»Sprich zuerst mit dem Eigentümer. Schließlich haben wir das Haus möbliert gemietet. Vielleicht wechselt er ein paar Stücke aus.« Sie zog überlegend die Brauen hoch. »Wieviel haben wir noch auf der Bank?
Für das Haus müssen wir neunzig Dollar im Monat zahlen, ihrem Brief zufolge.«
»Wir haben genug«, sagte er. »Ich rufe jetzt Ronald Levitt an, den Gemeindevorsteher, und frage ihn nach den jüdischen Geschäften hier in der Stadt. Schließlich kann ich das, was wir brauchen, auch bei den Leuten kaufen, die mein Gehalt bezahlen.«
Er rasierte sich, so gut es mit kaltem Wasser möglich war, zog sich an und küßte sie zum Abschied.
»Kümmere dich heute nicht um mich«, sagte sie. »Kauf ein, was wir brauchen, und laß es im Wagen, während du im Tempel zu tun hast.
Ich werde drüben auf dem Hauptplatz zu Mittag essen.« Nachdem er gegangen war, holte sie ihre alten Jeans und eine ärmellose Bluse aus dem Koffer und zog sie an. Sie strich ihr Haar mit einer Hand zurück und faßte es mit einem Gummiband zu einem Pferdeschweif zusammen. Dann machte sie Wasser heiß und kniete sich barfuß hin, um den Boden zu schrubben.
Im Badezimmer fing sie an, dann kam das Schlafzimmer an die Reihe, dann das Wohnzimmer. Sie war eben mit dem Küchenboden beschäftigt, als sie, mit dem Rücken zur Tür kniend, spürte, daß sie beobachtet wurde, und über die Schulter zurückblickte. Der Mann stand auf der hinteren Veranda und lächelte sie an. Sie ließ die Bürste in den Eimer fallen, stand auf und wischte sich die Hände an ihren Jeans ab.
»Bitte?« sagte sie unsicher. Er trug blau-weiß-gestreifte Leinenhosen, ein kurzärmeliges weißes Hemd, Krawatte und einen Panamahut, aber kein Jackett. Ich muß es Michael sagen, dachte sie, offenbar ist es hier ganz in Ordnung, ohne Rock zu gehen.
»Ich bin David Schoenfeld«, sagte er. »Ihr Vermieter.« Schoenfeld.
Sie erinnerte sich, daß er zum Gemeindeausschuß gehörte. »Kommen Sie weiter«, sagte sie. »Entschuldigen Sie, ich war so beschäftigt, daß ich Sie nicht klopfen gehört habe.«
Er lächelte, als er eintrat. »Ich habe nicht geklopft. Sie haben so hübsch ausgesehen, wie Sie so eifrig bei der Arbeit waren, ich wollte Ihnen einfach ein wenig zuschauen.«
Sie musterte ihn vorsichtig, spürte wie mit unsichtbaren Antennen, was da an männlicher Bewunderung auf sie zukam, aber sein Lächeln war freundlich und sein Blick distanziert.
In der Küche setzten sie sich. »Ich kann Ihnen leider nichts anbieten«, sagte sie. »Wir sind noch keineswegs eingerichtet.«
Er machte eine kleine abwehrende Geste mit der Hand, die den Hut hielt. »Ich wollte nur Sie und den Rabbiner in Cypress willkommen heißen. Wir sind Neulinge in diesen Dingen, wissen Sie.
Wahrscheinlich hätten wir ein Komitee bestellen sollen, das alles für Sie vorbereitet. Brauchen Sie irgend etwas?«
Sie lachte. »Ein anderes Haus. Dieses gehört zweifellos gründlich überholt.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte er. »Ich war vor dem Krieg das letztemal hier herinnen. Während ich in der Armee war, hat sich ein Gebäudemakler darum gekümmert. Ich habe Sie nicht so früh erwartet, sonst wäre alles fix und fertig gewesen.« Er betrachtete ihren Nacken, auf dem Schweißperlen standen. »Es gibt hier in der Gegend genug farbige Mädchen, die Ihnen diese Arbeit abnehmen können. Nachmittag schicke ich Ihnen eine her.« »Danke, das ist nicht notwendig«, sagte sie.
»Ich bestehe darauf. Ein Präsent des Hausherrn, zum Einstand.«
»Vielen Dank, aber ich bin wirklich beinahe fertig«, sagte sie mit Nachdruck.
Er wandte den Blick ab und lachte. »Na gut«, sagte er und rüttelte ein wenig an seinem Sessel, »dann lassen Sie mich wenigstens dieses Klappergestell auswechseln. Ich will sehen, was wir sonst noch in Sachen Möbel tun können.«
Er erhob sich, und sie begleitete ihn zur Tür. »Ja, noch etwas, Mr.
