Quentin verbeugte sich tief, und das Verhör begann aufs neue. Aufgefordert vom Herzog Karl, wies er die geschriebenen Verhaltungsbefehle vor, die er hinsichtlich seiner Reise bekommen hatte.»… Befolgtet Ihr diese Verhaltungsbefehle buchstäblich, Soldat?«fragte der Herzog. — »Nein, gnädigster Herr, «antwortete Quentin.»Ich sollte ihnen zufolge bei Namur über die Maas gehen, hielt mich aber auf dem linken Ufer, das mir einen näheren, sicherern Weg nach Lüttich bot.«—»Und warum diese Abänderung?«fragte der Herzog. — »Weil mir die Treue meines Führers verdächtig ward, «antwortete Quentin. — »Merke jetzt auf die Fragen, die ich an Dich tun werde, «sprach der Herzog.»Beantwortest Du sie der Wahrheit gemäß, so fürchte Dich vor keines Menschen Zorn. Antwortest Du aber ausweichend und zweideutig, so werde ich Dich lebendig an einer eisernen Kette am Turme des Rathauses aufhängen lassen.«
Tiefes Stillschweigen folgte diesen Worten. Endlich verlangte der Herzog von Durward Auskunft, wer sein Führer gewesen, wer ihm solchen verschafft, und was ihn veranlaßt habe, gegen dessen Treue Verdacht zu schöpfen? Auf die erste dieser Fragen nannte Quentin Hayraddin Maugrabin, den Zigeuner; auf die zweite antwortete er, Tristan l'Hermite habe ihm den Führer zugewiesen, und als Antwort auf den dritten Punkt erzählte er das, was sich im Franziskanerkloster bei Namur zugetragen, wie der Zigeuner aus dem heiligen Haus ausgetrieben worden, wie er, sein Benehmen beargwöhnend, seine Zusammenkunft mit einem von den Landsknechten des Wilhelm von der Mark belauscht und mit angehört habe, wie sie einen Plan geschmiedet hätten, die seinem Schutze anvertrauten Damen zu überfallen.
«Nun höre weiter, «sagte der Herzog,»und bedenke abermals, daß Dein Leben von der Wahrheit Deiner Aussage abhängt. Erwähnten diese Bösewichter, daß sie von dem König — ich meine den König Ludwig von Frankreich, — beauftragt seien, die Bedeckung zu überfallen und die Damen zu entführen?«
«Wenn solche schändlichen Subjekte auch etwas von der Art gesagt hätten, «versetzte Quentin,»so hätte ich es ihnen nicht glauben können, da ihre Worte den ausdrücklichen Befehlen des Königs entgegen lauteten.«
Ludwig, der bisher mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zugehört hatte, konnte sich nicht enthalten, bei Durwards Antwort tief Atem zu holen, als ob er sich auf einmal von einer schweren Last befreit fühlte. Der Herzog blickte abermals verstört und finster drein; dann begann er wieder und fragte Quentin noch genauer,»ob er nicht aus dem heimlichen Gespräch jener Leute so viel verstanden habe, daß ihre Pläne wenigstens König Ludwigs Genehmigung hätten.«—»Ich wiederhole, daß ich nichts hörte, was mich ermächtigen könnte, dies zu bejahen, «antwortete der junge Mann; denn obgleich er für sich die Ueberzeugung hatte, daß der König um die Verräterei Hayraddins wußte, so hielt er es doch für pflichtwidrig, seinen Verdacht hierüber laut werden zu lassen;»und wenn ich auch dergleichen Aeußerungen von solchen Leuten gehört hätte, so hätte ich doch ihrer Aussage gegen die bestimmten Verhaltungsbefehle, die mir der König erteilt hatte, kein Gewicht beigemessen.«—»Du bist ein treuer Bote, «sagte der Herzog mit höhnischem Lachen;»und ich wette, daß Du, indem Du so des Königs Befehlen nachkamst, seine Erwartungen auf eine Weise getäuscht hast, die Dir vielleicht teuer zu stehen gekommen wäre, wenn nicht nachfolgende Ereignisse Deine blinde Treue hätten als guten Dienst erscheinen lassen.«—»Ich verstehe Euch nicht, gnädigster Herr, «antwortete Durward;»alles, was ich weiß, ist, daß mein Gebieter, der König von Frankreich, mich zum Schütze dieser Damen aussandte und daß ich diesen Auftrag sowohl auf der Reise nach Schönwald als während der nachherigen Auftritte erfüllt habe.«
