Ich ging zu ihm in die Nische und setzte mich auf die gegenüberliegende Bank. Nach der schwülen Hitze im Dampfbad war der feuchtkalte Stein angenehm auf der Haut. Von den vergitterten Fenstern unter dem Kuppeldach fielen Sonnenstrahlen schräg durch die feuchte Luft. In einer Ecke tröpfelte Wasser aus einem Löwenkopf in ein Marmorbecken. »Ich habe mit Oribasius geplaudert«, sagte ich. »Er erwähnte, dass deine Reise beschwerlich gewesen ist.«
Er stöhnte. »Beschwerlich? Sie war scheußlich.«
Ich lächelte und beobachtete ein paar Augenblicke die geschäftigen Hände des Sklaven. Ich hatte Eutherius noch nicht unbekleidet gesehen. Er war stattlich und unbehaart, aber nicht fett. Selbst im Bad trug er ein Tuch um die Lenden – was unter Eunuchen üblich war. Vermutlich waren sie die vulgäre Neugier anderer Männer leid.
»Oribasius sagt, Constantius habe einen Wutanfall bekommen.«
»In der Tat, und der war selbst für ihn ungewöhnlich. Ich hatte Glück, mit dem Leben davonzukommen.«
Wie erhofft erzählte er mir, was sich zugetragen hatte.
Er und Pentadius waren in den Audienzsaal gelassen worden. Auf dem erhöhten, vergoldeten und juwelenbesetzten Thron, umgeben von seinem Gefolge, saß Constantius mit versteinerter Miene und blickte zornig zu ihnen herab.
»Sowie ich Florentius neben dem Thron lächeln sah wie eine Katze vor der Butter, wusste ich, was kommen würde. Doch wer den Mut verliert, verliert alles. Ich handelte wie geplant und las Julians Brief vor.«
In diesem Brief drängte Julian den Kaiser, nicht auf den Klatsch der Unheilstifter zu hören, und führte aus, es gebe Männer am Hof, die sich zum Ziel gesetzt hätten, zwischen ihnen beiden Zwietracht zu säen. Deshalb sollten sie klug handeln und sich nicht von Feinden in eine Katastrophe treiben lassen. Julian erinnerte den Kaiser, dass er seine Verpflichtungen treu erfüllt habe, und erklärte, er habe den Notar Decentius vor den Gefahren gewarnt, als dieser Truppen von ihm verlangt habe. Wenn Decentius auf ihn gehört hätte, gäbe es jetzt keine Krise. Er habe es auf eine Akklamation nicht angelegt, doch nun, da sie erfolgt sei, werde es zur Meuterei kommen, wenn er sich vom Titel des Augustus distanzieren wollte, nachdem die Soldaten ihm diesen aufgezwungen hätten. Sollte er es trotzdem versuchen, werde wahrscheinlich ein anderer ausgerufen, der dem Kaiser weniger genehm sei, denn die Männer seien in der entsprechenden Stimmung.
Darum bat er Constantius, anzuerkennen, was geschehen war, und ihm zu glauben, dass er keinen Krieg zwischen ihnen wünsche. Seine Sorge sei einzig die Sicherheit Galliens, die noch immer gefährdet sei. Wenn er jetzt die besten Männer seiner Truppen abkommandierte, wäre dies das Zeichen für die germanischen Stämme, dass Rom eine ernsthafte Verteidigung Galliens nicht im Sinn hätte, und würde eine neuerliche Invasion provozieren. Doch um seinen guten Willen zu beweisen, werde er Reiterei aus Spanien und Söldnereinheiten zur Verstärkung schicken, die er gefahrlos entbehren könne. Schließlich forderte er den Kaiser auf, einen neuen Präfekten zu ernennen, um Florentius zu ersetzen. Doch was die übrigen Beamten angehe, werde er Männer auswählen, mit denen er am besten zusammenarbeiten könne.
»Während ich das alles vorgetragen habe«, sagte Eutherius, »saß Constantius wie versteinert da. Florentius flüsterte ihm ununterbrochen ins Ohr, und die Höflinge feixten und verdrehten die Augen.«
»Und Pentatius? Was hat der gesagt?«
»Er bestätigte alles – was ihm zur Ehre gereicht, denn da waren die Gefahrenzeichen schon für jeden offensichtlich: die Wangen unter der Puderschicht errötet, die Finger eisern um die Armlehnen geklammert, der paillettenbesetzte Pantoffel ungeduldig tippend.«
»Und dann?«, fragte ich.
