«Die unvorsichtigen Dummköpfe!«rief der König —»wenn es ihnen so wenig um ihre eigene Sicherheit zu tun war, so verdienen sie auch meinen Schutz nicht. Fahrt fort — ich will mir ihretwegen keine Ungelegenheit machen.«—»Der nächste Punkt, fürchte ich, wird Ew. Majestät näher zu Herzen gehen, «sagte Comines. — »Ach!«rief der König,»Ihr meint die unselige Heirat! Ich werde nun und nimmermehr der Auflösung des Vertrages zwischen meiner Tochter Johanna und meinem Vetter Orleans meine Einwilligung geben; das hieße mir und meinen Nachkommen das Zepter von Frankreich aus den Händen winden; denn mein schwächlicher Knabe, der Dauphin, ist ein taube Blüte, die abfällt, ohne jemals Früchte zu tragen. Diese Verbindung zwischen Johanna und Orleans ist mein Gedanke bei Tag und mein Traum bei Nacht gewesen. Ich sage Dir, Argenton, ich kann sie nicht aufgeben! Ueberdies ist es unmenschlich, von mir zu verlangen, daß ich mit eigner Hand mein eigenes politisches Gebäude und zugleich das Lebensglück eines von Jugend auf füreinander erzogenen Paares zerstören soll.«—»Haben sie denn wirklich solche Zuneigung zueinander?«fragte Argenton. — »Von der einen Seite ist dies wenigstens der Fall, «versetzte der König,»und gerade von der Seite, die mir die meiste Sorge zur Pflicht macht. Aber Ihr lächelt, Herr Philipp — Ihr glaubt nicht an die Macht der Liebe.«—»Im Gegenteil, «sagte Argenton,»ich bin, mit Eurer Erlaubnis, in dieser Hinsicht so strenggläubig, daß ich Euch eben fragen wollte, ob Euch nicht die Versicherung, daß die Neigung der jungen Gräfin sich einem andern zugewandt habe, so daß es wahrscheinlich nie zu besagter Heirat kommen wird, bestimmen könnte, in die Vermählung des Herzogs von Orleans mit Isabelle von Croye zu willigen?«
König Ludwig seufzte. — »Ach, mein teurer Freund, «sprach er dann,»aus welchem Grabe habt Ihr solchen Trost für Tote geholt? — Ihre Neigung, ja freilich! — Wenn, in Wahrheit zu reden, Orleans auch meine Tochter Johanna verabscheute, so hätte er ohne dieses unselige Gewebe von Mißgeschick sie auf jeden Fall ehelichen müssen. Daraus könnt Ihr nun wahrnehmen, wie wenig Hoffnung vorhanden ist, daß dieses Jungferchen unter gleichem Zwange seine Hand ausschlagen wird, zumal er ein Sohn Frankreichs ist. — Nein, nein, Philipp! — es ist Wohl nicht zu besorgen, daß sie gegen die Bewerbungen eines solchen Freiers lange standhalten werde.«
«Ew. Majestät möchte im vorliegenden Falle den halsstarrigen Mut dieser jungen Gräfin doch zu gering anschlagen. Sie stammt aus einem eigenwilligen Geschlecht; und ich habe von Crevecoeur erfahren, daß sie eine romantische Neigung zu einem jungen Schildknappen hegt, der ihr allerdings auf der Reise manche Dienste geleistet hat.«—»Ha!«rief der König,»ein Bogenschütze meiner Garde, Quentin Durward?«—»Ich denke, ja!«sagte Argenton;»er wurde mit der Gräfin gefangen genommen, als er fast ganz allein mit ihr reiste.«—»Nun, gelobt sei Jesus Christ!«rief der König,»und Lob und Ehre dem gelehrten Galeotti, der in den Sternen las, daß dieses jungen Mannes Geschick mit dem meinigen verbunden sei! Ist das Mädchen ihm so zugetan, daß sie dadurch gegen Burgunds Willen sich widerspenstig zeigt, so ist dieser Quentin mir von großem Nutzen gewesen.«—»Nach dem, was mir Crevecoeur berichtet hat, ist allerdings einige Hoffnung vorhanden, daß sie auf ihrem Sinne beharren werde; überdies wird ohne Zweifel der edle Herzog ungeachtet der von Ew. Majestät geäußerten Vermutung schwerlich die Ansprüche auf die Hand seiner schönen Muhme, mit der er schon so lange verlobt ist, so bereitwillig aufgeben wollen.«—»Hm!«versetzte der König —»Ihr habt meine Tochter Johanna noch nie gesehen. — Eine Vogelscheuche, Mann! eine wahre Nachteule ist sie, deren ich mich schäme! Aber wenn er nur so klug ist, sie zu heiraten, so mag er meinetwegen sich bis über die Ohren in das schönste Kind in Frankreich verlieben. — Und nun, Philipp, habt Ihr Euch mit allen Falten des Gemüts Eures Gebieters vertraut gemacht?«