«Aber höre, Bogenschütze, was waren das für Instruktionen, vermöge deren Du, wie einige unglückliche Flüchtlinge von Schönwald berichteten, in den Straßen von Lüttich an der Spitze der Meuterer einherstolziertest, die nachmals ihren weltlichen Herrn und geistlichen Vater ermordeten? Und was war das für eine Rede, die Du hieltest, nachdem der Mord begangen war, in der Du Dir herausnahmst, als Agent Ludwigs aufzutreten und Dir eine Gewalt über die Bösewichter anzumaßen, die eben ein großes Verbrechen verübt hatten?«
«Herr Herzog, «erwiderte Quentin,»es fehlt nicht an Leuten, die bezeugen können, daß ich mich in der Stadt Lüttich keineswegs für einen Agenten von Frankreich ausgab, sondern daß das beharrliche Geschrei des Volks, das durchaus sich nicht vom Gegenteil überzeugen lassen wollte, mich dazu gestempelt hat. Dies erzählte ich auch den Leuten des Bischofs, als ich aus der Stadt entkommen war, und empfahl ihnen Aufmerksamkeit auf die Sicherheit des Schlosses, wodurch vielleicht das Unglück und die Schrecknisse der folgenden Nacht abgewendet worden wären. Freilich ist es wahr, daß ich in der äußersten Gefahr mich des Einflusses, den mir mein vermeintlicher Charakter gab, bediente, um die Gräfin Isabelle zu retten und, soweit es mir möglich war, der Mordlust zu steuern, die sich bereits in einer so schrecklichen Handlung kund gegeben hatte. Ich wiederhole und kann mit meinem Leben dafür haften, daß ich von dem König von Frankreich keinen Auftrag hatte.«—»Und hierin, «fiel Crevecoeur ein, der nicht länger schweigen konnte,»hat mein junger Waffengefährte mit ebenso viel Mut als Besonnenheit gehandelt, und daß er es getan, kann König Ludwig nicht zum Vorwurf gemacht werden.«
Ein Gemurmel des Beifalls ließ sich unter den versammelten Edeln vernehmen, das freudig zu Ludwigs Ohr klang, indes es höchst widrig in Karls Ohren widertönte. Sein Auge rollte vor Zorn; und diese so allgemein ausgesprochenen Gesinnungen mancher seiner mächtigsten Vasallen und weisesten Ratgeber hätten ihn vielleicht nicht verhindert, sich der ganzen Heftigkeit seines despotischen Gemüts zu überlassen, hätte nicht Argenton, die Gefahr voraussehend, plötzlich einen Herold aus der Stadt Lüttich angekündigt.
«Ein Herold von Webern und Nagelschmieden, «rief der Herzog aus, — »man lasse ihn gleich eintreten! Bei unserer lieben Frau! Ich will von diesem Herold mehr herausbekommen, als dieser französisch-schottische Bogenschütze zu sagen Lust zu haben scheint.«
Die Anwesenden verrieten keine geringe Neugierde, den Herold zu sehen, den die aufrührerischen Lütticher an einen so stolzen Fürsten, wie der Herzog von Burgund, abzusenden wagten, während dieser in so hohem Grade gegen sie aufgebracht war. Er war mit einem Wappenrock angetan, gestickt mit dem Wappen seines Herrn, auf dem der Eberkopf sich besonders hervorhob. Seine übrige Tracht war mit Borden und Verzierungen aller Art überladen, und der Federbusch, den er trug, so hoch, als ob er damit die Decke des Zimmers abfegen wollte. Kurz, der gewöhnliche Flitterstaat der Heroldskleidung war hier durch Uebertreibung zur Karikatur geworden.
«Wer bist Du ins Teufels Namen?«war der Gruß, womit Karl der Kühne diesen sonderbaren Abgesandten empfing. — »Ich bin der rote Eber, «antwortete der Herold,»Wappenträger Wilhelms von der Mark, von Gottes Gnaden und durch die Wahl des Kapitels Fürstbischof von Lüttich.«—»Ha!«fuhr Karl plötzlich auf, gab ihm aber, seine leidenschaftliche Aufwallung bekämpfend, ein Zeichen, fortzufahren. — »Und kraft der Rechte seiner Gemahlin, der edlen Gräfin Hameline von Croye, Graf von Croye und Herr von Bracequemont.«
Das Erstaunen Herzog Karls über die grenzenlose Frechheit, mit der diese Titel in seiner Gegenwart angekündigt wurden, schien ihm die Sprache geraubt zu haben; der Herold aber fuhr fort, seine Botschaft auszurichten:»Ich tue Euch kund, Karl von Burgund und Graf von Flandern, im Namen meines Herrn, daß er vermöge einer Dispensation unseres heiligen Vaters zu Rom, die zur Stunde erwartet wird, willens ist, zugleich das Amt eines Fürstbischofs von Lüttich zu übernehmen und seine Rechte als Graf von Croye auszuüben.«
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