»Geschafft«, brüllte Alexander. Cooper schaute automatisch in Richtung Heck, obwohl er nichts sehen konnte. Er hörte das langgezogene Quietschen des Pumpenkolbens. Dann wieder Alexander.
»Sie funktioniert!«
»Hurra«, rief Dixon. Die Crew klatschte Beifall. Tränen traten Cooper in die Augen, während er mühsam nach Luft schnappte. Er glaubte zu spüren, wie sich das Heck hob. Dixon bestätigte es.
»Da kommt sie hoch!«
Minuten später badete die Hunley im Mondschein.
Wie Verrückte gingen Dixon und Alexander auf die Bolzen der vorderen und hinteren Luke los. Ganz plötzlich sah Cooper die Sterne, atmete herrliche, kalte Luft ein. Innerhalb kürzester Zeit kurbelten die Männer an der Welle, als wäre nichts geschehen.
Dixon kletterte hoch und spähte hinaus. »Nur noch eine Person da. Kann nicht erkennen, wer’s ist.«
Langsam schob sich das Tauchboot auf den Pier zu, wo Lucius Chickering auf und nieder sprang und klatschte und sich mit erhobenen Armen drehte wie ein glücklicher Vogel. Dixon befahl ihm, mit den Luftsprüngen aufzuhören und beim Festmachen des Schiffes zu helfen.
»Ich vollführe keine Luftsprünge, ich feiere«, rief Lucius, als Dixon sich zum Bug vorarbeitete und ihm eine Leine zuwarf. »Die Soldaten und die Leute aus der Stadt sind nach vierzig Minuten nach Hause gegangen. Alle sagten sie, ihr wärt tot, aber ich hatte diese verrückte Idee, ich müsse nur bleiben – ich dürfe nicht aufgeben –, dann hätten alle anderen unrecht, und das Boot würde schließlich auftauchen. Allmächtiger, Lieutenant, ihr habt meinen Glauben auf eine harte Probe gestellt. Wissen Sie, wie spät es ist?«
Alexander, der hinter Cooper hinauskletterte, fragte: »Wie lange waren wir unten?«
Cooper hob seine Uhr ans Ohr. Guter Gott, sie tickte immer noch! Er sprang an Land, hielt die Uhr ins Mondlicht, glaubte sich versehen zu haben.
»Es ist fünfzehn Minuten vor zehn. Wir waren zwei Stunden und fünfunddreißig Minuten getaucht.«
»Ich hab’s gesagt, ich hab’s gesagt«, rief Lucius, packte Cooper bei den Schultern und wirbelte ihn herum. »Ist das nicht unglaublich? Sie hatten recht. Es funktioniert.«
Alexander murmelte etwas; Dixon brachte ihn zum Schweigen. »Sie kann sich jetzt jederzeit rausschleichen, Yankees abschießen – oh.« Lucius stoppte seinen Tanz. »Hab’ ich ganz vergessen, Mr. Main. Ein Soldat sagte, er werde in General Beauregards Hauptquartier gehen, um zu melden, die Hunley sei erneut gesunken. Alle Mann seien tot. Ich möchte wetten, Ihre Frau hat das mittlerweile auch gehört.«
»Oh Gott. Lieutenant Dixon, gute Arbeit. Ich melde mich ab.«
Er hatte den Satz noch nicht ganz beendet, da lief er schon los, eilte wie ein großer Strandvogel über den Sand auf das Ruderboot zu. Lucius stülpte sich den Hut auf den Kopf. »Warten Sie auf mich, Mr. Main!«
Als Cooper nach seinem unglaublichen Abenteuer in der Tradd Street ankam, weinte Judith vor Erleichterung, auch wenn Lucius Chickerings Voraussage sich als nicht richtig erwies; sie hatte noch nichts davon gehört, daß das Boot untergegangen sein sollte.
Sie umarmte ihren Mann lange und fest. Aber sie zog es trotzdem vor, in dieser Nacht allein zu schlafen.
