Dann wanderte sein erfrorener Blick von Dorn zu Eistaucher, und Eistaucher riss schnell den Kopf herum, zutiefst bestürzt. Sein Gesicht kribbelte. Dorn sah zu Eistaucher hinunter und dann wieder zu Knack. Das Gesicht des Schamanen verriet, dass der Alte sie immer noch ansah. Eistaucher kauerte sich mit gesenktem Kopf zusammen. Er war zu nichts in der Lage, als furchtsam zu Dorn aufzublicken.
Dorn nahm sehr langsam seine Flöte vom Gürtel und spielte eine Melodie, die Eistaucher an das Lied über Wolfstäuscher erinnerte. Dann wandelte die Melodie sich, und er erkannte sie als Knacks dreifaches Pfeifen, das Dorn irgendwie in eine Totenklage verwandelte. Eins zwei drei, eins zwei drei. Während Dorn spielte, starrte er die ganze Zeit über das Feuer hinweg Knack an. Schließlich hörte er auf zu spielen, nickte, küsste die Flöte und verstaute sie. Dann wandte er sich ab und ging zu Bett.
Danach trieb Knack sich oft im Lager herum. Bei Nacht am Feuer bemerkte Eistaucher oft, dass Dorn den Geist am Rande des Feuerscheins sah, wie eine Hyäne in der Nähe eines toten Tiers. Wenn das geschah, spielte Dorn auf seiner Flöte, aber Eistaucher hatte den Eindruck, dass das nicht genügte. Vielleicht würde der Geist zufrieden sein und verschwinden, wenn sie Knacks Knochen richtig bestatteten. Darauf setzte Eistaucher seine Hoffnungen.
Dorn trug in diesen Tagen beständig ein angestrengtes Stirnrunzeln zur Schau. Mehr denn je sah er aus wie eine schwarze Schlange. Manchmal konnte Eistaucher ihn mit einem beschnitzten Stück Wurzelholz oder Geweih ablenken oder mit einem in Schiefer gekratzten Bild, oder einem auf ein Stück Holz gemalte Tier. Oft erzählte er auch eine von Dorns Lieblingsgeschichten, darunter die über den Mann, der eine Schwanenfrau geheiratet und dadurch sein Leben ruiniert hatte und am Ende in eine Möwe verwandelt worden war. Wenn Eistaucher zum Ende dieser Geschichte kam, lächelte Dorn immer ein düsteres kleines Lächeln.
— Gut gesprochen, Junge. Immerhin ist das deine Geschichte. Und du wirst langsam besser darin, sie zu erzählen. Sehr viel besser als damals beim großen Fest. Jetzt trägst du das Ende mit echtem Gefühl vor. Du weißt, wie sich das anfühlt, was? Aber vergiss nicht den Teil mit dem alten Mann, der ihm hilft.
Der Vollmond des Sommermonats nahte. Nach und nach war der Entschluss gereift, dieses Jahr nicht zum Acht-Acht zu reisen. Viele verschiedene Gründe wurden dafür genannt, aber der wichtigste war wohl, dass Schiefer eine direkte Konfrontation mit den Nordleuten vermeiden wollte. Er schlug vor, dass sie bis zum Lachsfluss gehen, die Lachse fischen und den darauffolgenden halben Monat damit verbringen sollten, in den Schluchten westlich der Eiskappen zu jagen. Anstelle der Rentiere in der Steppe würden sie Pferde, Moschusochsen, Schafe, Bären und all die anderen Tiere des Westens erlegen. Frühling und Sommer waren so stürmisch gewesen, dass vielleicht ohnehin keine Rentiere kommen würden. Es war bekannt, dass sie in Sturmjahren manchmal ausblieben.
Natürlich hielten einige aus dem Rudel diese Veränderung für einen Fehler, und niemand verpasste gerne das Acht-Acht, vielleicht mit Ausnahme von Eistaucher. Wieder einmal war das eine Sache, bei der Schiefer nicht gut dastand. Zunehmend gelang es ihm nicht mehr, dem Rudel ein Gefühl der Einigkeit zu vermitteln. Immer wieder schimpfte Steinbock wegen dieser oder jener Sache mit Falke und Moos, und Falke hatte keine Hemmungen zurückzuschimpfen, wobei er immer verstohlen zu Schiefer blickte. Die Jugend hat ihren eigenen Kopf. Dorn, der abgesehen von Heide der Älteste im Rudel und obendrein Schamane war, hätte die Streitigkeiten schlichten sollen. Doch Dorn war zerstreut und fahrig, und anstatt sich dazu zu äußern, wie sie den Sommer verbringen sollten, verbrachte er seine Tage mit immer längerem Flötenspiel.
