernt hatte, das technische Zeichnen, aber das ging ja erst mal nich, und vonne Landwirtschaft hat er nu eigentlich überhaupt keine Ahnung gehabt, aber rumkommandieren wollt er. Er war ja auch der Einzigste, der die von sich aus gegrüßt hat, die Russen, das wollten die, dass man die grüßt, aber wenn ich einen gesehen hab von die, bloß von Weitem, denn bin ich gleich auffem Hacken umgedreht und um die nächste Ecke, und so haben das die meisten gemacht, oder manche waren auch ganz dreist und sind einfach so vorbei an die, und das gab denn oft Ärger. Aber dein Theo is denn auch zu sone Schule hin für paar Wochen, da hatten sie ihn hingeschickt, zu so einem Lehrgang, wo das nu bloß um Politik ging, das hatten sie wohl gleich gesehn, dass das einer is, den sie sich son bisschen hinbiegen können. Und denn haben sie ihm paar vonne Bauern zugeteilt, und mit die musst er denn immer los und aufräumen, kaputte Häuser leerräumen und Material, was man noch brauchen konnt, einsammeln und so was.
Und die Zeit hatte das ja auch schon angefangen mit das ganze Aufteilen, dass nu jeder was kriegte, das war nu gut für die Flüchtlinge und die, die vorher gar nix hatten, sondern bloß für einen geschuftet hatten, der viel Land hatte, aber ganz gerecht war das auch nich. Wie bei dem Kattenburg, dem sie nu das ganze Land weggenommen hatten, und jeder von seine Arbeiter kriegte nu auf einmal ein Stück, da wussten die ja auch erst nich, ob sie sich da nu freuen sollen, und der Kattenburg stand nu da, und der war nich schlecht zu seine Leute gewesen, das konnt man nich sagen. Bei uns mit unser klein bisschen Acker passierte da ja nix weiter, ihr hattet ja auch nich so viel, Anna, bloß dass euch denn die Russen noch das letzte Schwein weggenommen haben, das war vielleicht eine Sauerei, das hatten deine beiden Soldaten ausgeheckt, da wollten sie sich lieb Kind mit machen bei ihre Obersten oder was weiß ich, auf einmal hieß es, das Schwein wird geschlachtet. Na, da wart ihr nich die Einzigsten, wenn die das nämlich in Kopp gekriegt haben, denn musst man was hergeben, ob man wollt oder nich. Uns haben sie in Ruhe gelassen, weil der alte Schorschki ja bisschen russisch sprechen konnt und sich mit die ganz gut vertragen hat, obwohl, leiden konnt er die auch nich. Aber das wurden mit der Zeit immer weniger Hühner und Enten im Dorf. Und denn nu auch noch euer Schwein, und das war ja das letzte, das andre, was noch übrig war, hatte dein Vater noch geschlachtet, bevor er losmusst in Krieg, damit du denn was zu beißen hattst. Tja, aber wer sollt das nu schlachten, dein Vater war nich da und Theo auch noch nich, und der hätt das glaub ich auch nich gekonnt, und n Schlachter war weit und breit nich zu kriegen. Und denn machten die sich selber bei, die beiden Jungschen, und du sagtest, hätten die nich ihr Gewehr im Anschlag gehabt und dich damit vom Hof gescheucht, hättest du denen einfach paar runtergehauen.»Aber siehste, davon hätt der Lütte nu auch nix gehabt, wenn nu seine zweite Mutter auch noch totgeblieben wär. «Aber wütend warst du, da konntst du erst gar nich drüber wegkommen, was die da nu für eine Riesensauerei gemacht haben, wie sie da mit dem Messer auf das arme Viech los sind, und du wolltst noch schnell Simon holen, weil du dachtest, er wär der Einzigste, der dir helfen würd, wollt sich ja keiner mitte Russen anlegen, aber er war nich da, und wie du zurückkamst, wars schon zu spät, da lag das Schwein schon da in dem ganzen Blut, und deine Flüchtlinge haben dir das denn alles erzählt. Wie sie erst versucht hatten, dem Schwein eins mitm Hammer übern Kopp zu hauen, aber das denn nich liegenblieb, sondern wie wild übern Hof rannte, und wie denn der eine versucht hat, das mit seinem Gewehr zu erschießen, und das durften die eigentlich nich, einfach so schießen, und denn hat er aber auch noch nich richtig getroffen, und das quiekte, das Schwein, und quiekte und rannte und rannte, bis es denn irgendwann das Taumeln kriegte und umgefallen is, und denn is der andre mitm Messer drauflos und hat das irgendwie abgestochen, aber lange hat das wohl gedauert, und wie du wiederkamst, standen sie da nu beide, und der eine mitm Hinkefuß, da war ihm nämlich das Schwein drüber, und denn standen sie da und wussten nich weiter. Und denn musstet ihr die ganze Drecksarbeit machen, bloß abgekriegt habt ihr nix davon, nur den Bregen, das wollten sie nich. Aber danach sind sie dir aussem Weg gegangen, gar nich mehr inne Augen geguckt haben sie dir, hast du gesagt.»Diese Dämlacks!«
Nu hattet ihr bloß noch die Kühe, aber die haben sie euch gelassen, von irgendwas musstet ihr ja leben, obwohl die auch schon alt waren und nich mehr viel gegeben haben. Wir hatten auch noch drei Stück. Und denn fing das wieder mitte Milchkontrollen an. Alle vier Wochen, und das hat sich doch gar nich gelohnt bei unsre paar Viecher. Das bisschen, was wir zur Molkerei bringen konnten, und das hatte denn immer nich genug Fett, und denn haben sie wieder das Soll raufgesetzt, dieser ganze Quatsch. Und die Abendmilch, die blieb ja über Nacht da stehen inne Kannen, na, und wenn denn da morgens die Sahne drauf fehlte, das gab immer ein Theater, da hat denn jeder jeden schief angeguckt. Mit der Zeit haben sie das aber rausgekriegt, wer die Sahne klaut, und denn haben sie da so eine Leine hingespannt und dadran die Schöppkellen vonne Sahneklauer mit Name und Adresse dran aufgehängt, und der Haase war auch dabei, Martha ihr Fritz, der hatte die Sahne an sone verwöhnte Cousine von Marthas Mutter inne Stadt verhökert.
Aber das war ja noch gar nix gegen die Überfälle, wenn sie die Molkerei ausgeraubt haben, zwei- oder dreimal is das passiert, dass da eingebrochen wurde und morgens am hellichten Tag die Bauern verkloppt wurden, wenn sie grad die Milch brachten, und einem haben sie sogar sein Pferd geklaut, und keiner wusst, wers war, irgendsolche Dahergelaufenen, die waren doch nich aussem Dorf. Und hat sich ja auch erst keiner richtig aufs Feld getraut, besonders die Frauen nich, wegen diese ganzen Rumlungerer und auch wegen die Soldaten. Nich mal du bist alleine gegangen, Anna, du hast dir auch immer paar von deine Flüchtlinge mitgenommen, bis Theo wieder da war und später dein Vater. Der is wiedergekommen, wo nu schon keiner mehr mit gerechnet hatte, das war ja schon bald an Fuffzig ran. Und wie er das überhaupt geschafft hatte, er konnt doch erst gar nich richtig vorwärtskommen mit sein offenes Bein. Aber denn hat er sich doch noch mal aufgerappelt, und das Zähe, Anna, ich glaub, das hattst du von ihm.
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