«Noch eine kurze Weile verzeiht, Mylord, «sagte Quentin, indem er den Korpskommandanten beiseite nahm,»ich darf nicht unerwähnt lassen, daß es noch jemand in der Welt gibt, der über die näheren Umstände von mir aufgeklärt worden ist, die jetzt um der Sicherheit des Königs Ludwig willen verschwiegen bleiben müssen. Diese Person dürfte vielleicht meinen, daß ihr nicht die gleiche Verpflichtung, zu schweigen, obliegt, wie mir als Dienstmann Ludwigs…«—»Ihr, sagt Ihr?«rief Lord Crawford,»o weh! wenn's ein Frauenzimmer ist, die drum weiß, dann sei uns Gott gnädig! da säßen wir ja wieder ganz gehörig in der Tinte!«—»Das braucht Ihr nicht zu meinen, Mylord!«versetzte Durward,»doch macht Euren Einfluß bei dem Grafen Crevecoeur geltend, daß er mir eine Unterredung mit Gräfin Isabelle gestatte. Denn sie allein ist's, die um das Geheimnis weiß, und ich zweifle nicht, daß es mir gelingen werde, sie in gleicher Weise zum Stillschweigen zu bestimmen, wie das mir meinem eignen Ich gegenüber gelungen ist.«
Der alte Soldat stand einen Augenblick überlegend da, dann richtete er den Blick bald auf die Dielen, bald zur Decke hinauf, dann schüttelte er den Kopf — dann sagte er:»Weiß der Himmel! aber hinter dieser ganzen Geschichte steckt noch etwas, das ich nicht verstehe. Gräfin Isabelle von Croye? und mit der wolltest Du Springinsfeld schottischer Herkunft eine Unterredung haben? mit einer Dame von ihrer Geburt, von ihrem Rang und Reichtum? Entweder hast Du zu hohes Vertrauen in dich, mein Sohn, oder Du hast unterwegs Deine Zeit vermaledeit gut verwendet! Immerhin will ich mit Crevecoeur in dieser Sache reden, und da er tatsächlich fürchtet, sein hitzköpfiger Herr könnte sich zu etwas Verdrießlichem von seiner Leidenschaft hinreißen lassen, so wird er wohl, denke ich, in Dein Begehren willigen, so seltsam und absonderlich es ihm auch, meiner Sixen, erscheinen wird.«
Hierauf verließ der Lord das Zimmer, achselzuckend und in Begleitung Balafrés, der nichts Besseres wußte, als ebensolche geheimnisvolle Miene aufzusetzen wie sein Kommandant.
Es dauerte nicht lange, so kehrte Lord Crawford wieder zurück, aber ohne seinen Schatten Balafré, und mit weit heitrerer Miene als vorhin. Ja er lachte und kicherte in sich hinein, auf eine Art, wie sie gar nicht recht zu seinem rauhen, runzligen Gesicht passen mochte. Dann wieder schüttelte er den Kopf, wie über eine Sache, die wohl seinen Tadel verdiente, die ihm aber nichtsdestoweniger außerordentlich albern vorkam.»Wirklich, Landsmann!«sagte er endlich,»blöde seid Ihr nicht, und aus Schüchternheit werdet Ihr sicherlich keine Schöne einbüßen. Crevecoeur kam mir vor wie einer, der Essig schluckt, als er Euren Vorschlag vernahm, und bei allen Heiligen Burgunds verschwor er sich, Euch keinen Schritt zu der Gräfin vergönnen zu wollen, wenn nicht gerade die Ehre der beiden Fürsten und der Friede der beiden Reiche auf dem Spiele stünde! Wäre er nicht schon verheiratet, so hätte ich, weiß Gott! gedacht, er wolle um der schönen Isabelle Hand selbst noch eine Lanze brechen! aber er denkt vielleicht an seinen Neffen, den Grafen Stephan? Seh einer an! Aber auf die Unterredung, das sage ich Euch, darf viel Zeit nicht verloren gehen, denn sonst möchte dem Grafen Crevecoeur die Geduld reißen! Hahaha! schmälen kann ich mit Euch, weiß Gott! nicht ob solcher Anmaßung, aber lachen, herzlich lachen muß ich darüber!«
Scharlachrot im Gesicht ob dieser Worte des alten Kriegers, aber schweigend, weil er sich sagte, daß jedes Wort die Sache nur verschlimmern würde, folgte Durward seinem Kommandanten in das Kloster, worin die Gräfin Zuflucht genommen hatte. Dort traf er im Sprechzimmer den Grafen Crevecoeur.»Also, junger Schwerenöter, «sprach dieser in gemessenem Tone,»wie es scheint, müßt Ihr die holde Partnerin Eurer romantischen Spritzfahrt durchaus noch einmal sehen?«—»Allerdings, Herr Graf, «antwortete Durward kalt, aber fest,»und was noch mehr ins Gewicht fallen dürfte, ich muß sie unter vier Augen sehen und sprechen.«—»Das wird nimmermehr der Fall sein, «versetzte entschieden der Graf,»urteilt selbst, Lord Crawford! die junge Dame ist die Tochter meines ältesten und wertgeschätztesten Waffengefährten, dabei die reichste Tochter der burgundischen Lande, und sie hat zugegeben, daß sie eine — na, wie soll ich sagen? — na, eine Törin ist, Euer Kriegsmann dort aber ein anmaßender junger Geck. kurz und gut, unter vier Augen dürfen sie einander nicht sehen. auf keinen Fall!