— Solche Träume kenne ich, sie vergehen so langsam wie Brandwunden.
— Wie eine Schwellung am Kopf!
— Es müssen neue Träume an die Stelle treten.
— Es muß eine neue Frau kommen, und die alte ist weggewischt wie der Abdruck eines Blattes.
— Zeige mir den Abdruck eines Blattes, Baba Ilias.
— Genau das will ich sagen, du Steinkopf, die Erinnerung an die Frau ist plötzlich so flüchtig wie der Abdruck eines Blattes.
— Irgend etwas stimmt mit dir nicht, Baba Ilias, du mußt immerzu erklären, was du eigentlich sagen willst.
— Das hängt allein von den Zuhörern ab, Baba Yusuf. Wer nicht verstehen will, der stolpert über seine eigenen Fragen.
— Kommt näher, meine Brüder, kommt näher. Salim ist zu Bett gegangen, und die Drohungen, die gelegentlich auf uns herabprasseln, sind verstummt, was auch immer der Grund dafür sein mag, wir sollten uns der Segnungen erfreuen, solange wir können. Es gibt unter euch keinen, der nicht wüßte, ich bin von meiner ersten Reise mit einer Frau zurückgekehrt, mit einer jungen Frau, die es mir angetan hatte von dem ersten Augenblick an, als ich sie sah, am Fluß, wo sie mit den anderen Mädchen des Dorfes unsere Sachen wusch. Der Morgen duftete nach erwachenden Pflanzen, nach Blüten im Tau, und ich hatte nichts zu tun, ich hatte keine Arbeit, meine Füße trugen mich zum Fluß, auf Umwegen, ich zwängte mich durch eine Böschung, und auf einmal stand ich am Wasser, und nicht weit von mir entfernt waren die jungen Frauen des Dorfes, gebückt schlugen sie Kleidungsstücke gegen einen Stein, der im Wasser lag, flach wie ein Tisch. Ich sage, die Frauen des Dorfes, aber eigentlich meine ich nur eine Frau, die meinen Blick gefangennahm. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber was ich sah, das erfreute mich so sehr, ich wollte es so lange anschauen, wie ich nur konnte. Ich bewegte mich nicht, ich starrte auf diese Frau, deren Körper glänzte von all den Wassertropfen, die von den ersten ausgelassenen Sonnenstrahlen des Morgens umspielt wurden, ihre Haut war dunkel, so dunkel wie meine, und ihre Bewegungen waren so kräftig und so fest wie die meinen damals. Lange stand ich am Ufer, gefangen von dem Anblick dieses Mädchens, bis ich mich traute, näher zu treten. Ich hatte nicht bedacht, die Mädchen könnten mich nicht bemerkt haben, ich war überrascht, als das erste Mädchen, das mich erblickte, einen spitzen Schrei von sich gab, und alle anderen wirbelten umher im Wasser, als seien sie Fische, die nach einem Bissen schnappen. Ich blieb stehen, meine Hände versuchten mich zu entschuldigen, alle Frauen drehten sich um, damit sie mich beäugen konnten, sie wandten sich ab, um ihre Scham zu schützen, sie waren aufgeregt und erschrocken, und das eine Mädchen, das es mir angetan hatte, es gab sich bescheiden, und doch blickte es mich unvermittelt mit lächelnden Augen an, und in diesem Augenblick lag die größte Aufgabe meines Lebens. Ich wollte diese Augen für immer ansehen dürfen, nicht nur das, ich wollte dieses Mädchen mit den lächelnden Augen für immer besitzen. Wer bist du? fragte eines der älteren Mädchen. Ich bin Sidi Mubarak Bombay, sagte ich, der Führer der Karawane. Ach, sagte die junge Frau, die es mir angetan hatte, dann sind das deine Kleidungsstücke, die wir hier waschen? Und sie hob die Hose hoch, die sie gerade in ihren Händen hielt, und ließ sie baumeln, und die Mädchen lachten, und ich lachte mit ihnen, weil es nichts anderes gab, was ich tun konnte, und weil das Lachen einen Menschen schöner macht, und ich mußte meinem abgenutzten Gesicht so viel Schönheit verleihen, wie ich nur konnte. So etwas trage ich nicht, sagte ich, als das Lachen ausdünnte. Soso, rief eines der anderen Mädchen, du bist wohl nicht so wichtig, du darfst die Kleider der Herren noch nicht tragen. Sie sind unbequem, stammelte ich. Was trägst du denn, Mann von der Küste? fragte das Mädchen, das es mir angetan hatte. Ein Tuch, so wie dieses hier, und wenn es kalt wird, oder an Feiertagen, trage ich eine Kanzu. Vielleicht wasche ich gerade für dich, rief ein anderes Mädchen aus, und es hielt eine Kanzu hoch. Ich bin dir dankbar, sagte ich, selbst wenn diese Kanzu