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Alfred Schirokauer: Alarm

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Alfred Schirokauer Alarm

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Muriel löste sich von der wuchtigen ehemännlichen Fassade und ging auf Rutland zu. Hob die Hand und hob den Kopf. Der Rand des Hutes, der tief in die Stirne gedrückt war, bedeckte fast ihre Augen. Jetzt erst sah sie Rutlands Gesicht.

Da entrang sich ihrem Munde ein verflatternder Schrei, wie das Angstzirpen eines kleinen Vogels.

Die erhobene Hand blieb steif und leblos in der Luft stehen.

Ihre Wangen wurden weiß wie der Hermelinkragen ihres Mantels.

Rutlands Hand, die er zur Begrüßung ausgestreckt hatte, irrte haltlos umher.

»Nanu —! Was ist – —?!« rief Bouterweg verblüfft.

Doch da hatte Muriel die erste verräterische Bestürzung schon überwunden. Sie war nicht umsonst die Frau, die sich schon mit zwanzig aus der vernichtenden, bloßstellenden Katastrophe ohne Schaden für ihren Ruf herausgewunden hatte. So wenig überragend ihre Klugheit war, so bewundernswert war ihre gerissene Schlagfertigkeit und zielsichere Geistesgegenwart. Sie war ein Musterbeispiel für die Überlegenheit des Weibes über den Mann in bestürzenden Lebenslagen.

»O nichts«, zwitscherte sie mit ihrer überhellen, einschmeichelnden Stimme mit starkem amerikanischen Akzent. »Ich hatte mir den mächtigen Präsidenten dieser großen Gesellschaft nach deinen Schilderungen nur viel älter vorgestellt. Daher meine Überraschung.«

Sie gab ihm kräftig und burschikos die Hand. Völlig ihrer selbst sicher. Nur dünne rote Streifen in dem noch blassen Gesicht verrieten die ungeheure Anstrengung ihres Willens.

Bouterweg lachte, daß das Tintenfaß auf dem Schreibtisch gläsern klirrte.

»So, so?« dröhnte er dazwischen, »du hast dir eingebildet, ich verhandle hier mit einem Mummelgreise! Was sagen Sie, Rutland, mein Püppchen dachte, in England werden die Überseedampfer in einem Altersheime gebaut.«

Er lachte, daß sein Riesenleib den Fußboden erzittern ließ. —

Auch Rutland hatte sich wieder vollkommen im Zaume. So sehr, daß der umwälzende Augenblick seines Lebens, in dem er dieser Frau zum ersten Male wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, fast nichtig und unbedeutend an ihm vorüberging.

Noch gestern abend war diese Möglichkeit ihm zerschmetternd und seine ganze Zukunft vernichtend erschienen. Heute war die vollzogene Wirklichkeit schon etwas fast Selbstverständliches und durchaus kein schicksalsgestaltendes Geschehnis. Er übersah dabei freilich, daß die grandiose Haltung Muriels diesem Ereignisse die Panikstimmung nahm.

»Ich freue mich«, sagte er, ohne daß in seine Stimme eine Gemütsbewegung hineinklang – er empfand in diesem ersten Augenblicke sonderbarerweise auch nicht die geringste seelische Erschütterung —, »die Gattin meines lieben Geschäftsfreundes zu begrüßen und bin froh, Sie, gnädige Frau, durch meine Jugend zu überraschen. Ein solch angenehmes Erstaunen erwecke ich leider nicht alle Tage.«

»Oh, er fischt, der alte Sünder!« lachte Bouterweg.

»Auch ich freue mich sehr, Mr. —«, sie zögerte vor dem angenommenen Namen, nur ganz leicht, ganz kurz, doch es entging Rutland nicht – »Mr. Rutland – so war doch der Name?«

»Nun kennt sie den Namen Rutland nicht, den ich ihr täglich stundenlang wiedergekäut habe!« entrüstete der Mann sich gutmütig. »Und nun sage du ihm, Darling, daß du ihm zürnst und nie vergeben wirst und schrecklich beleidigt bist, wenn er nicht mitkommt und den Geschäftsabschluß mit uns feiert!«

»Oh«, rief sie überschwenglich, »ich bin überzeugt, daß Mr. Rutland« – es war wieder, als stolpere sie über den Namen – »uns diese Freude nicht vorenthalten wird.«

Sie blickte kokett und faszinierend zu ihm auf. Der Blick schlug ihm mitten ins Herz. Lebhaft stand die Vergangenheit auf. Wie oft hatte sie ihn mit diesem niedlichen Getue und dieser bestrickenden Lockung angesehen in den alten, alten, toten Zeiten.

»Ich komme«, sagte er heiser, völlig unberührt von dem flirtenden Reize ihrer schönen blauen Augen. Doch weiterer Widerstand schien ihm jetzt unnötig und gefährlich.

»Bravo«, jubelte Bouterweg. »Ich wußte ja, dem Zauber widersteht kein gesunder Mann.«

Schon hatte Muriel in ungezwungener Lebhaftigkeit ihren Arm bei Rutland eingehakt – er erschauerte unter der Berührung —, lustig hing Bouterweg sich in den anderen Arm seiner Frau.

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