Michael Köhlmeier - Abendland

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Abendland: краткое содержание, описание и аннотация

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"Wenn du dich als Achtjähriger, als Dreizehnjähriger, als Sechzehnjähriger denkst, erkennst du dich in ihnen wieder?"
"Ja. Und sehr gerne dazu."
"Gibt es einen Lebensabschnitt, in dem du dir fremd vorkommst?"
"Zwischen fünfundzwanzig und dreißig ein bisschen fremd. Gestern und vorgestern sehr fremd."
"Glaube, Liebe, Hoffnung. Welche Reihenfolge?"
"Liebe, Hoffnung, Glaube. Wenn ich den anderen dabei zusehe."
"Bei dir selber?"
"Keine Ahnung. Ich denke, das gilt nur bis sechzig oder siebzig. Bei den Auserwählten vielleicht etwas länger." Er lacht.
"Was ist das Größte, das du in deinem leben vollbracht hast?"
Keine Antwort darauf.
"Abendland" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Generationenroman. Mit großer erzählerischer Kraft wird dargestellt, wie die unterschiedlichsten Menschen jenseits der politischen und historischen Wechselfälle aufeinander angewiesen sind und aneinander hängen, warum sie sich gegeneinander auflehnen und wie sie dann doch ihren Frieden schließen. In einem bewegenden Panorama des 20. Jahrhunderts werden die großen historischen Sündenfälle und die kleinen privaten Reaktionen darauf beschrieben. Ein solches Buch hat es in der deutschen Literatur schon lange nicht gegeben.

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2

Carl bezeichnete Abe als den besten Freund, den er in seinem Leben gehabt habe. Wahrscheinlich war er auch sein einziger. (Mein Vater war nicht sein Freund, er war mehr: Mitglied der Familie.)

Und so hatten sie sich kennengelernt: Zusammen mit der Journalistin, an deren Namen sich Carl nicht mehr erinnerte, hatte Abe im Frühling 1935 die Oak Bar betreten, um ihn für die Fahrt nach Kinnelon abzuholen. Die Journalistin hatte sich bei Abe eingehängt und zog ihn hinter sich her. Carl saß in der Ecke unter einem der wuchtigen Gemälde von Everett Shinn. Er glaubte nicht einen Augenblick lang, daß die beiden ein Paar waren. Er wunderte sich, daß die Frau, ohne zu zögern, auf ihn zusteuerte, als hätte sie ihn schon einmal gesehen. Sie stellte zuerst Abe vor —»Student der Psychologie, Freudianer«—, anschließend sich selbst: Sie sei eine Feindin von Adolf Hitler und Reporterin beim New Yorker und habe diese Stelle auf Empfehlung einer Freundin von Dorothy Parker bekommen, eine Stelle sei es ja eigentlich nicht, sie arbeite auf freier Honorarbasis, was aber auch sein Gutes habe … und so weiter. Ihr gehörte der braune Packard mit dem cremefarbenen Stoffdach. Es war ein warmer Tag, und sie bestand darauf, mit offenem Verdeck zu fahren. Carl saß hinten im Fond. Während der Fahrt legte Abe seinen Arm über die Rückenlehne und sprach nur nach hinten zu Carl; er kam zwar selten zu Wort, denn meistens redete die Journalistin, aber auch wenn sie redete, blickte Abe nicht sie an; er hatte Augen allein für Carl. Abraham Fields war homosexuell.

Als sie in der Nacht nach der Party wieder in New York waren, erzählte ihm Abe sein ganzes Leben. Sie hatten sich von der Journalistin beim Times Square absetzen lassen und waren durch die laue Luft über die Seventh Avenue nach Norden in Richtung Central Park spaziert. Carl schlug vor, in einer Bar noch ein Bier zu trinken. Am liebsten hätte er das Plaza gar nicht mehr betreten. Er rechnete nicht damit, aber er fürchtete sich davor, daß Lawrentij Sergejewitsch Pontrjagin in der Halle auf ihn wartete, wie damals im Leonjuk in Moskau, diesmal als ein Geist, mit einer Eiskruste am Kragen. Abe hatte sehr wohl bemerkt, daß Carl nach dem Zusammentreffen mit seiner ehemaligen Professorin verwirrt und niedergeschlagen war; aber er hatte den Grund dafür im Schicksal dieser freundlichen Frau und in der gegenwärtigen politischen Situation Deutschlands vermutet. Als er sich schließlich bewußt wurde, daß die ganze Zeit über nur er gesprochen hatte, war es zu spät, um innezuhalten und zu sagen: So, jetzt sind Sie dran. Carl gefiel ihm, und er hatte die Erfahrung gemacht, daß Männer, deren homoerotische Neigungen nur wenig ausgeprägt waren, dieselben leichter aktivieren, wenn man ihnen mit brüderlichem Trost kam und nicht gleich mit direkter Verführung. Er aber hatte weder brüderlichen Trost gespendet, noch hatte er versucht, Carl zu verführen. Er fürchtete, er habe alles vermasselt.