vielleicht nicht die meinige ist. Laß uns tauschen, sagte das Mädchen, das es mir angetan hatte, und die beiden knüllten die Stoffe zusammen und warfen sie sich zu, und die Rufe und das Gelächter der anderen Mädchen zogen sich zusammen zu einem stürmischen Geschrei, aus dem ich ausgeschlossen war. Prüf doch erst einmal, ob sie ihm überhaupt paßt, rief eines der anderen Mädchen. Und mein Mädchen ließ die Kanzu auseinanderfallen, hielt sie mit ausgestreckten Armen vor sich und beäugte mich über den Kragen hinweg. Ich kann das so nicht abschätzen, rief es. Und die Rufe der anderen Mädchen durchnäßten mich wie dichter Regen, ich konnte sie nicht auseinanderhalten, die vielen Rufe der Anfeuerung und Herausforderung. Geh doch zu ihr, hörte ich, hast du etwa Angst, hörte ich, laß dich messen, hörte ich, er traut sich nicht ins Wasser, hörte ich, und auf einmal stand ich vor dem Mädchen, das es mir angetan hatte und das eine weiße Kanzu in den Händen hielt. Ich versuchte zu lächeln, aber die junge Frau heulte auf mit flatternder Zunge, wie es die Menschen in dieser Gegend bei Beerdigungen tun, und das Lachen um mich herum brauste noch mehr auf, als sie mit ihrer lautesten Stimme rief: Ach, ist der klein. Und tatsächlich, es war mir nicht aufgefallen, sie war größer als ich, um einiges größer als ich, und da die Kanzu ihr fast bis zur Nasenspitze reichte, konnte sie nicht meine Kanzu sein, und mein Herz schrumpfte, weil es so schön gewesen wäre, wenn sie mir meine Kanzu entgegengehalten hätte. Paß auf, rief ein anderes Mädchen, der fällt durch diese Kanzu hindurch, das Lachen war inzwischen zu einem Wasserfall geworden, an einem reißenden Fluß. Doch das Mädchen, das vor mir stand, kein schönes Mädchen, die Nase etwas schief und etwas lang, das Kinn zu spitz, doch ein Mädchen, wie ich es noch nie gesehen hatte, die Augen zwei hüpfende und springende und tollende Dik-Dik, es lachte nicht mehr, es blickte mich mit leicht geneigtem Kopf nachdenklich an, die Kanzu glitt nach unten, der Blick, in den wir uns verhedderten, war wie ein Palmwedeldach, das uns vor dem niederprasselnden Lachen schützte. Wir standen da, bis eines der Mädchen die anderen wieder zur Arbeit rief und das Mädchen vor mir sich kopfschüttelnd umdrehte, so wie alle anderen Mädchen mir auf einmal den Rücken zukehrten und sich bückten, um Kleidungsstücke aus dem Wasser zu ziehen. Ich konnte nicht dort stehenbleiben, als sei ich eine Weide, ich mußte mich zurückziehen, obwohl ich sie, die es mir angetan hatte, noch stundenlang hätte betrachten können.
Ich kehrte in unser Lager zurück, langsam, meine Gedanken auf einem kleinen Feuer, das sie nicht aufkochen und nicht zur Ruhe kommen ließ, und ich stellte fest, wie ungut es war, an diesem Tag in diesem Dorf keine Beschäftigung zu haben. Wohin ich auch blickte, ich sah nur die junge Frau vor mir, das lachende Mädchen mit einer Hose in der Hand, dann mit einer Kanzu in der Hand, den ernsthaften Blick, der plötzlich an die Stelle ihres Lachens getreten war, und ihr Hinterteil, ich weiß, ich rede wie ein junger Mann, der seine Zunge noch nicht gezähmt hat, aber ihr Hinterteil vertrieb alle anderen Gedanken aus meinem Kopf. Es war ein Unglück oder es war ein Glück, je nachdem, ob ihr mich fragt oder ob ihr sie fragt, je nachdem, wann ihr mich fragt und wann ihr sie fragt.
Was schreibst du?
Speke schon wieder. Die Klappe des Zeltes hält ihn nicht davon ab zu stören. Er weiß nicht, wie er sich die Zeit vertreiben soll; gleich wird er ein Problem mit ihm besprechen wollen, das er sich vor lauter Langeweile ausgedacht hat. Bin beschäftigt, Jack, dokumentiere die jüngste Etappe unserer Expedition.
Was gibt es da groß zu beschreiben? fragt Speke. Alles sieht gleich aus, eine einzige monotone Soße, egal, ob Wald oder Steppe. Und die Menschen sind noch langweiliger als die Landschaft, sie sehen überall gleich aus, und überall der gleiche dumpfe Ausdruck auf den Gesichtern, was verschwenden wir unsere Zeit, eine Karte dieses Landes zu zeichnen — der weiße Fleck, der beschreibt doch bestens, was sich uns hier offenbart.
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