»Genossen, macht euch keinen Kopf, in der Kommune fangt damit an! Was wir jetzt mit euch vorhaben, ist einfach, kommt auch nicht dem Sauschneider gleich!
Ein kleiner Schnitt, nur fünfzehn Millimeter lang, nach einer Viertelstund schon wieder fit vom Bett er sprang.
Er schwitzte und er blutete nicht, und fing am selben Tag noch zu arbeiten an.«
In diesem ungewöhnlichen Frühling nahm die Kommune, so sagte mir meine Tante, an 648 Männern eine Sterilisation vor. Bei ihr persönlich kamen 310 unters Messer. Sie erzählte, man brauche den Massen eigentlich nur die Gründe ordentlich zu erklären und die politische Strategie festzulegen. Wenn die leitenden Kader den Anfang machten und Schritt für Schritt alles glatt laufe, könne man auch mit dem Verständnis der Leute rechnen. Sie würden dann mitziehen. Sie habe auf diese Weise viele Eingriffe gemacht. Der Großteil der Männer sei gemeinsam mit dem leitenden Kader seines Dorfes gekommen, der als gutes Beispiel den Anfang gemacht habe. Wirklich frech gewesen seien nur zwei, die hätten Schwierigkeiten gemacht. Da habe man dann geringfügige Zwangsmaßnahmen ergriffen, und gut war’s. Der eine sei unser Kutscher Wang Bein gewesen, der andere der Verwalter unseres Brigadekornspeichers, Xiao Oberlippe. Wang Bein habe sich auf seine guten Familienverhältnisse verlassen, deswegen habe er sich reaktionär, noch dazu arrogant und aggressiv verhalten.
Kaum aus der Untersuchungshaft wieder auf freiem Fuß, schwang er laute Reden, wer es wage, ihn zur Sterilisation zu zwingen, dem werde er den blanken Stahl hineinstoßen und triefend rot wieder herausziehen!
Mein Freund Wang Leber war verliebt in Gugus Assistentin Shizi und deswegen gefühlsmäßig auf Gugus Seite. Er wollte seinen Vater zur Sterilisation überreden, erntete aber nur zwei Backpfeifen. Leber floh eilends aus dem Haus, Wang Bein rannte mit der großen Kutscherpeitsche hinter ihm her. Er verfolgte ihn bis zum Teich am Dorfrand. Da standen Vater und Sohn hüben und drüben, zwischen ihnen das Wasser, und schrien sich an. Wang Bein brüllte:
»Du verfickter Hundesohn! Seinen eigenen Vater zur Sterilisation überreden wollen!«
Sein Sohn schrie zurück:
»Wenn du meinst, dass ich einen verfickten Hund zum Vater habe, dann ist das wohl so!«
Wang Bein merkte, dass er sich mit seinem Schmähruf selbst beschimpft hatte, und rannte los um den Teich, immer seinem Sohn hinterher. Sie rannten und rannten, Runde um Runde, wie in einem Kollergang. Ein ganzer Haufen Schaulustiger versammelte sich, der Öl ins Feuer goss, Zunder auflud, Wind zufächelte, damit die Flammen höher schlagen konnten. Die Folge waren unaufhörliche Lachsalven.
Wang Leber hatte den scharfen Säbel heimlich von zu Haus fortgeschafft und beim Dorfparteizellensekretär Yuan Gesicht abgegeben. Er erklärte ihm, die Mordwaffe habe sein Vater schon mal vorbereitet, damit er den, der es wage, ihn zum Sterilisieren zu schleppen, einen Kopf kürzer machen könne. Yuan Gesicht wagte nicht, nachlässig zu verfahren, und nahm den Säbel mit zur Kommune, wo er meiner Tante und Parteisekretär Qin davon berichtete. Qin knallte wütend mit der Handfläche auf den Tisch.
»Damit hat er sich strafbar gemacht! Zuwiderhandlung gegen die Politik der Geburtenplanung ist Konterrevolution!«
Meine Tante meinte:
»Wenn wir den nicht erledigen, können wir das nicht im großen Stil durchziehen.«
»Auf jeden Fall. Denn alle im Dorf, die zu sterilen Männern werden sollen, schauen auf Wang Bein«, pflichtete Yuan Gesicht ihr bei und wies seine Leute an: »Nehmt diesen typischen Fall von einem Negativ-Beispiel fest!«
Der alte Ning, Beamter für öffentliche Sicherheit im Kommunebüro, der immer ein Sturmgewehr um die Lenden trug, trat, Gewehr bei Fuß, sofort vor. So rückte der Dorfparteisekretär mit Nings Unterstützung zusammen mit der Vorsitzenden des chinesischen Frauenverbandes und dem Feldwebel der Volksmilizionäre mit seinen vier Milizionären aus, um den Hof des Wang Bein zu stürmen.