«Ich habe Ew, Majestät mit allem bekannt gemacht, worauf er zu bestehen jetzt willens ist. Allein Ew. Majestät weiß, daß des Herzogs Stimmung einem brausenden Gießbach gleichkommt, der nur dann in seinem Bette bleibt, wenn er keinen Widerstand findet; was aber noch sich zeigen könnte, ihn aufs neue in Wut zu bringen, läßt sich schwer berechnen. Würden sich noch nähere Beweise für Ew. Majestät Intriguen — verzeiht mir diesen Ausdruck, da jetzt so wenig Zeit für Zeremonien ist — mit den Lüttichern und Wilhelm von der Mark herausstellen, dann könnte es allerdings noch schlimmer werden. Es sind seltsame Nachrichten aus jener Gegend hier eingelaufen, — man erzählt sich, Wilhelm von der Mark habe Hameline, die ältere Gräfin von Croye, geheiratet.«—»Die alte Törin war ja so heiratslustig, daß sie des Satans Hand nicht ausgeschlagen hätte, «versetzte der König,»aber daß der von der Mark, so roh er auch ist, sie geheiratet haben sollte, würde mich noch mehr in Erstaunen setzen.«—»Ferner geht die Sage, «fuhr Comines fort,»daß ein Abgesandter oder Herold von seiten Wilhelms von der Mark unterwegs nach Peronne sei; — ein Umstand, der schon allein hinreichend wäre, den Herzog zur Raserei zu bringen — hoffentlich hat er nicht Briefe oder dergleichen von Ew. Majestät aufzuweisen?«—»Ich sollte an den wilden Eber schreiben?«antwortete der König.»Nein, nein, Herr Philipp, solcher Tor, Perlen vor die Schweine zu werfen, war ich nie; — mein geringer Verkehr mit dem wilden Tiere wurde durch Landstreicher und gemeines Gesindel gefühlt, deren Zeugnis nicht einmal bei einem Hühnerdiebstahl gelten möchte.«—»So kann ich denn Ew. Majestät nur noch empfehlen, «sagte Argenton, sich beurlaubend,»auf der Hut zu sein und vor allen Dingen Worte oder Beweise zu meiden, die mehr Eurer Würde, als Eurer jetzigen Lage angemessen sein dürften.«
«Wenn meine Würde, «versetzte der König,»mir einen Spuk machen will — was selten der Fall ist, wenn ich an höhere Interessen zu denken habe, — so habe ich ein sicheres Mittel, zu verhindern, daß sie mir nicht das Herz aufbläht. — Ich brauche dann nur in das zerstörte Kabinett einen Blick zu werfen, Herr von Comines, und an den Tod Karls des Einfältigen zu denken; dies heilt mich, wie ein kaltes Bad das Fieber, — Und jetzt, mein Freund und Warner, mußt Du gehen? Wohl denn, Herr Philipp, es wird ja eine Zeit kommen, wo Du es müde werden wirst, dem Stier von Burgund Vorlesungen über Staatspolitik zu halten. — Wenn Ludwig von Valois dann noch lebt, so findest Du einen Freund an Frankreichs Hofe. Ich sage Dir, es wäre ein Segen für mein ganzes Reich, wenn ich Dich gewinnen könnte, denn bei aller tiefen Einsicht in die Politik hast Du noch ein Gewissen, Recht und Unrecht zu fühlen und zu unterscheiden. So wahr mir Gott helfe, Oliver und Balue haben Herzen so hart, wie Mühlsteine, und mein Leben ist mir durch Gewissensbisse und Reue über Verbrechen verbittert worden, zu denen sie mir rieten. Du aber, Philipp, vereinigst die Weisheit der Gegenwart und der Vergangenheit, Du kannst mich lehren, wie man groß wird, ohne Tugend zu verabsäumen!«
«Eine schwere Aufgabe, die nur wenige zu lösen wußten, «sagte Comines;»doch ist sie Fürsten, die nach ihr streben wollen, noch immer erfüllbar. Vor der Hand, Sire, haltet Euch bereit, denn der Herzog wird gleich hier erscheinen, um mit Euch zu unterhandeln.«
Ludwig sah Philipp lange nach, als er das Zimmer verließ, und brach endlich in bitteres Lachen aus.»Er dünkt sich tugendhaft, weil er die Börse nicht nahm, sondern sich mit Schmeicheleien, Versprechungen und dem Genuß abspeisen ließ, für gekränkte Eitelkeit Rache nehmen zu können! Nun, er ist um so viel ärmer, da er das Geld ausgeschlagen hat — und nicht um ein Jota ehrlicher. Gleichviel muß er mein sein, denn er ist der schlaueste Kopf unter allen. — Jetzt geht es an ein edleres Wild! Jetzt hab ich's mit dem Leviathan Karl zu tun. Gleich dem furchtsamen Schiffsmann muß ich ihm eine Tonne zum Spiel über Bord weisen, aber ich werde schon noch eines Tages die Gelegenheit erwischen, ihm eine Harpune in die Eingeweide zu bohren.«
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