— Oh, sagte Falke.
Die drei Jungen mussten wohl ziemlich dumme Gesichter gemacht haben, denn plötzlich fing Dorn an, sie auszulachen, und dann lachten alle. Allerdings bekamen sie danach noch etliche Ohrfeigen.
Heute mischst du Farbe, krächzte Dorn eines Morgens.
— Ich mische dauernd Farbe.
— Dann mach meinen Platz sauber.
— Nein!, sagte Eistaucher mit finsterer Miene.
Dorns Grinsen erriet, dass er Eistaucher hatte provozieren wollen. — Dann misch Farbe. Ich zeige dir, was man machen muss, damit sie im Regen nicht verläuft.
Genau das hatte Eistaucher wissen wollen, weshalb er Dorn misstrauisch anstarrte. Dorn lachte ihn aus.
Ohne zu lächeln, beobachtete Heide die beiden.
— Wie geht es deinem Bein?, fragte sie.
Eistaucher zuckte mit den Schultern. — In Ordnung.
In Wirklichkeit machte er sich deshalb Sorgen. Nächsten Monat würden sie sich nach Norden zu den Rentieren aufmachen, und dann würde er beide Beine brauchen.
Jetzt folgte er dem Alten humpelnd zu seinem Nest, nahm seinen Lederbeutel mit Erdblut und Holzkohle und folgte dem Schamanen dann zum bemalten Teil der Felswand.
Dorn stand in der Morgensonne und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen die Felswand, die immer wieder übermalt worden war. Die vielen erhobenen Schwänze und geöffneten Kolbis würdigte er keines Blickes, nicht einmal eine ziemlich gelungene Reihe, die einen Mann mit einem Visel zeigte, der so groß war, dass er die Spitze hinunterbiegen musste, um an ihr zu lutschen. Stattdessen betrachtete er eine Gruppe von zehn rostbraunen Höhlenbären. Die Bären gefielen ihm: Sie hatten sich zu einem Rudel zusammengerottet, etwas, das sie auf Erden niemals taten. Einige von ihnen standen, einige schlurften dahin, und einige hielten die unglaublichen Nasen in den Wind. Jeder Bär verriet seine Stimmung oder seine Aufgabe durch eine geschickt dargestellte Augen- oder Ohrenbewegung oder durch Falten auf den schrägen Stirnen. Einige der Bären bestanden nur aus drei Linien, aber die meisten waren ausgemalt, und Holzkohle war über die rote Farbe gerieben, um genau den Rostton zu erzeugen, den die Bären in ihrem Spätsommerkleid hatten. Und sie waren alle fett. Also war es auf dem Bild Herbst; und nach ihren Gesichtern zu urteilen, hatte etwas unten am Fluss ihre Aufmerksamkeit erregt. Oft waren die Unebenheiten der Felswand ein Teil der Darstellung, waren zu Schultern oder Rümpfen der Tiere geworden. Es war, als hätte der Maler, wer auch immer es gewesen war, die Bären aus der Felswand heraustreten sehen und sie anschließend entsprechend gemalt. Die Malereien blätterten bereits ab, und Dorn sprach schon seit einer Weile davon, sie auszubessern. Jetzt zeigte er auf den hintersten Bären.
— Den hast du an deinem ersten Tag nachgemalt!, kam Eistaucher ihm zuvor.
Dorn warf einen Kiesel nach ihm. — Sei still. Ich bin immer noch dein Meister. Wenn ich dich schlage, musst du dir das gefallen lassen. Obwohl du inzwischen stark genug bist, mich zu schlagen. Auch wenn dich das wütend macht, musst du es dir gefallen lassen, wenn du Teil des Rudels bleiben willst. Also halt den Mund, damit ich dir etwas Neues zeigen kann.
— Ausnahmsweise, sagte Eistaucher und wich einem weiteren Kiesel aus.
Während Dorn ein paar Brocken Erdblut und eine Reihe Hacksteine und Stichel hervorzog, setzte Eistaucher sich hin und sparte sich weitere giftige Bemerkungen. Er hatte begierig auf diesen Moment gewartet, und nun endlich zeigte der Alte sich bereit, seinen Wissensdurst zu stillen.