Wangs Frau, die mit einem kleinen Mädchen an der Brust im Schatten der Bäume Strohmatten flocht, ließ, sowie sie den bedrohlichen Ansturm bemerkte, die Arbeit fallen, warf sich zu Boden und weinte in höchsten Tönen.
Leber saß unter der Traufe und sagte keinen Ton, Galle kauerte auf der Schwelle und betrachte ihr zierliches Gesichtchen in einem kleinen Spiegel, als Yuan Gesicht schrie:
»Wang Bein, komm raus! Wir werden nun andere Saiten mit dir aufziehen. Wenn der süße Schnaps ausgetrunken ist, folgt die bittere Medizin des Gesetzes. Kommunepolizist Ning ist auch mitgekommen. Du magst uns einmal noch entkommen sein, doch beim zweiten Mal gibt es kein Entrinnen mehr. Ein richtiger Kerl macht so was entschlossen, sauber, auf einen Streich. Was soll dieses Rumgeeiere?«
»Fang Lianhua! Hör auf zu brüllen und ruf deinen Mann heraus«, riet die Vorsitzende des Frauenverbands der Frau des Wang Bein.
Nichts tat sich. Yuan Gesicht blickte vielsagend zum Polizisten hinüber, ein Wink und die vier Bullen stürmten mit Seilen bewaffnet das Haus. Zu gleicher Zeit warf Leber, der unter der Traufe stand, dem Polizisten Ning einen Blick zu und zeigte auf den Schweinepferch, wo es in der Ecke rumorte. Obwohl er ein kurzes und ein langes Bein hatte, war Ning fix zu Fuß, ein paar Riesenschritte und er stand mit gezücktem Gewehr vor dem Pferch, um zu brüllen: »Wang Bein, komm raus!«
Den Kopf voller Spinnweben kam dieser herausgekrochen. Die Bullen umzingelten ihn mit den Seilen. Bebend vor Wut, rieb er sich das schweißnasse Gesicht.
»Hinkebein, was krakeelst du da? Kriegst du es mit deiner kaputten Flinte wieder nicht gebacken, dass einer wie ich dich fürchtet?«
»Ich wollte dir gar keine Angst einjagen, mach kein Theater und komm brav mit, dann passiert dir auch nichts.«
»Ach? Und wenn ich nicht mitspiele, was machen wir dann? Willst du mich jetzt erschießen, oder was? Wenn du nicht zu feige bist«, er zeigte auf seinen Hosenstall, »dann feuer hier rein. Da ist es mir lieber, du kastrierst mich mit der Knarre, als dass ich mir von diesen zwei alten Weibern mit dem Messerchen dran rumschnippeln lasse.«
»Wang Bein, hör auf, so ein Blech zu reden, Sterilisation beim Mann bedeutet diese Röhre zubinden, mehr nicht«, rief die Vorsitzende des Frauenverbandes.
»Dir gehört die Möse zugenäht, dass du’s weißt!« Wang Bein zeigte mit dem Finger auf ihren Schritt.
Der Polizist schwenkte sein Sturmgewehr: »Marsch jetzt! Fesselt ihn!«
»Woll’n mal sehn, wer hier wagt, mich anzurühren!«Bein griff sich einen Spaten und hielt die Klinge mit funkelnden Augen in Richtung der Bullen. »Nur zu, noch einen Schritt näher und ich hau euch den Schädel weg!«
Genau in diesem Moment erhob sich das Püppchen Galle mit seinem kleinen Spiegel in der Hand von der Schwelle. Dreizehn Jahre alt war die Kleine damals und maß gerade mal siebzig Zentimeter. Aber trotz ihrer zurückgebliebenen Körpergröße war sie wunderhübsch und ebenmäßig gewachsen, wie eine Schönheit aus dem Zwergenland. Mit dem Spieglein leitete sie – bar jeder Bosheit – einen blendenden Sonnenstrahl direkt in das Gesicht ihres Vaters, wobei sie mit ihrem unschuldigen, engelsgleichen Stimmchen ein helles Lachen erklingen ließ.
Die vier Bullen witterten ihre Gelegenheit sofort, sprangen vor und packten den vom Sonnenlicht Geblendeten, entrissen ihm den Spaten und fesselten ihm blitzschnell die Hände auf dem Rücken.
Bein heulte, als man ihn band, laut auf, wie ein abgestochenes Schwein. Es war ein so herzzerreißendes Gebrüll, dass die Schaulustigen, die auf die Mauer seines Hofes geklettert waren und die sein Haupttor umlagerten, von Traurigkeit ergriffen wurden. Der Milizionär mit dem Seil in der Hand war nicht darauf vorbereitet, wurde unsicher. Was tun?
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