93
»Herr Direktor«, sagte Vesey, »dieser Yank hat sich wie ein wildes Tier auf mich gestürzt. Er tat das ohne jede Provokation. Es ist Ihre Pflicht, wenn ich so kühn sein darf – Ihre Pflicht als verantwortlicher Kommandant und Christenmensch, mir das Recht zuzugestehen, ihn zu bestrafen.«
Der junge Turner, im Zweifel darüber, dachte eine Weile nach. »Ich würde es tun, kann aber sowas aus mehreren Gründen im Libby nicht zulassen. Zum einen haben wir zuviel verfluchte Rechtsanwälte aus Philadelphia unter den Insassen. Zum anderen schenkt uns dieser verdammte Wichtigtuer, der für Seddon arbeitet, zuviel Aufmerksamkeit.«
»Sie meinen diesen einarmigen Colonel, Herr Direktor?«
»Richtig. Main. Das selbsternannte Gewissen unserer Gefängnisse. Er schnüffelte ständig hier herum.« Vesey nickte. »In letzter Zeit sind uns seine Besuche erspart geblieben – ich hab’ gehört, er hat einen schlimmen Anfall von Ruhr und kann das Bett nicht verlassen. Aber kaum sage ich, machen Sie nur zu, da erholt er sich und steht hier schon in der Tür.«
Vesey schaute düster drein. Dann bemerkte er den Ansatz eines Lächelns. »Wenn Sie natürlich eine Möglichkeit sehen, gewisse disziplinarische Maßnahmen außerhalb dieses Gebäudes durchzuführen, dann könnte ich eine vorübergehende Entlassung ausstellen, die sie hinterher wieder vernichten.«
Vesey beugte sich vor, sein Lächeln doppelt so breit wie das von Turner.
»Sollten Sie dabei Helfer brauchen – ich meine, falls es Zeugen gibt«, fuhr der Gefängnisdirektor fort, »dann müssen sie absolut vertrauenswürdig sein.«
»Kein Problem, Sir.«
»Wenn Sie Spuren an ihm hinterlassen, dann muß es so aussehen, als wäre es ein Unfall gewesen.«
»Dafür garantiere ich.«
»Dann werde ich den Paß vorbereiten. Bevor ich Ihnen den Paß aushändige, möchte ich über Ihren Plan im Detail informiert werden.«
»Jawohl, Sir. Danke, Sir!« sagte Vesey und knallte salutierend die Hacken zusammen.
»Freut mich, behilflich sein zu können.« Turner lächelte immer noch. »Sie sind ein beispielhafter Soldat, Vesey. Ich wünschte, ich hätte mehr von Ihrer Sorte.«
Diese Unterhaltung fand am 13. Januar statt. Einige Tage später meldete sich ein sehr aufgeregter Vesey wieder. Die Stimmung des Corporals erfassend, fragte Turner: »Nun? Wie wollen Sie es machen?«
»Mit einem Munitionswagen, den sich mein Cousin bei der Artillerie ausborgt. Ein Munitionswagen und die schlimmste Straße, die wir finden können. Mein Cousin hatte die Idee. Er sagte, die Yanks bestraften ständig Übeltäter auf diese Weise. Was gut genug für sie ist, sollte auch gut genug für uns sein.«
Er fuhr fort, redete über eine Minute. Zum Schluß lachte Turner laut auf. »Erstklassig! In einer Stunde haben Sie den Entlassungsbefehl. Am besten bringen Sie ihn spät abends raus, da sind weniger Leute wach. Offiziell sagen wir, er werde wegen eines dringenden Verhörs in General Winders Büro gebracht.«
»Das ist perfekt, Sir.« Vesey konnte sein Frohlocken nicht verbergen. »Ich muß Ihnen das in aller Offenheit sagen. Bei diesem Ereignis wird eine kleine Gruppe anwesend sein – mein Cousin und einige seiner Kumpels. Aber ich schwöre, Direktor, jedem einzelnen Mann kann man voll vertrauen.«
»Sie haften mir dafür«, sagte Turner mit sanftem Lächeln. »Ich wünschte, ich könnte selbst dabei sein.«
»Das ist General Winders Büro?« Nach der Frage spuckte Billy aus, aber die Spucke tröpfelte wegen der merkwürdigen Neigung seines Kopfes bloß auf die Speichen.
»Halt’s Maul, Yank«, sagte Clyde Veseys Cousin. Er zog Billys Kopf zurück, stieß ihn dann vor gegen das Rad. Die Pferde stampften und schnaubten. Es war ein strahlender, windiger Morgen, für Februar recht warm. Kahle Bäume rauschten zu beiden Seiten der verlassenen, von tiefen Rillen durchzogenen Straße, die sich über mehrere kleine Hügel hinzog.
Mit gespreizten Armen und Beinen hing Billy an dem Ersatzrad, das hinten an dem Artilleriemunitionswagen in einem Winkel von fünfundvierzig Grad befestigt war. Sein nackter Rücken war von einer Gänsehaut überzogen, die Radnabe bohrte sich in seinen Magen. Zwei Pferde statt der üblichen sechs waren eingespannt worden.
»Crawford?« Veseys Cousin trat vor. »Dir fällt die ehrenvolle Aufgabe des Vorreiters zu.« Der tölpelhafte Bursche bestieg eifrig das nächste Pferd. Mit vom winterlichen Sonnenschein geröteten Wangen trat Vesey zur Seite, damit der Gefangene ihn sehen konnte.
»Gentlemen, können wir anfangen?« Nicken, Grinsen. »Sollten wir nicht mit einer Hymne beginnen? Besser noch, vielleicht sollten wir für die Seele beten, die uns bald verlassen wird.«
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