Zu seiner Überraschung fragte Carl:»Haben Sie ein Sofa, auf das ich mich heute nacht legen kann?«

Abe bewohnte ein kleines Appartement auf der West Side, Höhe 79. Straße. In der Küche stand tatsächlich ein Sofa. Am nächsten Tag bereits zog Carl aus dem Plaza aus und bei Abe ein. Carl bestand darauf, Miete für das Sofa zu bezahlen.

Carl:»Wir hatten eine ›krokantartige Affäre‹, Abe und ich. Copyright auf diesen Terminus technicus: Magistra Margarida Candoris Durao, wie sie sich so unkorrekt wie nur möglich nannte. Als Terminus technicus wollte sie dieses Wort auch verstanden wissen, denn sie interessierte sich vor allem für das Technische an dieser Affäre. Als wir schon dreißig Jahre oder noch länger verheiratet waren, habe ich ihr davon erzählt. Weißt du, was sie sagte? Sie sagte: ›Überleg dir, Charly, ob du damals nicht vielleicht die falsche Entscheidung getroffen hast.‹ Margarida glaubte, alle Männer seien homosexuell! Sie stellte sich das Männerherz als eine Crème brûlée vor, auf der eine harte, dünne Krokantschicht liege. Darunter aber tümple ein Reservoir süßer Männerliebe. Aus diesem Bild heraus nannte sie meine Freundschaft zu Abe eine ›krokantartige Affäre‹. Ich habe sie natürlich darauf aufmerksam gemacht, daß die harte Schicht auf Crème brûlée aus kandiertem Zucker und nicht aus Krokant besteht. Aber solche Kleinigkeiten sollen doch nicht stören dürfen, wenn eine Portugiesin durch den Bilderreichtum der deutschen und der französischen Sprache berserkert. Sie war sehr neugierig, wollte alles wissen, und als ich ihr dezidiert sagte, daß ich ihr keine Details liefern werde, hat sie sich eben welche ausgemalt. Margarida konnte sehr derb sein, in Wort und Tonfall, sehr vulgär. Sie war ja nicht eifersüchtig. Eifersucht kannte sie nicht. Sie konnte sich dieses Gefühl wahrscheinlich nicht einmal vorstellen. Es spielte keine Rolle für sie. Warum nicht? Weil es für sie keine Macht gab, die dem Bündnis, das wir beide nun einmal geschlossen hatten, etwas anhaben konnte. Darum. Wenn ich ihr die mysteriöse Geschichte von Lawrentij Sergejewitsch Pontrjagin und mir im Winter in Moskau am Vodootvodnyi-Kanal erzählt hätte, daß ich all die Jahre im Glauben gelebt hatte, ein Mörder zu sein, sie hätte Verständnis gehabt, sogar noch, wenn ich tatsächlich ein Mörder gewesen wäre. Sie hätte mich angesehen mit ihrem unerschrockenen Mussoliniblick und mir zu verstehen gegeben, daß es für sie nur eine Moral gebe, nämlich unser Bündnis, und daß unmoralisch nur sei, was dieses Bündnis gefährde. Aber ich habe ihr diese Geschichte nicht erzählt. Sie hätte mich in ihren Augen über die Maßen interessant erscheinen lassen.«

Manche Geschichten wollte Carl in eine präzise kalkulierte Choreographie gebettet sehen. Schon zu Anfang meines Besuches hatte ich vermutet — und es auch in C.J.C. 1 niedergeschrieben —, daß er nicht einfach sein Leben vor mir nacherzählen, sondern daß er es inszenieren wollte; daß er sich vorher genau überlegt hatte, in welche Themenkreise er es aufteilen und auch welche Schauplätze als szenischen Hintergrund zu welchen Geschichten er auswählen wollte. In C.J.C. 4 steht dazu die folgende Überlegung. Sie ist im Zorn geschrieben, und zwar am zehnten Abend meines Besuches — also genau in der Mitte unserer Zeit. Es war der einzige Abend, den ich nicht gemeinsam mit Carl und auch nicht in seinem Haus verbracht habe, sondern unten in Innsbruck im Hotel Central.