Eutherius seufzte. »Dann schien er den Verstand zu verlieren. Er brüllte. Er drohte. Er zeigte mit dem Finger und spuckte. Er war kaum zu verstehen – Verräter, Dreckskerl, undankbarer Flegel –, doch am Ende gelang es dieser hinterhältigen Schlange von einem Oberkämmerer, den Kaiser ein wenig zu beruhigen, und als eine Verständigung wieder möglich war, wurden wir seiner Gegenwart verwiesen.«
Er stöhnte laut auf, da der Masseur seine Schultern zu kneten begann. Ich saß still da und tippte gedankenverloren auf meine alte Messerstichnarbe am Oberschenkel. Schließlich erzählte ich ihm, was Alypius vermutete, nämlich dass Constantius Julians Versprechungen nicht trauen würde.
»Ganz sicher nicht«, bekräftigte Eutherius. »Wie immer seine Entscheidung ausfallen wird, auf Vertrauen wird sie nicht gegründet sein. Dieses Wort hat für ihn keine Bedeutung. Nein, unsere einzige Hoffnung besteht darin, dass die Perser sich bereits an der Ostgrenze sammeln, denn so wird Constantius vielleicht klug genug sein, Julian in Frieden zu lassen, und ihm erlauben, das zu behalten, was er hat … Das genügt fürs Erste, Sophron.«
Er streckte die Hand aus und ließ sich von dem Sklaven hochziehen.
»Ah, ich fühle mich schon viel besser«, sagte er und reckte sich. »Und nun erzähl mir, was deine Soldatenfreunde sagen, Drusus.«
Ich zuckte die Achseln. »Sie rechnen mit Krieg. Manche wollen ihn sogar.« Kurz zuvor war eine Schar von Nevittas Freunden an mir vorbeigelaufen. Sie sprachen von nichts anderem.
»Nun, in den Hades gelangt man leicht«, meinte Eutherius seufzend. »Es sind die alten Männer wie ich, die den Frieden wählen.«
»Müssen wir denn nicht kämpfen?«
»Germanische Barbaren sind eine Sache, eine ganz andere ist es, gegen Constantius’ gepanzerte Reiter und die disziplinierten Heere des Ostens zu bestehen.« Sein Blick wanderte über meinen nackten Körper und blieb an der Narbe am Oberschenkel hängen. »Macht sie dir noch Ärger?«, fragte er.
Achselzuckend nahm ich die Hand weg und war plötzlich befangen. »Manchmal zwickt sie … Aber die Wunde war nicht tief. Es gibt viele Männer, die es schlimmer erwischt hat.«
»Und hältst du dich in der Schlacht ihretwegen zurück?«
Ich blickte scharf auf, um zu erwidern, dass ein solches Verhalten wohl schändlich sei. Doch ich sah ihm an, dass er mich nur zum Nachdenken anregen wollte.
Ich nickte. »Die Zenturionen sagen, dass die Zaghaften als Erste fallen.«
»Ebenso die Leichtsinnigen.« Er lächelte. »Zu welchen gehören wir, was meinst du? Oder gibt es eine dritte Gruppe? Das ist es, was wir entscheiden müssen. Denn der Weise betrügt sich nicht selbst.«
Als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck sah, lachte er freundlich und ließ sich von der Steinbank gleiten. »Komm, mein lieber Drusus, begleite mich zum Wasserbecken. Dann werden wir gemeinsam über die Zaghaften, die Leichtsinnigen und die Tapferen nachdenken, und du kannst mir alles über deine diplomatische Reise zum edlen Lupicinus berichten.«
Anfang Mai, als sich die ersten Knospen an den Weinstöcken zeigten, sandte Constantius seine offizielle Antwort. Der Bote war ein Quästor vom Hof. Er hieß Leonas.
Julian befahl, ihn mit Respekt zu behandeln, ganz gleich, welche Botschaft er überbringe. Er wolle zeigen, dass er Gesandten mit der gebührenden Achtung zu begegnen wisse, auch wenn der Kaiser das vergessen haben sollte.
Als wir nun in dem langen Audienzsaal standen, hörten wir dem Mann zu, der dröhnend und hölzern seine Botschaft vortrug, als stünde er vor einer großen Menschenmenge. »Der göttliche Kaiser willigt in keinen deiner Vorschläge ein. Ich wurde angewiesen, dir mitzuteilen, dass du von diesem törichten Verhalten ablassen solltest, wenn dir dein Wohl und das Wohl deiner Freunde am Herzen liegt.«
Leonas blickte auf. Julian fragte: »Gibt es noch etwas?«
»Ja, Cäsar«, antwortete der Bote, wobei er das zweite Wort in die Länge zog und danach in die Gesichter schaute, um sich zu vergewissern, dass wir die Herabsetzung verstanden hatten. »Ja, es gibt noch etwas.«
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