Erdblut war bröselig, wie Sand, der sich mit Blut vollgesogen hatte und anschließend getrocknet und zu Stein geworden war. Von der obersten Schicht konnte man kleine Flocken mit der Kralle abkratzen, doch darunter wurde es sehr viel härter, sodass man einen Feuersteinstichel brauchte. Mit der Spitze des Stichels kratzte man Flocken und Körnchen ab, und wenn man einen ordentlichen Haufen davon beisammenhatte, dann zermahlte man sie mit einem Feuersteinstößel in einem Granitmörser oder auf einem Schieferstein. Also kratzte Eistaucher mit einem der größeren Stichel drauflos und bohrte die Spitze mal hier und mal dort in den roten Stein, immer an die weichsten Stellen, wo die Erdblutklumpen am dunkelsten waren, wie Schorf im sandigen Stein, der zwar ebenfalls rot war, aber schwarze und braune Beimengungen hatte. Am leichtesten splitterte der Stein dort, wo Schorf und sandige Stellen aufeinandertrafen. Die abgebrochenen Schorfstücke waren weicher als die sandigen Brocken, wie sehr fester Schlamm.
— Das braucht man vor allem, sagte Dorn und deutete dabei auf das feinere Pulver von den schorfigen Stellen. — Durch die sandigen Teile wird die Farbe zu körnig. Davon darf ein wenig hinein, aber nicht zu viel. Die Farbe muss genau die richtige Dicke haben, um sie auf eine Wand aufzutragen, wie eine dicke Suppe oder eine sehr dünne Paste. Sie muss dünn genug sein, um sie zu verstreichen, aber nicht so dünn, dass sie verläuft.
— Man tut also Wasser in das Pulver.
— Natürlich. Sei nicht so vorlaut, Junge. Außerdem tut man etwas hinein, das Wasser und Pulver miteinander verbindet, und das ist es, was du nicht weißt. Beides muss sich verbinden, ohne zu klumpen. Es gibt eine Reihe von Bindemitteln, mit denen das geht, manche für Körperbemalung, manche für Wandfarbe. Heute brauchen wir ein bisschen Spucke und etwas fettes Mark von einem Reh, das ich extra mitgebracht habe.
Er zog einen Gänselederbeutel aus seiner Gürteltasche, knotete ihn sorgfältig auf und schüttete etwas von dem halb flüssigen Fett in eine Holzschale.
Eistaucher starrte den Beutel an: Von Bindemitteln hatte er nichts gewusst.
— Es ist besser, wenn das Pulver noch feiner ist als das, was du da hast. Du hast das nicht richtig gut gemacht, aber wir benutzen es trotzdem, damit du es selbst siehst.
Er nahm Eistauchers Mahlschiefer mit dem Erdblutpulver darauf und kippte es in die Schüssel. — Rühr das um und warte dann zwanzig Herzschläge, bis die größten Sandkörner auf den Boden der Schüssel gesunken sind. Dann schüttest du die Farbe in eine andere Schüssel, aber ohne den Bodensatz. So.
Er goss die Farbe um. — Siehst du, das körnigste Rot bleibt in der ersten Schüssel. Jetzt warten wir, bis sich ein feineres Pulver am Boden der zweiten Schüssel abgesetzt hat. Das wird ein bisschen dauern. Der größte Teil des Rots schwimmt ewig in der Flüssigkeit. Wenn es so weit ist, gießt du das Wasser vorsichtig ab. Später, wenn der Bodensatz in den beiden Schüsseln trocknet, hast du zwei Fladen Erdblut, einer aus grobem und der andere aus feinem Pulver. Die getrockneten Fladen kannst du in Streifen schneiden und mit ihnen malen wie mit einem Holzkohlestock, nur in Rot. Oder du kannst einen getrockneten Fladen ins Wasser legen, ihn zerstoßen und dabei mehr Mark hinzugeben, oder Spucke oder Pisse oder Hautleim oder Spritzmilch. Dann kannst du wieder damit malen. Oder du kannst einen Fladen zerkrümeln und mit Bienenwachs mischen. So macht man die Kreiden, die du schon hier und da gesehen hast.
Eistaucher nickte. — Heide macht guten Leim. Er hatte sie oft dabei beobachtet, wie sie die letzten Reste geschlachteter Tiere in einem Eimer zu weißem Schleim einkochte, wobei sie Knorpel, Fett, Sehnen, Bänder und kleine Knochen- und Muskelstücke verwendete und zermahlene Pflanzen, die nur sie kannte.
Dorn nickte. — Etwas, das sie in ihren Leim tut, lässt ihn besonders hart werden. Bei meinen Felsenbildern benutze ich immer ein paar Tropfen davon. Dann zerlaufen sie später nicht im Regen. Hier, rühr das Fett ein und zermahle dann noch mehr von dem Stein.
Den Erdblutklumpen mit dem Stichel bearbeiten. Kratz-kratz-kratz. Warme Morgenluft. Das gefiel ihm: Die Röte des Steins, seine Mürbheit. Er hielt sich den Klumpen unter die Nase: Es roch sogar nach Blut. Die Sonne heiß in seinem Nacken.
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