Die Themen legt er fest, zum Beispiel: die Meister — Edith Stein, Emmy Noether, Abraham Fields. Oder die Schüler — Georg Lukasser, Agnes Lukasser, Sebastian Lukasser. Oder die Geheimnisse — Pontrjagin, die» krokantartige Affäre«. (Das dritte Geheimnis kannte ich in der zehnten Nacht noch nicht, das hatte er sich für den Schluß aufgespart.) Die Ausgestaltung der Themen aber gibt er frei für die Improvisation — nämlich durchaus für meine Improvisation. Duke Ellington soll einmal gesagt haben, die Melodien, die Duke Ellington einfallen, seien zu gut, um sie Duke Ellington allein zu überlassen, alle Musiker des Orchesters sollen glauben dürfen, sie hätten an dem großen Werk teilgehabt. Nur Egomanen wie der Duke oder Carl, die mit jedem zu sprechen bereit sind, aber niemandem zuhören, schaffen es, sich einzubilden, jeder Mensch auf der Welt könne nicht anders als glücklich sein, wenn er von ihnen eine Rolle zugewiesen bekommt. Sein Leben soll ich erzählen? Nicht mehr und nicht weniger? Ja. Aber das ist nur ein Teil der Inszenierung. Am Ende seines langen Lebens will er dem langen Leben den lebenslang vermißten Sinn geben, indem er es zu einer großen Symphonie verkomponiert, besser: zu einer Oper — aufzuführen über mehrere Wochen in der Villa Candoris in Lans. Wem es an Genie mangelt, um ein großer Dichter, Musiker, Künstler zu werden — oder ein großer Mathematiker —, der aber ein Leben lang den Genius so inbrünstig angebetet und unter dem Mangel gelitten hat und sich mit der ihm nicht gewährten Bevorzugung partout nicht abfinden kann, was bleibt dem anderes übrig, als sein Leben selbst zu einem Kunstwerk zu erklären? Die Medici haben ihr Leben zu einer Stadt arrangiert — nicht sie waren Florentiner, Florenz war eine Medici. Shakespeare ist von seinem Genius restlos okkupiert worden, so daß wir für vierhundert Jahre Material hatten, um über den Hamlet nachzudenken, aber so gut wie nichts über seinen Schöpfer wissen. Der Genius ist eine Quelle, hinter der immer mehr ist, als aus ihr fließt. Also besteht wenigstens theoretisch die Möglichkeit, daß die wahre Größe des eigenen Daseins, als es noch dauerte, lediglich nicht bemerkt worden war; daß es also erst am Ende in der Inszenierung in ihrer werkhaften Dimension erfaßt wird — von den anderen, aber vor allem von ihm selbst. Inszenieren ist natürlich ein viel zu schwaches Wort — neu schaffen will er sein Leben aus der Erzählung. Hinter seiner Bewunderung für meinen Vater vermute ich heute Herablassung. Sein überwältigendes Selbstvertrauen gab meiner Phantasie stets zu verstehen: Letztendlich sind auch Michelangelo, Mozart, Shakespeare, Einstein — und Georg Lukasser — nichts weiter als Zuträger jener wahren Auserwählten, die reich genug oder clever genug oder kultiviert genug sind, um deren Werke zu genießen. Zu diesen Auserwählten zählt er sich ohne Zweifel. Erstere mögen Sieger sein in einem mystischen Ringen mit ihrem Genius, letztere sind Gewinner, und zwar in einem handfesten, meist sogar handfest materiellen Sinn. Sein Leben lang hatte er es verstanden, den innersten Kern unter dem Pingpong seiner Ironie zu verbergen; um ein Die-Wahrheit-und-nichts-als-die-Wahrheit geht es ihm in seiner» Lebensbeichte «nicht, wohl auch nicht um die Inventur, die er mir vorlegen wollte, mir, dem» einzigen Menschen von all jenen, die ich geliebt habe, der noch lebt«, wie die Lockformel lautete. Und worum geht es ihm wirklich? Um die Befriedigung seiner Eitelkeit? Das ist Tarnung. Es geht ihm um Rache, um eine advokatenhafte Rache. Was er vor mir inszeniert, ist die Generalprobe für das Plädoyer, das er halten will, wenn er als Ankläger vor den lieben Gott tritt: Warum hast du den Genius an mir vorüberziehen lassen?

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