»Selbstverständlich.« Stanley zuckte bei diesem Angebot mit keiner Wimper. »Mal sehen, ob wir was haben.« Er rief einen Assistenten, der für zehn Minuten verschwand, bei seiner Rückkehr etwas in Stanleys Ohr flüsterte und wieder hinausging.
Stanley seufzte.
»Absolut nichts, fürchte ich. Es tut mir sehr leid. Ich hoffe, das wird Ihr Versprechen nicht beeinträchtigen, da ich Ihr Angebot guten Glaubens angenommen habe.« Dills spürte die Drohung hinter dem widerlichen Lächeln. Er zuckte zurück, als Stanley hinzufügte: »Tausend wären sehr großzügig.«
»Tausend! Ich dachte an wesentlich – « Hastig schluckte Dills. Wie konnte so eine aufgedunsene, blasse Kreatur so viel Macht besitzen? »Aber sicher doch. Ich werde die Anweisung morgen schicken.«
Stanley schrieb etwas auf ein Stück Papier. »Zahlbar auf dieses Konto.«
Bent war verschwunden – und diese Information hatte ihn tausend Dollar gekostet. In übler Stimmung verließ Dills das Gebäude und ging hinüber zum Park, wo seine Kutsche wartete. Doch trotz seines Ärgers erheiterte ihn die Vorstellung des behenden Mr. Hazard. Hinter dem Weihrauchduft hatte Dills eindeutig Whiskey gerochen. Was für ein verblüffender Balanceakt.
Ah, es gab viele solcher Balanceakte in Washington. Es war, das hatte ihn die Erfahrung gelehrt, eine Stadt der Raubtiere, in der Verkleidung von Patrioten.
In Lehigh Station wurden neue Gräber ausgehoben, die ankommenden Frachtzüge brachten neue Särge, ankommende Wagen gelegentlich Verwundete oder auf Dauer Verstümmelte. Ab und zu war in der Stadt auch ein gesunder Mann zu sehen, der gerade jetzt nicht zu Hause sein sollte. Brett wohnte lange genug hier, um solche Männer zu erkennen.
Sie beschloß, der örtlichen Feier am 4. Juli fernzubleiben, und widmete sich statt dessen neun Stunden lang Scipio Browns Kindern. Es war eine Zeit drückender Hitze, sinkender Moral, plötzlicher Alarmmeldungen. Jubal Earlys Armee hatte Washington eingekreist und alle Bahn- und Telegraphenlinien nach Baltimore unterbrochen. Jubal Earlys Armee hatte Silver Spring erreicht, in Sichtweite der Unionsbefestigungen entlang Rock Creek. Jubal Earlys Armee hatte fast schon Washington in der Tasche gehabt, bevor sie nach Pennsylvania abgedrängt worden war. Wie weit mochten die Rebs diesmal in den Staat vordringen?
Es war eine Zeit der allgemeinen Kriegsmüdigkeit, voller Zynismus. Aber all das spielte in Bretts Leben nur eine untergeordnete Rolle. Mit Charles Mains Hilfe war Billy aus dem Libby-Gefängnis entkommen, hatte das Feindesland durchquert und während der titanischen Schlacht bei Spotsylvania die Unionslinien erreicht. Eine Kugel hatte ihm eine harmlose Beinwunde zugefügt, aber in seinen Briefen schrieb er, daß er sich vollkommen erholt hatte und zu seiner Einheit bei Petersburg zurückgekehrt war.
Diese Wendung machte sie froh und glücklich. In geringerem Maße taten das auch die Besuche von Scipio Brown, der jede zweite oder dritte Woche mit einem neuen Kind erschien. Die Räumlichkeiten waren längst hoffnungslos überfüllt. Aber Brown brachte weiterhin kohlschwarze oder kaffeebraune Kinder, und sie verliebte sich sofort in jedes einzelne von ihnen.
Constance beobachtete all das verblüfft und amüsiert. »Ich sage dir, Brett, am Tag vor Scipios Ankunft bist du jeweils viel glücklicher als am Tag seiner Abreise.«
»Tatsächlich?« Ein Lächeln, ein Schulterzucken. »Ja, ich glaube auch. Ich mag ihn.«
Constance nickte; beide Frauen wußten, daß dies die einzig nötige Erklärung war. Doch in ihren Briefen an George schrieb Constance von einem bemerkenswerten Wandel.
Dann traf als große Überraschung eine telegraphische Bitte von Madeline Main ein. Sie befand sich in Washington.