«.»Nun, dann werde ich eben in Eurer Gegenwart kein Wort mit der Gräfin reden, «versetzte Quentin;»Ihr habt mir ja mehr bekannt gegeben, als ich bei aller mir eigentümlichen Anmaßung zu hoffen mich getraut hätte.«—»In Wahrheit, Freund, «nahm jetzt Lord Crawford das Wort,»Ihr seid mit Euren Reden nicht vorsichtig genug gewesen. Da Ihr Euch aber auf mich beruft, so möchte ich meinen, daß im Sprechzimmer ja doch ein ziemlich starkes Gitter den Klosterinsassen von dem Besucher absperrt. Ich denke, daraufhin könntet Ihr doch wohl ruhig es darauf ankommen lassen, was sie mit ihren Jungen anfangen werden? Wenn das Leben eines Königs und vieler seiner Edeln und Untertanen von der Unterredung solches jungen Menschen mit einer jungen Dame in gewissem Grade abhängt, dann meine ich, sollte man sie zusammen in aller Ruhe schwatzen lassen.«
Mit diesen Worten zog Lord Crawford den Grafen aus dem Zimmer. Er folgte, wenn auch nicht ohne Widerstreben, dem klügeren Greise, konnte aber nicht umhin, den jungen Bogenschützen noch mit recht zornigen Blicken zu messen. Gleich darauf trat Gräfin Isabelle ein, und zwar von der anderen Seite des Gitters. Kaum hatte sie den jungen Schotten allein in dem Sprechzimmer erblickt, als sie stehen blieb und ein paar Sekunden lang die Augen zu Boden geschlagen hielt…»Aber warum sollte ich undankbar sein?«sagte sie schließlich?» weil andre mich mit ungerechtem Argwohn verfolgen?… Mein Freund, mein — Retter, denn so muß ich Euch nennen — da ich von allen Seiten von Verrat umringt war — mein einzig treuer und aufrichtiger Freund!«Sie reichte ihm durch das Gitter die Hand und ließ sie in der seinen ruhen, ja, sie ließ es zu, daß er sie mit Küssen bedeckte.. Dann aber sagte sie:»Quentin Durward! sollten wir uns jemals wiedersehen, so würde ich diese Torheit Euch nie erlauben!«— Dann entzog sie ihm ihre Hand, trat einen Schritt vom Gitter weg und fragte Durward in einem ziemlich verlegenen Tone: was er eigentlich von ihr wolle?» Denn daß Ihr mich um etwas bitten wollt, hat mir der alte schottische Lord gesagt, der mit dem Grafen Crevecoeur bei mir war. Aber um eins möchte ich bitten: sprecht nichts, was uns beiden, denn es ist wohl anzunehmen, daß wir belauscht werden, zum Nachteil gereichen könnte.«—»Seid ohne Furcht, edles Fräulein, «erwiderte Quentin besorgt;»blickt nicht zurück, sondern vorwärts, standhaft vorwärts! wie alle tun müssen, die auf gefahrvollem Pfade wandeln, und höret mich an! König Ludwig hat es um Euch nicht besser verdient, als daß er öffentlich als hinterlistiger Ränkeschmied erklärt werde. Im gegenwärtigen Augenblick würde es aber, wenn nicht seinen Tod, so doch den Verlust seiner Krone bedeuten, wenn er angeklagt würde als derjenige, der Euch zu Eurer Flucht geraten, ja der den Plan ersonnen hat, Euch dem Eber von der Mark in die Hände zu liefern; und ganz ohne Zweifel dürfte feststehen, daß es infolge solcher öffentlichen Brandmarkung des Königs Ludwig zum blutigen Kriege zwischen Frankreich und Burgund kommen müßte.«
«Solches Herzeleid soll niemals durch mich über diese beiden herrlichen Länder gebracht werden, «erklärte Gräfin Isabelle in festem, doch freundlichem Tone,»sofern es sich irgend verhindern läßt. Dazu würde mich die leiseste Bitte aus Eurem Munde vermögen, denn ich bin nicht rachsüchtig. Also sagt mir, was ich tun soll? wenn mich der Burgunder Herzog vor sich ruft, soll ich schweigen oder die Wahrheit sagen? das erstere wäre Widerspenstigkeit, und das andere Lüge. Und dazu mich zu erniedrigen, werdet Ihr mir doch nicht zumuten?«—»Ganz gewiß nicht, edle Gräfin, «erwiderte Durward,»aber beschränkt Eure Aussage über König Ludwig auf das wenige, von dessen Wahrheit Ihr fest überzeugt seid. und wenn Ihr erwähnt, was andre Euch berichtet haben, so tut es nur in dem Sinne, wie man sich Gerüchten gegenüber verhält, und nehmt Euch in acht, Dinge, die Ihr selbst nicht erlebt habt, als wahr unter Eurem Zeugnis zu sagen. Mag mithin, was Euch selbst nicht so bekannt ist, daß Ihr es auf Euer Zeugnis nehmen könnt, durch andre Beweismittel als bloße Gerüchte erhärtet werden.«
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