Also blieben sie in diesem Sommer daheim. Einige von ihnen zogen nach Westen zum Lachsfluss, während andere zur Jagd nach den Pferdeherden aufbrachen, die durch die große Schlucht kamen, und sie in Kolbispalten hineintrieben, aus denen sie nicht entkommen konnten. Die im Lager Zurückgebliebenen stellten Fallen auf. Sie mussten nicht nur für sich genug Vorräte für den Winter anlegen, sondern auch, um dem Rabenrudel zurückzugeben, was sie während des Hungerfrühlings von ihm erhalten hatten, und noch ein wenig mehr als Dankeschön. Da sie dieses Jahr keine Rentiere erbeuten konnten, war das eine echte Herausforderung, die sie jedoch, wie sich im Laufe des Herbstes herausstellte, bewältigen konnten; nur den Anteil für die Raben bekamen sie nicht zusammen.
— Das muss vielleicht noch ein Jahr warten, gestand Schiefer. — Oder wir sehen, wie es im Frühling wird, und entscheiden dann.
— Wir werden auch den Nordleuten Wiedergutmachung leisten müssen, warnte ihn Dorn, — wenn wir nächstes Jahr zum Acht-Acht gehen. Selbst wenn es ihre Schuld war. Das Urteil wird von den Jahreszählern getroffen, und es könnte gegen uns ausfallen. Wir müssen also darauf vorbereitet sein. Aber Nahrung taugt nicht für eine solche Wiedergutmachung, wir brauchen etwas anderes.
Eistaucher hatte eine Idee. — Wir haben ihnen bei unserer Flucht Schneeschuhe gestohlen und die restlichen zerstört. Die könnten wir ihnen zurückgeben, aber bessere.
— Bessere?
— Ich kann Schneeschuhe machen, die besser sind als ihre, und die können wir ihnen dann geben.
Dorn nickte nachdenklich. — So etwas gefällt den Jahreszählern. Wir sagen ihnen, dass wir den Nordleuten dafür verzeihen, dass sie Elga geraubt haben, weshalb sie uns das verzeihen müssen, was wir ihnen angetan haben, als wir euch beide da rausgeholt haben. Wir geben die Schneeschuhe zurück, die wir ihnen weggenommen haben, und es werden sogar bessere sein. Und dann wird die Sache entweder erledigt sein, oder wir bekämpfen sie auf den Tod. Und die Jahreszähler mögen es nicht, wenn auf dem Acht-Acht gekämpft wird.
Schiefer sagte: — Klingt gut. Niemand will, dass die Nordleute sich einbilden, sie könnten die Jahreszähler herumschubsen. Vielleicht funktioniert es. Jedenfalls müssen wir zurück.
Von da an hielt Eistaucher bei der herbstlichen Nahrungssuche nach Holz Ausschau, das sich zu Schneeschuhen verarbeiten ließ. Sie hatten vier Paar gestohlen, also wollte er auch so viele machen. Die Erinnerung daran, wie viele mehr er zerbrochen hatte, verdrängte er. Die von ihm angefertigten Schneeschuhe würden besser sein als die der Jende. Er hatte schon früher manchmal darüber nachgedacht, während er durch den Schnee am großen Salzmeer gestapft war und den Schlitten der Jende hinter sich hergezogen hatte. Sie mussten ihre Schneeschuhe aus den knorrigen kleinen Kiefern machen, die in den nahen Schluchten wuchsen, und aus den dann und wann angeschwemmten Treibholzstücken. Kleine Bäume bedeuteten kurze Stöcke, weshalb die Schneeschuhe der Jende aus zusammengebundenen Einzelteilen bestanden. Doch hier unter der südlichen Sonne waren die Bäume viel größer und vielfältiger und lieferten alle möglichen verwendbaren Holzsorten.
Inzwischen hatte Eistaucher auch ein Bild vor Augen, das er auf einen flachen Stein malte. Er war sich ziemlich sicher, dass es bei einem Schneeschuh am wichtigsten war, ihn gut am Fuß zu befestigen und dabei den Rahmen trotzdem noch locker genug zu lassen, dass er sich unter dem Fußballen abrollen konnte. Die beiden Eigenschaften widersprachen sich eigentlich, und die Jende hatten das Problem gelöst, indem sie ihre hohen Stiefel auf Kreuze aus Mammutstoßzahn geschnallt hatten, die direkt hinter dem Loch für die Stiefelspitze auf dem Schuh auflagen, sodass die Spitze sich durch das Loch in den Schnee senken konnte, wenn man bergauf ging, während der Schneeschuh flach blieb, wenn man auf ebenem Gelände ausschritt. Auf flachem Schnee funktionierte diese Kreuzschnalle bestens und auch, wenn man einen Hang gerade hinauf- oder hinabstieg; aber wenn man schräg am Hang entlangging, drehte sich ein solcher Schneeschuh und rutschte weg, weshalb man angestrengt darauf achten musste, Fuß und Schneeschuh so flach wie möglich aufzusetzen. Schräg am Hang konnte das einfach nicht funktionieren, weshalb man immer wegrutschte, wobei leicht ein Gurt riss oder das Fußkreuz sich von dem gebogenen Rahmen löste. Ein kaputter Schneeschuh konnte einem den ganzen Tag verderben, hieß es; und trotzdem gingen die Schneeschuhe ziemlich oft kaputt.
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