Schoenfeld«, sagte sie.
»Nun?«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch die Matratzen auswechseln könnten.«
Seine Lippen lächelten nicht - aber sie war froh, als er die Augen von ihrem Gesicht wandte.
»Mit Vergnügen«, sagte er, an seinen Hut greifend.
Am nächsten Tag schien ihnen die Zukunft schon nicht mehr unerträglich, auch nicht in ihren verschwiegenen Gedanken. Michael hatte Ronnie Levitt gegenüber das Fehlen einer bema erwähnt, und tags darauf erschien im Tempel ein Tischler, um nach den Angaben des Rabbiners an einem Ende des Raumes ein niedriges Podium zu zimmern. Klappstühle für den Betsaal und Möbel für das Büro wurden geliefert. Michael hängte seine gerahmten Diplome an die Wand und überlegte lange, wie er sein Arbeitszimmer einrichten sollte.
Vor dem Haus fuhr ein Möbelwagen vor, zwei Neger trugen den Großteil des alten Krams hinaus und ersetzten ihn durch ansprechende neue Stücke. Während Leslie eben Anweisungen für das Aufstellen der Möbel gab, erschien Sally Levitt zu einem Antrittsbesuch, und fünf Minuten später läuteten zwei weitere Damen der Gemeinde. Alle drei kamen mit Geschenken: einem Ananaskuchen, einer Flasche kalifornischem Sherry, einem Strauß Blumen.
Diesmal war Leslie schon bereit, Gäste zu empfangen. Sie bot den Sherry an, sie brachte geeisten Tee und schnitt den Kuchen auf. Sally Levitt war klein und dunkelhaarig, eine Frau mit üppigem Mund und jugendlich straffem Körper, den die Krähenfüße um ihre Augen Lügen straften. »Ich kann Ihnen eine Spinnerei sagen, wo Sie herrliche Vorhänge bekommen«, sagte sie zu Leslie, während sie den Raum mit Kennerblick taxierte. »Aus dieser Wohnung läßt sich was Großartiges machen.«
»Das glaube ich allmählich selber«, sagte Leslie und lächelte. Abends, als sie eben beim Kochen war, kamen ihr Schreibtisch und die Bücher aus New York.
»Michael«, rief Leslie, nachdem sie die Bücher ausgepackt und auf die Regale gestellt hatten, »hoffentlich können wir unser Leben lang hierbleiben!«
In dieser Nacht, auf den neuen Matratzen, liebten sie einander zum erstenmal in dem neuen Haus.
Am folgenden Sonntag wurde der Tempel Sinai feierlich seiner Bestimmung übergeben. Richter Boswell hielt die Festansprache und redete lang und wortreich über das jüdisch-christliche Erbe, die gemeinsame Ahnenreihe von Moses und Jesus und über den demokratischen Geist in Cypress, »der wie edler Wein die friedliche Luft von Georgia erfüllt und die Menschen als Brüder miteinander leben läßt, welcher Kirche sie auch angehören mögen«. Während er sprach, sammelte sich auf der anderen Straßenseite eine Gruppe farbiger Kinder, die kichernd herüberwiesen oder mit großäugig schweigender Neugier die weißen Leute auf dem gegenüberliegenden Gehsteig anstarrten.
»Ich betrachte es als ein Glück und eine Ehre«, schloß der Richter, »daß meine jüdischen Nachbarn mich eingeladen haben, an der Taufe ihres neuen Gotteshauses teilzunehmen.« Es folgte ein Augenblick der Stille, in dem er merkte, daß irgend etwas nicht ganz stimmte, aber dann setzte der Applaus ein, den der Redner strahlend entgegennahm. Während der Festakt noch seinen Lauf nahm, war Michael die Wagenkolonne aufgefallen, die langsam und stetig am Tempel vorbeifuhr. Aus Höflichkeit hatte er den Blick nicht vom Gesicht des Redners gewandt, und zum Abschluß der Feierlichkeit war es an ihm, den Segen zu sprechen. Aber als er damit zu Ende war, schaute er, gegen die blendende Sonne blinzelnd, über die Köpfe der sich zerstreuenden Menge. Die Wagenkolonne riß noch immer nicht ab.
Da kamen Fahrzeuge aller Marken und Modelle, manche mit Alabama-oder Tennessee-Kennzeichen, neue und alte Wagen, Laster und gelegentlich ein Cadillac oder ein Buick.
Ronnie Levitt steuerte auf ihn zu. »Rabbi«, sagte er, »die Damen haben drinnen für Kaffee gesorgt. Der Richter bleibt auch noch hier. Das ist eine gute Gelegenheit für ein Gespräch zwischen Ihnen beiden.«
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