»Orry wollte nicht, daß sie nach South Carolina geht«, sagte Constance, nachdem sie die Nachricht ein zweitesmal gelesen hatte. »Mit Hilfe eines Schwarzen von Fredericksburg erreichte sie Fort Du Pont und überquerte die Linien. Einen Tag hielt man sie zum Verhör fest, dann wurde sie entlassen. Sie bittet um Erlaubnis, herkommen zu dürfen.«
Sofort sagte Brett: »Ich glaube, jemand sollte nach Washington fahren, um ihr behilflich zu sein. Ich bin bereit.«
»Das überlasse ich dir nicht allein. Wir fahren beide.«
Und so unternahmen die beiden Frauen die lange, schmutzige Bahnfahrt, während es mit der Belagerung von Petersburg nicht voranging und Sherman vor Atlanta zum Stillstand zu kommen schien. Die Hälfte der Passagiere warf ängstliche Blicke zum Fenster hinaus, aber zwischen Lehigh Station und Washington sahen sie keinen einzigen Rebellen. In einem kleinen, dunklen Zimmer auf der Insel begrüßte sie Madeline. Sie wirkte etwas matronenhafter, war aber immer noch eine Schönheit, wie Brett feststellte, bevor sie sich umarmten.
»Wie schön, dich zu sehen«, sagte Constance. »Ich bin froh, daß Orry dich in diese Richtung anstatt nach Süden geschickt hat, wo so viele Gefahren lauern.«
»Wir werden gut für dich sorgen«, versprach Brett. »Du siehst erschöpft aus.«
Madelines Gesichtsausdruck wechselte. »Bevor wir fahren, möchte ich euch sagen, weshalb ich Richmond verlassen mußte. Andere Leute haben erfahren, was Orry wußte, seit ich von Resolute flüchtete. Ich – «
Sie schwieg einen Moment, schien mit der Last zu kämpfen. »Ich habe Negerblut in mir. Meine Mutter war eine Terzeronin.«
Brett saß ganz still, wagte aus Angst, Madeline zu beschämen, keine Bewegung. Ruhig fuhr Madeline fort: »Ihr wißt, was das in der Konföderation bedeutet. Ein Tropfen schwarzen Blutes, und du bist ein Schwarzer.« Sie hielt inne. »Wird das auch in Lehigh Station so sein?«
Constance antwortete zuerst. »Ganz sicher nicht. Du hättest es uns nicht zu erzählen brauchen.«
»Oh doch, dazu fühle ich mich verpflichtet.«
Brett war sich nicht sicher, was sie empfand. Widerstreitende Gefühle, in ferner Kindheit eingepflanzt, tobten in ihr.
»Seid ihr überzeugt davon, daß es keinen Unterschied macht?« fragte Madeline.
»Keinen«, sagte Brett und wünschte, es wäre so.
»Wäre ich auf der Straße am Fluß geblieben, dann hätten sie mich sicher erwischt«, sagte Andy. »Sie kamen zwischen den Palmen hervor – zwei davon auf Mulis –, aber ich kenne ein paar Schleichpfade, und sie nicht.«
»Setz dich erst mal, ruh dich aus«, sagte Philemon Meek und gab ihm seinen eigenen Stuhl. »Ich bin froh, daß dir nichts passiert ist.«
Die schwere Luft des Juliabends füllte das Büro der Plantage. Meek marschierte auf und ab. Wie alt er geworden ist, dachte Cooper.
Meek hatte darauf bestanden, daß sie sich hier berieten, damit niemand vom Hauspersonal etwas hörte. Er wollte nicht, daß sie auch noch fort rannten. Cooper gab sich da geringeren Illusionen hin als der Verwalter. Das Hauspersonal wußte, daß die Guerillabande in der Nähe lagerte, und die Reihen lichteten sich.
Meek hörte auf, seine Brille herumzuwirbeln. »Eins möchte ich ganz klar wissen. Du hast diesmal weiße Männer gesehen?«
»Ja. Zwei im Grau der regulären Armee, drei in zimtfarbenen Uniformen.«
»Wenn weiße Deserteure sich den Reihen der Neger anschließen«, sagte der Verwalter, »dann haben wir doppelten Grund zur Furcht.« Er wandte sich Cooper zu. »Ich zweifle kaum daran, daß sie uns angreifen werden, Mr. Main. In diesem Bezirk ist das hier die größte noch in Betrieb befindliche Plantage. Ich meine, wir sollten einige der Sklaven bewaffnen – vorausgesetzt, wir finden irgendwelche Waffen.«
»Ist das der einzige Weg?« schnappte Cooper. »Kampf?«
Nach einigen Sekunden der Verblüffung sagte Meek: »Wenn Sie einen anderen Vorschlag haben, dann würde ich ihn nur zu gern hören.«
Die Stille wurde nur von Insektengeräuschen unterbrochen. Oben beim Haus summte eine Frau die Melodie einer Hymne. Andy spähte angestrengt zum Fenster hinaus.
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